Ansätze gegen GvHD nach Stammzelltransplantationen
Mit Anfang März 2025 wechselte Annkristin Heine nach 17 Jahren an der Universitätsklinik Bonn an die Medizinische Universität Graz und übernahm dort die Professur für Innere Medizin und Hämatologie. Jetzt wurde ihr Forschungsschwerpunkt zur Abstoßungsreaktion (Graft-versus-Host-Erkrankung, kurz GvHD) nach Stammzelltransplantationen bei der Frühjahrstagung der ÖGHO und AHOP gewürdigt.

Bei der Frühjahrstagung wurden zwei Ihrer Mitarbeitenden ausgezeichnet, die in Bonn an Ihrem Forschungsschwerpunkt arbeiten. Ist das ein guter Start für Ihre Professur?
Heine: Es wurden zwei meiner Labormitarbeitenden aus Bonn ausgezeichnet. Michelle Klesse mit dem Best Abstract Award und Nils Kosiol mit den Young Investigator Award. Ich habe mich natürlich gefreut und bin sehr stolz auf meine beiden.
Unser Forschungsfeld ist auch extrem spannend. Wir beschäftigen uns u.a. mit Abstoßungsreaktionen bei Stammzelltransplantationen und wie man diese verhindern kann. Wir konnten bereits erste, vielversprechende Daten erzielen und hoffen, diese weiter auszubauen.
Warum gibt es diese Abstoßungsreaktion überhaupt und wie äußert sich diese?
Heine: Bei einer sogenannten akuten Graft-versus-Host-Erkrankung, kurz GvHD, greifen nach einer Stammzelltransplantation die Zellen des Spenders, v.a. sog. T-Lymphozyten, Organe des Empfängers wie Haut, Leber oder Darm an und lösen eine Abwehrreaktion aus. Die GvHD ist also eine systemische, entzündliche Erkrankung.
Prinzipiell unterscheidet man zwischen einer akuten und einer chronischen GvHD. Die akute GvHD ist gekennzeichnet durch Symptome wie Kolitis, Dermatitis oder Hepatitis. Bei der chronischen GvHD ab Tag 100 beobachten wir sklerotische Veränderungen von Haut und Schleimhaut, die z.B. zu Mundtrockenheit führen, eine Gelenksteifigkeit, Muskel- und Fasziensklerosierungen und Strikturen oder Stenosierungen z.B. in der Speiseröhre.
Je nach Studie sind von einer akuten GvHD circa 30 bis 60 Prozent betroffen. Insbesondere schwere chronische Verläufe der GvHD können oftmals nicht suffizient behandelt werden und tragen zur Sterblichkeit nach einer Stammzelltransplantation relevant bei.
Wie kann man Patienten helfen, die nach einer Stammzelltransplantation an einer GvHD leiden?
Heine: Zunächst würde man bei der akuten GvHD Kortison geben, dann den sog. JAK/STAT-Inhibitor Ruxolitinib, der die Entzündungsreaktion weiter bremsen soll. Ab der Drittlinientherapie gibt es keinen festen Standard. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir hier neue Therapiekonzepte entwickeln, um die GvHD bei unseren Patientinnen und Patienten suffizient behandeln zu können.
Sie sprachen von vielversprechenden Daten. Wo stehen Sie gerade mit Ihrer Forschung?
Heine: Wir wissen bereits, dass sogenannte T-Zellen relevant sind. Durch einen initialen Trigger, der u.a. durch die der Transplantation vorgeschaltete Chemo- oder Strahlentherapie verursacht wird, werden T-Zellen angelockt, die das Gewebe des Stammzellempfängers als „fremd“ erkennen und es schädigen. So kommt es zu Durchfällen, einer Leberentzündung oder Hautauschlägen. Heute wissen wir, dass auch weitere Zellen, wie Zellen des angeborenen Immunsystems, in diesen Teufelskreislauf involviert sind. Daran arbeiten wir.
Ein Ansatz, den wir gerade untersuchen, ist, das Einwandern von Immunzellen in den Darm zu verhindern, indem wir bestimmte Chemokinrezeptoren blockieren. Ein zweiter Ansatz, den wir bei der ÖGHO Frühjahrstagung in Salzburg vorgestellt haben, ist die Unterdrückung der Produktion eines Enzyms von neutrophilen Granulozyten, die ebenfalls diese Immunzellinfiltration forcieren können.
Was ist dann der nächste Schritt – eine klinische Studie?
Heine: Das sind durchaus Überlegungen und wäre natürlich mein großer Wunsch. Aber Ergebnisse aus dem Mausmodell müssen erstmal auch im Menschen klappen, und das ist oft schwer. Im Idealfall könnten wir den betroffenen Menschen eine neue Therapieoption anbieten und ihre Lebensqualität steigern.
Was ist konkret für Graz geplant?
Heine: Wir haben in Bonn ein Mausmodell etabliert, um die Mechanismen im Immunsystem nach einer Stammzelltransplantation zu untersuchen. Diese Forschungsarbeit möchte ich in Graz weiter fortsetzen. Ich stelle in Graz gerade meine Arbeitsgruppe zusammen.
Ich sehe an der Med Uni Graz viel Potential und finde den Universitätscampus mit all seinen Angeboten zu innovativen Technologien und tollen Kooperationspartnern sehr attraktiv.
Was spricht Ihrer Meinung nach für den Standort Graz?
Heine: Die Med Uni Graz hat in den letzten Jahren viel in exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in Infrastruktur und neue Techniken investiert. Am Campus existiert eine sehr dynamische Atmosphäre und man möchte wirklich etwas bewegen. Das empfinde ich als positiv ansteckend.
Welche Rahmenbedingungen braucht es Ihrer Meinung nach, damit sich Menschen langfristig für die Wissenschaft engagieren?
Heine: Das ist für mich ein ganz wichtiges Thema. Aktuell ist die Situation so, dass viele junge Ärzte für eine gewisse Zeit ins Labor gehen, um intensiv zu forschen. Sobald sie aber Facharzt oder Fachärztin sind, beispielsweise in einer Ambulanz oder auf einer Station, haben sie eigentlich keine Zeit mehr zum Forschen, und die Begeisterung für die Wissenschaft, die man lange gehegt und gepflegt hat, verpufft. Zum Forschen benötigt man Zeit. Zeit zum Nachdenken, zum Lesen, zum Diskutieren von Ideen.
Mir ist wichtig, junge talentierte Ärztinnen und Ärzte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einzustellen, die motiviert sind, Fragestellungen auch wirklich auf den Grund zu gehen. Außerdem müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass die Forschenden auch die entsprechenden Freiräume bekommen. Ich würde das gerne unterstützen, denn ich bin überzeugt: das ist unsere Zukunft.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Annkristin Heine absolvierte ihr Studium der Humanmedizin an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und schloss 2005 ihre Dissertation mit Auszeichnung ab. Nach Stationen an der Mount Sinai School of Medicine in New York, am Krebszentrum Bergonié in Bordeaux und an der Universitätsklinik Freiburg wechselte sie 2008 an die Universitätsklinik Bonn, wo sie insgesamt 17 Jahre tätig war, zunächst als Oberärztin, ab 2018 als stellvertretende Klinikdirektorin und Professorin für Tumorimmunologie sowie ab 2024 Prodekanin für Internationales und wissenschaftlichen Nachwuchs. 2018 wurde Heine zudem zur Professorin für Tumorimmunologie an der Universität Bonn berufen. Mit 1. März 2025 wurde Heine als Universitätsprofessorin für Innere Medizin und Hämatologie an die Medizinischen Universität Graz berufen.