ROHHAD-Syndrom: Leben mit invasiver Beatmung
Mehrere Reanimationen, Intensivbehandlungen und lange stationäre Aufenthalte waren bei der jungen Wienerin Rita Fussenegger notwendig. Erst spät wurde bei ihr das ROHHAD-Syndrom erkannt, eine vor allem durch Hypoxie und plötzliche extreme Gewichtszunahme gekennzeichnete Erkrankung. Dank Tracheostoma und invasiver Beatmung kann die Patientin heute ein aktives Leben führen.

Im Alter von 13 Jahren erlitt die heute 23-jährige Rita Fussenegger einen Skiunfall bei einem Schulausflug, verursacht durch eine plötzliche Ohnmacht. „Ich erlitt in der Folge ein Schädel-Hirn-Trauma“, erzählt Fussenegger.
Starke Gewichtszunahme und Zweifel am Pulsoximeter
In den folgenden Monaten und Jahren ging es ihr physisch und psychisch schlecht. Auffällig war auch eine plötzliche starke Gewichtszunahme: Innerhalb von zwei Monaten nahm die Teenagerin 30kg zu, im weiteren Krankheitsverlauf stieg ihr Gewicht von ursprünglich 60kg auf 130kg. „Meine Symptome wurden immer wieder als psychosomatisch bezeichnet, ich war auch in psychotherapeutischer Behandlung.“
Im Alter von 16 Jahren wurde erstmals eine Reanimation nötig, weitere folgten, doch noch immer wurde das komplexe Syndrom nicht ernst genommen: „Mitunter hörte ich sogar, das Pulsoximeter müsse falsch funktionieren, wenn die Sauerstoff-Sättigung so niedrig war.“
ROHHAD: Hypoventilationssyndrom
Rückblickend und mit der nunmehrigen Diagnose ROHHAD-Syndrom wird jedoch vieles klar (siehe Fakten-Check). Es handelt sich um eine Erkrankung, die als Hypoventilationssyndrom klassifiziert ist und die vor allem durch starken Abfall de Sauerstoff-Sättigung, plötzliche Gewichtszunahme, aber auch psychische Symptome charakterisiert ist.
„Ich hatte sogar selbst herausgefunden, dass meine Symptome mit einer Störung der CO2-Rezeptoren zu tun haben könnten“, sagt Fussenegger, die sich seit dem Volksschulalter für medizinische Zusammenhänge interessiert.
Im Alter von 20 Jahren trat bei Fussengger eine extreme Verschlechterung des Zustandes ein, die erstmals zum Verdacht des ROHHAD-Syndroms führte. Ihr Überleben verdankt sie der Behandlung am Zentrum für invasive Beatmung am Otto-Wagner-Spital in Wien, wo sie nach einem Tracheostoma vor drei Jahren, im Jänner 2022, eine invasive Beatmung erhielt.
Nach vielen Komplikationen, darunter Sepsis, und langer parenteraler Ernährung lernte die junge Wienerin wieder Gehen und Sprechen. „Ich bin meines Wissens sogar die einzige Patientin weltweit, die mit invasiver Beatmung singt“, erzählt Fussenegger.
Engagement trotz weiterer Diagnosen
Ihre Erfahrungen teilt sie heute auch als Vortragende, sie hat mehrere Organisationen gegründet, darunter eine für Menschen mit undiagnostizierten seltenen Erkrankungen. Sie will sich auch gesundheitspolitisch für Menschen mit invasiver Beatmung einsetzen (https://www.ritalaila.com). Dass bei ihr auch noch weitere Diagnosen hinzukamen, darunter das Ehlers-Danlos-Syndrom und das Familiäre Mittelmeerfieber, schmälert ihr Engagement in keiner Weise.
Diagnose und Behandlung in München
Therapeutisch wird sie seit dem 18. Lebensjahr auch vom Münchner Spezialisten für Hypoventilations-Erkrankungen, Dr. Matthias Frerick, betreut. Er war es auch, der bei ihr das ROHHAD-Syndrom diagnostizierte. „Es war bei Frau Fussenegger tatsächlich ein sehr langer Weg zur Diagnose, wir mussten viele Befunde und Arztbriefe sichten“, schildert Frerick im gemeinsamen ZOOM-Gespräch.
Frerick betont in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der Komplexität des Syndroms die Therapie immer eine sehr individuelle ist. Denn bei jedem Patienten, bei jeder Patientin sind die Symptome unterschiedlich ausgeprägt. Rita Fussenegger wurde in München unter anderem eine Zeit lang mit humanen Immunglobulinen behandelt. Diese greifen in die Immunreaktion ein und können einige der Symptome mildern. „Hypoventilation und Übergewicht lassen sich damit leider nicht beeinflussen, die Betroffenen haben aber etwa weniger Blutdruckkrisen und psychische Probleme“, sagt Frerick.
Fakten-Check: ROHHAD-Syndrom
Das Akronym ROHHAD steht für „Syndrom der schnell einsetzenden Adipositas im Kindesalter mit hypothalamischer Dysfunktion, Hypoventilation und autonomer Dysregulation“ (Orphanet).
Es ist noch wesentlich seltener als das Undine-Syndrom (Congenitales zentrales Hypoventilationssyndrom; CCHS), das bei 1:50.000 Geburten vorkommt. Weltweit sind bislang 200 Betroffene erfasst bzw. bekannt geworden, die Lebenserwartung gilt als stark verkürzt.
Der Münchner Spezialist für zentrale Hypoventilationssyndrome Dr. Matthias Frerick kennt derzeit elf Patienten und Patientinnen aus verschiedenen Ländern. Rita Fussenegger ist, soweit bekannt, die einzige Betroffene in Österreich. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher sein. Es wird derzeit versucht, ein internationales Register aufzubauen.
„Ich kenne kein anderes Krankheitsbild, das in seiner Ausprägung so unterschiedlich bei einzelnen Patientinnen und Patienten auftritt“, sagt Frerick. Charakteristisch ist die Unterversorgung mit Sauerstoff, die – so wie bei Fussenegger – Reanimationen nötig machen kann. Ebenso typisch ist die drastische und rapide Gewichtszunahme meist im Teenageralter.
Bei der Hälfte der Betroffenen sind laut Frerick neuroektodermale Tumoren nachweisbar. Somit steht das Syndrom vermutlich mit der Tumor-Abwehr in Zusammenhang.
Die genetische Komponente wird derzeit erforscht, wobei es aber sicher keine monogenetische Erkrankung sein dürfte, betont Frerick. Die Therapie ist ebenso mannigfaltig wie individuell, wobei humane Immunglobuline die Immunantwort modulieren können. Hinzu kommen die respiratorische Behandlung und ein striktes Ernährungsmanagement sowie weiter symptombezogene Ansätze.