17. Dez. 2024BTK-Inhibitoren im Fokus

Multiple Sklerose und die stille Progression

Die stille Progression spielt bei Multipler Sklerose (MS) eine wichtige Rolle. BTK-Inhibitoren wie Tolebrutinib und Fenebrutinib bieten einen vielversprechenden Ansatz, diese gezielt zu beeinflussen und das Fortschreiten der MS möglicherweise zu bremsen.

Ärzte untersuchen MRT-Bilder eines Patienten mit Multipler Sklerose in der Klinik, Nahaufnahme
Foto: New Africa/AdobeStock

„Die ,Silent Progression‘ oder ,PIRA‘ (Progression Independent of Relapse Activity) beginnt bereits sehr früh im Krankheitsverlauf und treibt die Krankheit langsam voran, häufig ohne klinisch sichtbare Schübe“, betont Prof. Dr. Frauke Zipp von der Universität Mainz. PIRA wird zunehmend als wichtiger Bestandteil der MS-Pathologie erkannt.

Eine besondere Bedeutung in diesem langsamen Fortschreiten der Erkrankung kommt B- und Mikrogliazellen zu. Diese „schwelenden Entzündungen“ (smoldering inflammation) weisen auf einen chronischen, schleichenden Entzündungsprozess hin, der das zentrale Nervensystem beeinträchtigt. Die Mikrogliazellen könnten hier eine zweifache Rolle spielen, indem sie sowohl entzündliche Prozesse fördern als auch wichtige Reinigungsfunktionen übernehmen.

Die „slowly expanding lesions“, Läsionen, die sich nur langsam vergrößern und auf diese unterschwellige Entzündung hinweisen, können im MRT als Läsionen mit feinem Randsaum („rim“) nachgewiesen werden. Studien zeigen, dass etwa 30% der T2-Läsionen bei Personen mit sekundär-progredienter MS solche Läsionen sind, und diese korrelieren auch mit der Progression.1 „Das sind wichtige Hinweise, dass wir an diesem Aspekt der Erkrankung gezielt forschen müssen, um das Fortschreiten zu verlangsamen oder sogar zu stoppen“, meint die Neurologin.

BTK-Inhibitoren wirken gezielt auf die B-Zellen und Mikrogliazellen

Ein Schlüssel zur Kontrolle dieser langsamen Progression könnten BTK-Inhibitoren (Bruton-Tyrosin-Kinase-Inhibitoren) sein, da sie gezielt auf B-Zellen und Mikrogliazellen wirken, erklärt Prof. Zipp: „Noch sind dies überwiegend theoretische Modelle“, aber erste Studien zu Tolebrutinib2 und Fenebrutinib3 liefern vielversprechende Ergebnisse.

Die Besonderheit der BTK-Inhibitoren liegt auch darin, dass sie offenbar die Blut-Hirn-Schranke überwinden und damit die Pathologie im Gehirn direkt adressieren können. So wurden beispielsweise im Rahmen der FENopta-Studie4 im Liquor cerebrospinalis von Patientinnen und Patienten nach einer BTK-Inhibitor-Behandlung mit Fenebrutinib „relativ hohe Konzentrationen der Substanz festgestellt, die wahrscheinlich biologisch relevant sind, um Mechanismen der chronisch fortschreitenden Krankheitsbiologie bei MS zu beeinflussen“, so Prof. Zipp.

Quelle: „Herausforderung BTKi – die Bluthirnschranke erfolgreich überwinden“, Vortrag im Rahmen des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Berlin, 8.11.24

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum neuropsy