10. Apr. 2024Zahnärzte-Verband ZIV warnt vor Unterversorgung

Zahnmedizin: Jede zehnte Kassenstelle unbesetzt

Reine Kassenordinationen sind nicht mehr „lebensfähig“, warnt der Zahnärztliche Interessenverband (ZIV) vor einer Unterversorgung. Schon jetzt sind 10% der Kassenstellen unbesetzt. 40% der Zahnärztinnen und Zahnärzte gehen in den nächsten 5 Jahren in Pension. Der ZIV startet nun eine Kampagne.

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Über eine „bedrohliche Situation“ für Kassenordinationen berichtete kürzlich der Zahnärztliche Interessenverband Österreichs (ZIV) in einer Pressekonferenz. Denn mehr als 80% der aktuellen Kassenleistungen seien defizitär, sagt ZIV-Präsident OMR Dr. Franz Hastermann. Dadurch ist laut dem Verband, der mit rund 2.500 Mitgliedern etwa die Hälfte aller Zahnärztinnen und Zahnärzte Österreichs vertritt, eine nur auf Kassenpatientinnen und -patienten angewiesene Ordination nicht mehr „lebensfähig“.

Solche Ordinationen würden sich besonders in wirtschaftlich schwachen Regionen Österreichs oder auch in sozial schwachen Stadtbezirken befinden. Bisher hätten Privatleistungen über Jahrzehnte die zu niedrig dotierten Kassenleistungen „quersubventioniert“, das wüssten seit jeher auch die Krankenkassen. Der Verband habe bereits 2017 darauf hingewiesen, dass dieses System nicht mehr funktioniere.

„Ferrari-Image“ ungerechtfertigt

Dazu kam die Teuerung der letzten 5 Jahre. Nun sei „kein wie immer gearteter Spielraum“ mehr für Querfinanzierungen übrig. „Der derzeitige Leistungskatalog stammt mit kleinen Modifikationen aus dem Jahr 1957“, erklärt ZIV-Präsident OMR Dr. Franz Hastermann auf medonline-Nachfrage, die Krankenkasse blocke aber die dringend notwendige Neuverhandlung seit Jahren ab.

„Die Kassenordinationen sind nach wie vor die relevante tragende Säule der Zahnversorgung für alle Bevölkerungsschichten bei freier Arztwahl“, gibt Hastermann zu bedenken. „Nur kostendeckende Honorare sichern deren Fortbestand.“ Das „Ferrari-Image“ durch Spitzenverdienste, das die Öffentlichkeit gerne den Zahnärztinnen und Zahnärzten zuschreibe, entspreche nicht der Wahrheit. Auch wenn es natürlich immer wieder Ausnahmen gebe – wie in allen Berufsgruppen.

40% gehen in den nächsten 5 Jahren in Pension

Zeitweise müsse man bereits mehr unbezahlte Zeit aufwenden, Patientinnen und Patienten über selbst zu bezahlende Leistungen zu informieren, als die eigentliche Behandlung dauere. Noch dazu erreichen mehr als 40% der Kassenzahnärztinnen und Kassenzahnärzte in den nächsten 5 Jahren das Pensionsalter, wie Zahlen der Zahnärztekammer, in der der ZIV seit 2021 nicht mehr vertreten ist (siehe Kasten), zeigen.

Schon jetzt könne man rund jede 10. Kassenplanstelle nicht mehr nachbesetzen. Eine weitere Herausforderung ist dem ZIV zufolge das EU-weite Verbot von Amalgam-Füllungen ab 2025. Das Verbot verhindere eine „kostengünstige, leistbare, dauerhafte zahnmedizinische Versorgung ganzer Bevölkerungsgruppen“. Das Datum sei seit Jahren bekannt. Jedoch hätten weder Politik noch Sozialversicherung etwas unternommen, um sich darauf vorzubereiten.

Versorgung der breiten Bevölkerung gefährdet

All diese Probleme würden „zeitnah zur ernsthaften Gefährdung der zahnärztlichen Versorgung der breiten Bevölkerung“ führen, warnt der ZIV. Daher stellt der Verband 2 Forderungen, und zwar in dieser Reihenfolge:

  1. kostendeckende Kassenhonorare für alle Posten des derzeitigen Leistungskatalogs und
  2. die Neuverhandlung eines zeitgemäßen neuen Leistungskatalogs.

Mit der Standespolitik der Zahnärztekammer ist der ZIV übrigens unzufrieden: Die derzeitige Führung habe ihre Kernaufgabe – die Vertretung gegenüber Politik und Krankenkassen – „nicht im Griff“, lautet der Vorwurf. Als unabhängige Interessenvertretung müsse der ZIV nun handeln. Neben den Forderungen beschloss der Verband daher eine „Positivkampagne“ mit dem Motto „Wir geben Österreich das Lächeln zurück“. Gute Zahnversorgung müsse erhalten bleiben, dafür kämpfe man – „Zahn um Zahn“.

„Nicht zuerst alles zerschlagen“

„Die Zeit drängt“, sagt Hastermann. Das sei auch der Grund, warum man vorerst „sofort die Honorare der aktuellen Leistungen auf eine kostendeckende Höhe“ anheben müsse: „Erst danach ist eine Neuverhandlung des Kassenvertrags in Ruhe möglich.“ Es dürfe nicht „wie so oft zuerst alles erst alles zerschlagen bzw. gegen die Wand gefahren werden, um danach über etwas Neues nachzudenken“, argumentiert der ZIV-Präsident. Abschließend hat Hastermann aber auch „positive Neuigkeiten“: So sei etwa Jobsharing bei den Kassenstellen möglich geworden.

70 Jahre ZIV – Mitgliederzahl steigt

Der Zahnärztliche Interessenverband Österreichs (ZIV) ist seit 1954 nach eigenen Angaben die „unabhängige standespolitische Interessenvertretung“ der österreichischen Zahnärztinnen und Zahnärzte.

Von 1958 bis 2021 habe der ZIV – zuerst in der Ärztekammer, dann in der Zahnärztekammer – als gewählte Vertretung die Geschicke der Zahnärzteschaft erfolgreich gelenkt.

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ZIV

OMR Dr. Franz Hastermann

2021 sei der Verband aber aus der Zahnärztekammer „herausgewählt“ worden, schildert Hastermann. Nach einem kurzzeitigen „Mitgliederknick“ seien die Eintritte deutlich gestiegen, vor allem durch viele junge Mitglieder, freut sich Hastermann.

Derzeit vertritt der ZIV zirka 2.500 Mitglieder, was etwa 50% aller österreichischen Zahnärztinnen und Zahnärzte entspricht. Heute wie damals gehe es darum, die zahnärztlichen Interessen gegenüber Politik und Krankenkassen durchzusetzen.

Quelle: Pressekonferenz Kampagne „Wir geben Österreich das Lächeln zurück“ des Zahnärztlichen Interessenverbandes (ZIV), 9.4.2024

Mehr auf:
www.oesterreichs-zahnarztpraxen.at
www.ziv.at