Zahnmedizin und Rauchen: Eine Brücke zum Ausstieg
Weniger Zahnverlust und geringeres Krebsrisiko: Ein Rauchstopp wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf die Mundgesundheit aus. Doch nur die wenigsten rauchenden Patientinnen und Patienten wollen mit dem Zigarettenrauchen aufhören. Am Universitätsklinikum Leipzig setzt man daher auf potenziell weniger schädliche Nikotinprodukte.
Wenn es um die gesundheitlichen Risiken des Zigarettenrauchens geht, steht in der öffentlichen Wahrnehmung wohl Lungenkrebs an erster Stelle. Doch Rauchen führt auch in anderen Körperregionen zu gesundheitlichen Schäden – unter anderem in der Mundhöhle: Rauchen ist ein bedeutender Risikofaktor für Erkrankungen des Zahnhalteapparates und verursacht Krebs im Mund- und Rachenraum, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in seinem Faltblatt „Rauchen und Mundgesundheit“ festhält*.
Einer bzw. eine von 5 Deutschen – in Österreich dürfte es nicht anders sein – leidet unter einer entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparates (Parodontitis). Mehr als 70% der Patientinnen und Patienten mit dieser chronisch verlaufenden Parodontalerkrankung rauchen. Und Rauchen verschlechtert die Durchblutung im Mundraum. „Besonders tückisch ist dabei, dass Rauchen das Zahnfleischbluten unterdrückt, das ein typisches Zeichen einer Parodontitis und ein Warnhinweis für die Erkrankung ist“, warnt das DKFZ. Zahlreiche Studien belegen: Rauchende haben gegenüber Nichtrauchenden ein 5- bis 6-fach höheres Risiko für diese Erkrankung. Dabei ist das Risiko umso höher, je mehr und je länger geraucht wird. Raucherinnen und Raucher haben im Vergleich zu Menschen, die nicht rauchen, deutlich mehr erkrankte und tiefere Zahnfleischtaschen, einen größeren Knochen- und Bindegewebsverlust sowie einen häufigeren Zahnverlust. Parodontitis verläuft umso schwerer, je mehr und je länger die Patientinnen und Patienten bereits rauchen. Auch der Behandlungserfolg ist bei Rauchenden deutlich schlechter.
Deutlich erhöhtes Krebsrisiko
Raucherinnen und Raucher haben auch ein deutlich höheres Risiko, Krebs der Mundhöhle, des Kehlkopfes, des Rachens und der Speiseröhre zu entwickeln als Menschen, die nicht rauchen. Bis zu 90% der Tumoren an Organen, die direkt mit dem Tabakrauch in Verbindung kommen, entstehen laut DKFZ nur durch das Rauchen. So haben rauchende Männer im Vergleich zu Nichtrauchern ein 27-fach erhöhtes Risiko für Mundhöhlenkrebs und rauchende Frauen ein rund 5-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko.
Rauchstopp ist die beste Option
Die logische Konsequenz: Um das Fortschreiten einer schweren Parodontalerkrankung und die Entstehung einer Krebserkrankung in der Mundhöhle zu verhindern, sollten Patientinnen und Patienten mit dem Zigarettenrauchen aufhören. „Ein Rauchstopp wirkt sich langfristig positiv auf die Mundgesundheit aus“, sagt das DKFZ klipp und klar. So verzögert ein Rauchstopp den mit einer schweren Parodontalerkrankung verbundenen Abbau des zahnfixierenden Knochens und verringert die Tiefe der entstehenden Zahnfleischtaschen. Ein Rauchstopp senkt auch bereits innerhalb weniger Jahre das Risiko, an Krebs zu erkranken. 20 Jahre nach dem Rauchstopp ist es etwa genauso niedrig wie das von Nichtrauchenden. Ein Rauchstopp könnte die meisten neuen Fälle von Mundhöhlen-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs von vorneherein verhindern.
Niederschwellige Alternativen anbieten
Das Problem dabei: Für die allermeisten Raucherinnen und Raucher ist ein Rauchstopp keine Option – obwohl ihnen die gesundheitlichen Risiken des Rauchens sehr wohl bewusst sind. Laut der deutschen DEBRA-Studie (Stand: 2022) geben lediglich 8% der Rauchenden an, innerhalb der letzten 12 Monate einen Rauchstopp versucht zu haben.
An der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Leipzig versucht man, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Ambulanten und stationären Patientinnen und Patienten wird hier angeboten, ihre Therapien mit einer Tabakentwöhnung zu verbinden („Gemeinsam rauchfrei“). „Natürlich bleibt das oberste Ziel definitiv der vollständige Rauchstopp“, betonen Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Oberarzt für Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung, und PD Dr. Gerhard Schmalz, Oberarzt für Oral Health Medicine: „Dennoch plädieren wir dafür, Patientinnen und Patienten mit niedrigschwelligen Alternativen einen Ausweg aus dem Rauchen anzubieten, den sie auch leisten könnten.“
Harm Reduction in Leipzig
Das heißt: In Leipzig werden erwachsene Raucher, die ansonsten weiter rauchen würden, zu einem Umstieg auf potenziell weniger schädliche Nikotinprodukte motiviert. Für Ziebolz und Schmalz sind E-Zigaretten oder Tabakerhitzer eine mögliche Brücke auf dem Weg zum kompletten Ausstieg aus dem Zigaretten- und Nikotinkonsum. Dieser Ansatz basiert auf dem Prinzip der „Harm Reduction“. Die beiden Leipziger Experten halten es jedenfalls für sinnvoll, Patientinnen und Patienten, die ansonsten weiter rauchen würden, auf dem Weg zum Rauchstopp auch mit potenziell weniger schädlichen Alternativen zu unterstützen. Um den nachhaltigen Nutzen alternativer Nikotinprodukte bei Parodontitis-Betroffenen zu beweisen, brauche es jedoch prospektive, randomisierte klinische Studien, unterstreichen sie in einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Leipzig.