Autoimmunhepatitis: plötzlich braune Flecken auf der Haut
Unspezifische braune Flecken auf der Haut und rasant steigende Leberwerte führten bei MMag. Melitta Matoušek zur Diagnose Autoimmunhepatitis. Vor rund 2 Jahren wurde sie lebertransplantiert. Die enge Zusammenarbeit mit ihrem behandelnden Hepatologen und Abteilungsvorstand der Gastroenterologie an der Klinik Hietzing Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kramer bezeichnet die pensionierte Lehrerin als „Glücksfall“. Heute gibt sie ihr Wissen um die Erkrankung an andere Betroffene weiter.
Anfang September 2023 wurde MMag. Melitta Matoušek von ihrem behandelnden Hepatologen Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kramer, FEBGH, eingeladen, an der 1. Medizinischen Abteilung mit Gastroenterologie der Klinik Hietzing bei einer internen Fortbildung über ihre Sicht als Patientin mit Autoimmunhepatitis zu sprechen. „Dass ich heute vor Ihnen sprechen darf, ist ein Wunder – keines, das mit überirdischen Kräften zustande kam, sondern ein Wunder, das ich ärztlicher und pflegerischer Kunst verdanke“, erzählt die 68-jährige pensionierte Wirtschaftswissenschafterin und Pädagogin.
Im Jahr 2009 fielen ihr erstmals braune Flecken an der Haut auf. In der von ihrer Hausärztin initiierten Blutuntersuchung waren bereits die Leberwerte erhöht. „Bei den 2-wöchigen Kontrollen kam es zu einem weiteren Anstieg, bis meine Hausärztin eines Tages plötzlich in der Schule anrief und mir nahelegte, sofort nach Hause gehen. Meine Leber müsse sich ausruhen, hieß es“, schildert Matoušek weiter. Bis dahin fühlte sie sich sehr gut, hatte keine Beschwerden und führte ein aktives Leben mit vielen sportlichen Aktivitäten.
Ihre als Journalistin tätige Schwester empfahl ihr, sich an einen Leberspezialisten zu wenden. „So kam ich zu Herrn Professor Kramer, und das war mein Glück“, so Matoušek. Tatsächlich hatte Kramer bereits nach einer ersten per E-Mail übermittelten Information über die Patientin den Verdacht einer Autoimmunhepatitis. Weitere Untersuchungen an der Ambulanz in der Klinik Hietzing sowie eine Leberbiopsie bestätigten dies. „An Leberambulanzen sind Patientinnen und Patienten mit einer Autoimmunhepatitis durchaus nicht selten“, ergänzt Kramer. Der charakteristische Beginn ohne Schmerzen oder Ikterus dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erkrankung auch bis zum plötzlichen Koma fulminant verlaufen oder sich in Richtung Fibrose bzw. Zirrhose entwickeln kann.
3- bis 4-stellige Leberwerte
Bei Melitta Matoušek stiegen die Leberwerte – vor allem die Transaminasen GPT und GOT vom Normbereich unter 40U/l sogar in den 3- bis 4-stelligen Bereich. Möglicherweise wurde die Erkrankung durch die Immunreaktion nach einer Grippeimpfung und/oder eine Virusinfektion getriggert (vgl. Fakten-Check). Nach der Einstellung auf die Therapie mit Cortison sowie Azathioprin traten unter anderem starke Übelkeit und Erbrechen sowie Gewichtszunahme auf. Immer wieder musste die Dosis adaptiert werden, auch waren in den folgenden Jahren mehrere stationäre Aufenthalte erforderlich.
„Es ging mir phasenweise sehr schlecht und es fiel mir schwer, die Erkrankung zu akzeptieren“ erzählt Matoušek. Mitunter versuchte sie auch, ohne ärztliche Rücksprache die Medikation abzusetzen. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes musste die Patientin auch 3 Jahre früher als beabsichtigt in Pension gehen.
An der Leber waren bei den Kontrollen bereits Veränderungen erkennbar, die eine Entwicklung in Richtung Zirrhose zeigten. „Die im Ultraschall sichtbare Erhöhung der Leberdichte wird oft auch als Fettleber bezeichnet, das ist aber nicht immer richtig“, erklärt Kramer. Prinzipiell sind aus seiner Sicht Therapie-Auslassversuche nach 1,5–2 Jahren möglich, diese sollten aber streng überwacht werden. Während der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 kam es bei Matoušek zu einer massiven Zunahme des Bauchumfanges, verursacht durch Aszites – ein deutlicher Hinweis auf den Umbau der Leber in Richtung Zirrhose. Arzt und Patientin entschieden sich daher für die Meldung für eine Transplantation; Matoušek war zu diesem Zeitpunkt 64 Jahren alt.
Warten auf ein Spenderorgan
„Während der Wartezeit habe ich versucht, mich durch Turnübungen fit zu halten, um den Muskelabbau zu verhindern”, erzählt die Patientin. Auch die angebotene psychologische Unterstützung des Transplantationszentrums am Wiener AKH nahm sie gerne an, darüber hinaus organisierte sie sich zusätzlich psychotherapeutische Begleitung. „Rückblickend kann ich sagen, dass dies für mich sehr wichtig war und ich mich psychisch gut auf die Transplantation vorbereiten konnte, um das neue Organ auch annehmen zu können. Darüber hinaus habe ich sehr viel gelernt, etwa wie die Verteilung der Spenderorgane europaweit organisiert ist.“ Als schließlich der Anruf kam, dass ein Organ für sie da sei, konnte sie ganz ruhig zur Transplantation an die Klinische Abteilung für Transplantation der Universitätsklinik für Chirurgie am AKH fahren. Durch ihre vorbildliche Haltung im Umgang mit der Erkrankung werde sie am AKH mittlerweile sogar als „Vorzeigepatientin“ bezeichnet, wie Matoušek berichtet.
Neben den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen am AKH ist Matoušek weiterhin in engem Kontakt mit Kramer, der ihr stets mit Informationen oder der Interpretation der Befunde hilft. „Das transplantierte Organ ist sehr wertvoll und gemeinsam werden wir gut darauf aufpassen“, ergänzt der Hepatologe. Aktuell erhält die Patientin eine Immunsuppression mit Tacrolimus.
Fakten-Check: Autoimmunhepatitis (AIH)
Eine Autoimmunhepatits ist eine seltene, chronisch oder akut verlaufende Erkrankung der Leber. Die Angaben zur Prävalenz sind unterschiedlich: von 0,2–1/100.000 bis zu 10–17/100.000 (vgl. www.usz.ch). Nach den Erfahrungen von Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kramer, FEBGH, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Gatroenterologie an der Klinik Hietzing, sind betroffene Patientinnen und Patienten an einer Leberambulanz häufig anzutreffen. Frauen sind jedenfalls deutlich häufiger betroffen, mit einem Altersgipfel zwischen dem 20. und 40. sowie nach dem 50. Lebensjahr. Die Ursache für die höhere Häufigkeit bei Frauen liegt vermutlich in der allgemein besseren Funktion des weiblichen Immunsystems, so kann z.B. nach einer Schwangerschaft ein Schub ausgelöst werden. Auch andere vorbestehende Autoimmunerkrankungen erhöhen das Risiko für eine Autoimmunhepatitis. Die seltene AIH Typ 2 kann sogar schon bei Jugendlichen auftreten. Diagnostisch sind zirkulierende Autoantikörper wie antinukleäre Antikörper (ANA), Antikörper gegen glatte Muskulatur (ASMA), lösliches Leberantigen (Anti-SLA/-LP), Leber-Nieren-mitochondriale Antikörper (Anti-LKM1) sowie Leberzytosol-Antikörper (Anti-LC1) von entscheidender diagnostischer Bedeutung. In aller Regel wird eine Leberbiopsie zur Sicherung der Diagnose durchgeführt, die heute ultraschallgezielt und in Kurznarkose mit hoher Sicherheit erfolgen kann.
Ursache der Erkrankung ist eine Störung des Gleichgewichts immunologischer Prozesse der normalerweise selbstlimitierenden Autoimmunität zum Abbau sporadischer Zellschäden. Genetische Prädispositionen, interne und externe Trigger führen dazu, dass Antigen-präsentierende Zellen autoreaktive T-Zellen aktivieren, die wiederum Leberzell-Antigene erkennen und Leberzellen angreifen. Als externe Trigger werden etwa Virusinfektionen, Arzneistoffe oder deren Metaboliten, Naturmedikamente sowie Veränderungen im Darm-Mikrobiom angesehen. Auch der Einfluss von Umwelt-Toxinen werde immer wieder diskutiert, sagt Kramer. Ebenso wurden Zusammenhänge mit der Immunreaktion nach Impfungen, auch der Covid-Impfung, beobachtet.
Mehrere Therapieoptionen
„Die Autoimmunhepatitis gehört zu den wenigen seltenen Erkrankungen, die fast immer medikamentös mit Erfolg zu behandeln sind.“ Eine immunsuppressive Therapie mit Cortisonpräparaten bildet meist den Beginn der Therapie: „Die Dosis muss jedoch individuell innerhalb weniger Wochen angepasst werden, um stärkere Nebenwirkungen zu verhindern.“ So kann unter der Cortison-Dauertherapie neben Gewichtszunahme oder Haarausfall auch Osteoporose auftreten. „Eine persönliche Schwellendosis wird jedoch meist nicht unterschritten, sonst gibt es keinen ausreichenden Effekt auf das Immunsystem. Darüber sind die Patientinnen und Patienten entsprechend aufzuklären“, betont Kramer. Zudem stehen Immunmodulatoren wie Azathioprin zur Verfügung, die erst nach einigen Wochen der Therapie zu wirken beginnen. Eine weitere Möglichkeit bei fehlendem Ansprechen ist die Behandlung mit Immunsuppressiva aus der Transplantationsmedizin wie Ciclosporin, Tacrolimus oder Mycophenolat. „Mit diesen Medikamenten sollte man allerdings viel Erfahrung haben“, betont Kramer.
In einigen Fällen verläuft die Erkrankung so akut, dass sogar ein akutes Leberversagen mit Leberkoma auftreten kann. Oder es kommt mit fortschreitender Erkrankung oder bei zu schwacher Therapie zur Fibrose bzw. Zirrhose, die eine Transplantation erfordert.
Die Hepatitis Hilfe Österreich ist eine Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten mit Lebererkrankungen oder nach Transplantationen und vereint mehrere Selbsthilfegruppen: jene für Autoimmunhepatitis wird von MMag. Melitta Matoušek geleitet. https://www.gesundeleber.at/
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