Viele Fragen zur Novelle des Apothekengesetzes
Die Österreichische Ärztekammer zeigt sich wenig erfreut über den Entwurf zur Novelle des Apothekergesetzes. Wo die Knackpunkte liegen, erörtern Funktionären der ÖÄK.
Das Apothekengesetz wird erstmals seit 1984 grundlegend reformiert (wir berichteten). So werden künftig Medikationsanalysen sowie einfache Gesundheitstests inklusive Nasen-/Rachenabstriche und kapillarer Blutabnahme direkt in Apotheken möglich sein. Außerdem können statt wie bisher einer bis zu 3 Filialapotheken eröffnet werden und die Öffnungszeiten sollen ausgedehnt werden.
Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) begrüßt, dass Apotheken zukünftig länger offen haben: „So können auch berufstätige Patientinnen und Patienten, die erst abends in eine Ordination kommen und ein Medikament verordnet bekommen, dieses regulär aus einer Apotheke abholen.“ Damit enden seine lobenden Worte für die Gesetzesnovelle aber auch.
Das Verhältnis der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und der Apothekerinnen und Apotheker an sich sei ein gutes. Doch die Apothekerkammer sei „invasiv“ und wolle Bereiche, die der ärztlichen Verantwortung unterliegen, „an sich reißen“, so Steinhart. Er kritisiert im Zuge dessen auch Gesundheitsminister Johannes Rauch dafür, dass die Ärzteschaft nicht in die Gespräche miteinbezogen wurde. Es sei nicht bedacht worden, wie der Weg der Patientinnen und Patienten aussieht: „Was mache ich, wenn ein Patient bzw. eine Patientin bei einem Gesundheitstest in der Apotheke einen auffälligen Wert hat? Wie geht es dann weiter mit dieser Person? Hier passiert genau das Gegenteil von dem, was die Politik gesagt hat: Es passiert keine Stärkung der wohnortnahen Versorgung im niedergelassenen Bereich, sondern man fährt die Qualität runter und macht den Beruf für Ärztinnen und Ärzte unattraktiv“, so der ÖÄK-Präsident.
„Absolute Kriegserklärung an Hausapotheken“
Als besonders problematischen Teil des Gesetzes bezeichnet Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, die Passage mit den Filialapotheken. Diese wird auch von Steinhart als „absolute Kriegserklärung und Zerstörung der Hausapotheken“ bezeichnet.
Man werde die Hausapotheken damit noch weiter ausdünnen. „Es ist unlogisch! Eine rezente Studie hat gezeigt, dass der Ausbau der Hausapotheken bis zu 400 Kassenstellen bringen würde. Das wird mit der geplanten Novelle des Apothekengesetzes zunichte gemacht“, warnt Wutscher. Der Ausbau des niedergelassenen Bereichs finde dadurch nicht statt, was wiederum zu Lasten der Patientinnen und Patienten gehe.
Viele offene Fragen
Für die Standesvertreter stehen auch weitere offene Fragen im Raum. So sei aus ärztlicher Sicht der Sinn der Medikationsanalyse unklar. Wutscher: „Im, wie ich finde, sehr schweren Pharmaziestudium lernen die Studierenden zwar, wie man Medikamente herstellt, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen es gibt. Aber es sind nur 4 Stunden Physiologie im Curriculum vorgesehen. Das heißt, dass jede Person, die einen Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein macht, mehr medizinische Ausbildung erhalten hat als Pharmaziestudierende“, so der Standesvertreter. Dass es nun ein Softwareprogramm zur Analyse von Medikamenten gebe, sei schön und gut, aber dieses kenne weder den Patienten/die Patienten, noch die Laborwerte, die Krankengeschichte oder weitere sensible Daten. „Hier wird der Bevölkerung aus meiner Sicht etwas Falsches vorgespielt!“, warnt Wutscher.
Auch der Mehrwert der einfachen Gesundheitstests erschließt sich für den niedergelassenen Arzt nicht: „Wie werden Patientinnen und Patienten nach positiven Tests beraten? Was sind die Konsequenten daraus? Im Endeffekt müssen sie wieder ihre Ärztinnen und Ärzte aufsuchen.“ Da auch die Frage der Dokumentation der Testergebnisse nicht geklärt wird sei zu befürchtet, dass es zu Doppelgleisigkeiten komme. Das gehe schlussendlich zulasten der gesamten Bevölkerung, da kostspielige Tests zweimal auf Kassenkosten durchgeführt werden würden.
Schlussendlich stelle sich nach der Patientendokumentation auch die Frage nach dem Datenschutz, der in der Gesetzesnovelle nicht erwähnt sei, so Wutscher. „Medizinische Daten sind hochsensibel! In Ordinationen gibt es Qualitätskontrollen und ganz genaue Vorschriften, wie zu dokumentieren ist. Wie wollen die Apotheken das alles sicherstellen? Ich glaube, das ist unseriös und ich weiß nicht, ob das Sinn hat.“
„Das als Entlastung der Ärzteschaft zu bezeichnen ist zynisch!“
Dass die Novelle des Apothekengesetzes als Entlastung der Ärzteschaft angepriesen wird, sei für Dr. Silvester Hutgrabner, Leiter des ÖÄK-Referats für Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten, zynisch. „Ärztinnen und Ärzte sind nun mal erste Anlaufstelle für die Gesundheitsversorgung. Wenn der Minister das anders sieht, soll er das auch so offen sagen!“, zeigt sich Hutgrabner deutlich verärgert. „Als Praktiker und Allgemeinmediziner mit Hausapotheke weiß ich, was sich am Land abspielt.“ Wie Steinhart betont auch er, dass er ein gutes Einvernehmen mit den Apothekerinnen und Apothekern in seiner Umgebung habe. Doch diese Novelle richte sich klar gegen die Bevölkerung, weil es zu einer dramatischen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung kommen werde. „Wir bräuchten eine Gesetzesnovelle für die Hausapotheken. Dass es dagegen sogar noch zu einer Ausdehnung der Filialapotheken kommen wird, ist ein klipp und klarer Angriff auf Hausapotheken. Dabei wäre es für Patientinnen und Patienten am besten, wenn sie Medikamente gleich von den Verschreibenden mitnehmen könnten!“
Gerade in Gemeinde bis zu 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern würden die ärztlichen Hausapotheken die Hauptlast der Arzneimittelversorgung tragen. Dort gebe es mehr als 700 ärztliche Hausapotheken die Medikamentenversorgung, verglichen mit weniger als 170 öffentlichen Apotheken. Noch dazu habe eine rezente Studie gezeigt, dass ärztliche Hausapotheken den Kassenärztemangel verringern könnte. Auch eine Analyse der Bundeswettbewerbsbehörde vor 4 Jahren ist zu dem Schluss gekommen, dass der Betrieb ärztlicher Hausapotheken wesentlich für die Attraktivität einer Kassenordination am Land sei. „Die Streichung der gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Zurücknahme der Hausapotheken-Bewilligung (§ 29 Abs 3 ApothekenG) wäre eine Lösung des Problems!“
Gibt viele Ordinationen in Gegenden mit kleinem Einzugsgebiet ohne Hausapotheke nicht profitabel sind, sei nicht von der Hand zu weisen. Dass Ärztinnen und Ärzte nach einer Rücknahme der Hausapothekenbewilligung abwandern, habe aber auch damit zu tun, dass es ihnen verunmöglicht wird, Patientinnen und Patienten unkompliziert und schnell zu versorgen.
Außerdem, so Steinhart: „Durch die Möglichkeit, nun 3 Filialen zu eröffnen, werden nur die gefördert, die ohnehin schon eine Apotheke besitzen. Die jungen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten haben dann wieder nicht die Möglichkeit, eine Apotheke zu eröffnen.“
Medikamentenversorgung endlich sicherstellen
„Wir haben eigentlich wirklich andere Probleme! Es gibt nach wie vor keine Lösungen für die Lieferengpässe bei den Medikamenten. Warum nun so ein Apothekengesetz kommt, können wir nicht nachvollziehen und wir fühlen uns von Gesundheitsminister zum Teil schwer hintergangen“, findet Steinhart klare Worte. „Wenn das System, in dem Ärztinnen und Ärzte für die Medizin und die Apothekerinnen und Apotheker für Medikamente zuständig ist, nun aufgelöst werden soll, dann werden wir damit beginnen, uns auch selbst um unsere Medikamente zu kümmern – beispielsweise über die Internetapotheken“,zeigt er einen möglichen Lösungsweg auf.
Quelle: Pressehintergrundgespräch der Österreichischen Ärztekammer, 30.10.2023, Wien