19. Okt. 2023Körperkunst und Hautgesundheit

EADV 2023: Tattoos und Muttermale – Eine riskante Kombination

Das Tätowieren, eine Form der Körperkunst mit reicher historischer und kultureller Bedeutung, ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Das Zusammentreffen von Tätowierungen und Muttermalen stellt jedoch aus dermatologischer Sicht eine besondere Herausforderung dar. Dr. Nicolas Kluger, leitender Dermatologe am Universitätsklinikum Helsinki, berichtet über potenzielle Risiken, die Auswirkungen auf die Melanom-Erkennung und die Verantwortung von Tätowiererinnen und Tätowierern bei der Gewährleistung der Sicherheit ihrer Kundinnen und Kunden.

orchestra conductor and speakers tattooed on the back
oigro/AdobeStock

Eines der Hauptprobleme, die sich aus der Überschneidung von Tätowierungen und Muttermalen ergeben, ist die Entscheidung, vorhandene Muttermale zu übermalen. Erschwerend kommt der aufkommende Trend zu vollständig schwarzen Tätowierungen hinzu, die große Teile des Körpers bedecken, erklärt Kluger. Obwohl kein direkter Zusammenhang zwischen solchen Tätowierungen und Melanomen bekannt ist, ist das Risiko, das mit der Überwachung von Muttermalen in diesen Bereichen verbunden ist, beträchtlich.

Herausforderungen bei der Überwachung von Muttermalen und Tätowierungen

Das Vorhandensein von Tätowierungen kann Muttermale verdecken, sodass es schwierig ist, deren potenzielle Bösartigkeit zu beurteilen. Die Dermatoskopie, ein von Dermatologinnen und Dermatologen häufig verwendetes Untersuchungsverfahren, kann sich als weniger effektiv erweisen, wenn Tätowierungen eine genaue Beurteilung behindern. Kluger berichtet, dass Patientinnen und Patienten mit einem Melanom in der Vorgeschichte oder einem atypischen Muttermal-Syndrom eine besondere Herausforderung darstellen, wenn es um das Tätowieren geht.

Muttermale, Tätowierungen und Melanom

Eine eingehende Literatursuche, an der Kluger beteiligt war, ergab nur 34 berichtete Fälle eines Melanoms auf tätowierter Haut zwischen 1938 und 2019. Von den erfassten Fällen wurden nur 23% der Melanome auf bereits bestehenden Muttermalen gemeldet. Im Durchschnitt lagen 13 Jahre zwischen dem Erwerb der Tätowierung und dem Auftreten des Melanoms. „Es gab keinen einzigen Fall eines doppelten oder mehrfachen Melanoms innerhalb einer Tätowierung, was für mich ein sehr starker Indikator dafür ist, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Melanomen und den Tätowierungen gibt“, erklärt Kluger.

Leitlinien für sicheres Tätowieren

In Anbetracht dieser Überlegungen kann eine Reihe von Leitlinien zur Förderung sicherer Tätowierpraktiken vorgeschlagen werden:

  • Personen mit einem Melanom in der Vorgeschichte, die sich tätowieren lassen möchten, sollten vorab eine dermatologische Beratung einholen.
  • Personen mit Melanomen in der Familienanamnese, Verwandten ersten Grades mit atypischem Muttermal-Syndrom oder zahlreichen Nävi sollten sich für kleinere, hellere und weniger dicht pigmentierte Tätowierungen entscheiden und diese in einem Bereich ohne Muttermale platzieren.
  • Grundsätzlich sollte von jedem Muttermal 1cm Abstand gehalten werden, da diese noch wachsen können.

Melanom-Screening im Zuge der Tätowierung

Wie bereits für andere Berufsgruppen (Frisör, Masseur, Fußpflege) bestätigt wurde, könnten auch Tätowierer:innen eine begrenzte, aber wertvolle Rolle bei der Melanomvorsorge spielen, ist Kluger überzeugt. Tätowierungssitzungen bieten den Künstler:innen eine einzigartige Gelegenheit, die Haut ihrer Kund:innen zu beobachten. Sie können diese ermutigen, eine ärztliche Beurteilung einzuholen, wenn sie ungewöhnliche oder sich entwickelnde Hautveränderungen bemerken. Obwohl sie keine Diagnose stellen können, können sie das Bewusstsein und die Früherkennung fördern.

Um die Zusammenarbeit zwischen Dermatolog:innen und Tätowierer:innen zu verbessern, ist es wichtig, in Schulung und Ausbildung zu investieren. Diese Bemühungen können durch Tätowierkongresse, Workshops und soziale Medienplattformen kanalisiert werden, so Kluger. Durch die Verbreitung von Informationen und die Förderung des Dialogs kann das Potenzial für die Melanom-Früherkennung bei tätowierten Personen erheblich verbessert werden.

Fazit

Die Verflechtung von Tätowierungen und Muttermalen ist ein faszinierender Bereich, der Dermatolog:innen, Tätowierer:innen und ihre Kund:innen beschäftigt. Zwar gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Tätowierungen zur Entstehung von Melanomen beitragen, doch die Herausforderungen bei der Überwachung von Muttermalen in tätowierten Bereichen sind unbestreitbar. Die Gewährleistung einer sicheren und verantwortungsvollen Praxis des Tätowierens erfordert eine fundierte Entscheidungsfindung, regelmäßige dermatologische Kontrollen und die Zusammenarbeit zwischen Dermatolog:innen und Tätowierer:innen.

„What about Tattoos and Moles?“, Session im Rahmen der Jahrestagung der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), Berlin & virtuell, 13.10.2023

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum onko