4. Sep. 2023Aus der Fachliteratur

Warum Migräne vom Zyklus abhängt

Frauen leiden dreimal häufiger an Migräne als Männer. Das liegt unter anderem an den Hormon­schwankungen in Zusammenhang mit dem Zyklusgeschehen: Migräneattacken treten häufig kurz vor oder während der Regelblutung auf. Ein Forschungsteam vom Kopfschmerzzentrum der Charité Universitätsmedizin Berlin um Dr. Bianca Raffaelli fand nun einen Hinweis darauf, warum dies so ist.*

Abstrakte menschliche Gesichter, ki generated
Comofoto/AdobeStock

Perimenstruell verstärkte Bildung von vasodilatatorischem Neuropeptid

Die betroffenen Frauen bilden während der Menstruation offenbar besonders große Mengen des Botenstoffs CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide), einem Neuropeptid, das von Trigeminus-Afferenzen freigesetzt wird und eine inflammatorische Antwort triggert.

CGRP wird bei Migräne vermehrt ausgeschüttet und wirkt zentral vasodilatatorisch. Ob ein Zusammenhang zwischen der CGRP-Freisetzung und dem weiblichen Hormonzyklus besteht, untersuchten die Forschenden bei 90 Patientinnen mit einer episodischen Migräne, die zum Mess­zeitpunkt symptomfrei waren. 30 Frauen menstruierten regelmäßig, 30 nahmen eine Kombinationspille ein und 30 befanden sich in der Postmenopause. Das Vergleichskollektiv umfasste je 30 altersgleiche Frauen ohne Migräneerkrankung. Bei allen 180 Studienteilnehmerinnen wurde die CGRP-Konzentration im Plasma sowie in der Tränenflüssigkeit bestimmt: Bei den menstruierenden Frauen zu Zyklusbeginn sowie periovulatorisch, bei den Pillenanwenderinnen im einnahmefreien Intervall sowie nach sieben bis 14 Pilleneinnahmen und bei den postmenopausalen Frauen zu einem beliebigen Zeitpunkt.

Höhere CGRP-Konzentration zum Zeitpunkt der Regelblutung

Zum Zeitpunkt der Regelblutung wiesen die Migränepatientinnen deutlich höhere CGRP-Konzentra­tionen auf als die gesunden Kontrollen. Diese CGRP-Ausschüttung führen die Autorinnen und Autoren auf den perimenstruellen Östrogenabfall zurück: Östrogenrezeptoren sind in CGRP-positiven Neuronen im trigeminovaskulären System stark ausgeprägt, weshalb hormonelle Schwankungen ihre Erregbarkeit modulieren könnten. Hormonelle Kontrazeptiva unterdrücken die zyklusabhängigen hormonellen Fluktuationen – Migränepatientinnen, die die Pille nahmen, unterschieden sich bezüglich der CGRP-Spiegel auch nicht von den gesunden Pillenanwenderinnen. Gleiches galt für das Kollektiv der postmenopausalen Frauen. Man müsse noch prüfen, inwiefern sich die neuen Erkenntnisse therapeu­tisch nutzen lassen, so das Fazit.