30. Mai 2023American Thoracic Society (ATS)

Prädiktoren für den Verlauf der COPD

In Washington fand Mitte Mai der Kongress der American Thoracic Society (ATS) statt. Eines der Symposien war Prädiktoren für die Inzidenz und Progression der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gewidmet. Zahlreiche Gruppen präsentierten Abstracts, die den aktuellen Forschungsstand zu diesem Thema widerspiegeln.

Text „Chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD“ erscheint hinter zerrissenem braunem Papier in einer Zeichnung der menschlichen Lunge.
IvelinRadkov/GettyImages

Eine dieser Arbeiten untersuchte die Auswirkungen pulmonaler Exazerbationen bei Personen mit normaler Lungenfunktion.1 Exazerbationen gelten bei COPD-Patient:innen als schwerwiegende Ereignisse mit signifikanter Mortalität und ungünstigen Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Ihre Effekte auf Personen mit normaler Lungenfunktion, aber einer Nikotin-Anamnese, die damit nicht die Diagnosekriterien für eine COPD erfüllen, sind allerdings wenig untersucht. Diese Evidenzlücke wurde nun von einer an mehreren amerikanischen Universitäten tätigen Gruppe etwas verkleinert. Dazu wurden die Daten von mehr als 2.600 Patient:innen aus der COPDGene-Studie, die zumindest zehn Pack Years geraucht hatten und mit einem FEV1/FVC-Verhältnis über 70 Prozent und/oder einem FEV1 über 80 Prozent vom Soll nicht die Kriterien für eine COPD-Diagnose erfüllten, nach fünf Jahren erneut ausgewertet. Dabei zeigte sich ein heterogenes Bild. Mindestens eine Exazerbation pro Jahr erhöhte das Risiko, nach fünf Jahren eine COPD-Diagnose zu erhalten, signifikant mit einer OR von 1,32 (95% CI 1–1,74; p=0,045). Allerdings konnte eine derartige Assoziation mit schweren Exazerbationen nicht gefunden werden. Auch die Mortalität war bei exazerbierenden Proband:innen erhöht. Dabei zeigte sich jedoch keine signifikante Assoziation zwischen COPD-Diagnose und Mortalität. Man könne aus diesen Daten schließen, so die Autor:innen, dass ein erhöhtes Risiko zu versterben bei Ex-Raucher:innen mit Exazerbationen nicht von einer COPD-Diagnose abhängig ist.

Niedrige Einsekundenkapazität, hohes Risiko

In einer weiteren Studie wurde der Frage nachgegangen, ob sich anhand einer einzigen Messung der Lungenfunktion die weitere Entwicklung der respiratorischen Funktion und damit die „Lungengesundheit“ voraussagen lässt.2 Die Arbeitshypothese der Studie lautete, dass ein niedriges oder hohes FEV1 eine Prädiktion der weiteren Entwicklung ermöglicht. Diese Hypothese wurde anhand der Daten von Proband:innen aus der Lovelace Smokers Cohort (LSC) überprüft. In die Auswertung wurden Studienteilnehmer:innen zwischen 40 und 60 Jahren mit einem FEV1/FVC-Verhältnis von mindestens 70 Prozent aufgenommen und in eine Gruppe mit hohem (HLF) oder niedrigem (LLF) FEV1 stratifiziert. In der HLF-Gruppe lag das mittlere FEV1 bei 105 Prozent vom Soll, in der LLF-Gruppe bei 73 Prozent. Nach elf Jahren wurden 56 Personen aus der HLF- und 24 Personen aus der LLF-Gruppe erneut untersucht, woraus sich ein mittleres Follow-up von 5,5 Jahren ergibt. Die Auswertung zeigte bei Proband:innen mit höherem Ausgangs-FEV1 einen deutlicheren Verlust an Lungenfunktion, nämlich um 30ml/Jahr im Vergleich zu 20ml/Jahr in der LLF-Gruppe. Dennoch kann eine schlechtere Lungenfunktion als ungünstig bezeichnet werden. Denn die COPD-Inzidenz in der LLF-Gruppe war mit neun Prozent dreimal so hoch wie in der HLF-Gruppe (3%). Auch das Mortalitätsrisiko war mit 18 Prozent im Vergleich zu sechs Prozent in der LLF-Gruppe deutlich erhöht. Personen aus der LLF-Gruppe entwickelten auch häufiger Diabetes (13 vs. 4%) und chronische Bronchitis (36 vs. 25%). Nach statistischer Adjustierung blieb für die Proband:innen aus der LLF-Gruppe das Risiko von COPD, Diabetes, Hypertonie, kardiovaskulärer Erkrankung und Tod erhöht. Nach Ansicht der Autor:innen rechtfertigen diese Daten den Einsatz der Spirometrie im Rahmen medizinischer Untersuchungen zumindest von Raucher:innen und Ex-Raucher:innen, unabhängig von einer etwaigen COPD-Diagnose.

Faktoren, die über das Mortalitätsrisiko entscheiden

Ein weiterer Abstract beschäftigte sich mit der Vorhersage von Mortalität innerhalb einer COPD-Population. Die Autor:innen betonten, dass die derzeit verfügbaren Risikoscores vor allem die Gesamtmortalität und weniger die COPD-spezifische Mortalität erfassen, und präsentierten eine auf künstlicher Intelligenz basierende Methode namens CausalCoxMGM, die auf der grafischen Modellierung klinischer Daten beruht. Dieses Modell wurde nun auf Proband:innen der COPDGene-Studie angewandt. Dabei zeigte sich, dass FEV1/FVC- und ATS/ERS-Klassifikation bei der ersten Visite Prädiktoren der COPD-spezifischen Mortalität waren. Bei der zweiten Visite erwiesen sich das Alter und die Dicke der Atemwegswand sowie der genetische Marker NRG1 als prädiktiv für die COPD-spezifische Mortalität. Mehrere Faktoren wie die Sechs-Minuten-Gehstrecke und die Sauerstoffsättigung in Ruhe erwiesen sich als Prädiktoren sowohl der COPD-spezifischen als auch der Gesamtmortalität.3

American Thoracic Society (ATS) Conference, Washington DC, 20.–24.5.23

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum pneumo