Geburten: 400 zusätzliche Hebammen gefordert
Eine „leitliniengerechte Eins-zu-eins-Betreuung“ ab der aktiven Eröffnungsphase der Geburt fordert das Österreichische Hebammengremium (ÖHG) zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai. Dafür bräuchte es bis 2032 jedoch 400 Hebammen mehr. Derzeit gibt es rund 2.600 berufstätige Hebammen.
Seit 2021 gibt es im deutschsprachigen Raum die erste S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin. Entwickelt haben sie die medizinischen Fachgesellschaften der Hebammen und der Ärzt:innen. Eine ganz zentrale Empfehlung der Leitlinie sei die Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme ab der aktiven Eröffnungsphase der Geburt, betont das Österreichische Hebammengremium (ÖHG) in einer Aussendung.
Leider sei dies in vielen österreichischen Kliniken nicht Standard, kritisiert ÖHG-Präsidentin Gerlinde Feichtlbauer anlässlich des Internationalen Hebammentags: „Das ist schlecht für die Frau, wenn sie im Kreißzimmer allein gelassen wird, und schlecht für die Hebammen, wenn sie die Frau nicht ohne Unterbrechung betreuen kann.“
Man brauche entsprechende Hebammen-Stellenpläne, „nicht die Berechnungsmethoden aus den 80er-Jahren, die zum Teil immer noch angewendet werden“, forderte Feichtlbauer bereits im Februar 2023. 35 bis 50 Geburten jährlich könne eine Vollzeit im Kreißzimmer arbeitende Hebamme betreuen.
Deutschland: Schlüssel für Eins-zu-eins-Betreuung geplant
In Deutschland habe sich die aktuelle Regierung die Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen als Personalschlüssel in wesentlichen Phasen der Geburt vorgenommen. „Wir Hebammen fordern, dass auch die Entscheidungsträger in Österreich das rasch umsetzen“, unterstreicht Feichtlbauer. Das ÖHG fordere damit „nicht mehr und nicht weniger als verlässliche Rahmenbedingungen für die leitliniengerechte Versorgung“ der Frau und des Kindes während der Geburt.
Eine Eins-zu-eins-Betreuung sei auch in der Klinik machbar, es brauche nur die entsprechenden Stellenpläne. Wobei Betreuung ab der aktiven Eröffnungsphase und in der aktiven Austrittsphase durch „eine“ Hebamme bedeutet, dass es nicht dieselbe sein muss. „Dienstwechsel und Übergabe an eine Kollegin sind mit der Eins-zu-eins-Betreuung vereinbar“, erläutert die ÖHG-Präsidentin.
Weniger Komplikationen, mehr Zufriedenheit
Ab der aktiven Eröffnungsphase habe die Frau bereits regelmäßige, intensive Wehen. Die Geburt könne jetzt rasch verlaufen, aber auch noch bis zu zwölf Stunden dauern. Die Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme geht Feichtlbauer zufolge erwiesenermaßen mit weniger Komplikationen und Interventionen einher und führt zu einer größeren Zufriedenheit der Frauen.
Eine rezente Personalbedarfsprognose im Auftrag des ÖHG gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien hat jedoch bis 2032 einen Mehrbedarf von rund 400 Vollzeit im Kreißzimmer arbeitenden Hebammen errechnet, „wenn das Gesundheitssystem den Gebärenden eine verlässliche Eins-zu-eins-Betreuung zur Verfügung stellen will“.
Mehr FH-Studienplätze seit 2020 fangen Pensionierungen ab
Bei der Zahl 400 handle es sich um eine erste Orientierung, vertiefende Arbeiten seien notwendig. Feichtlbauer hebt aber auch positiv hervor, dass die Landesregierungen die ÖHG-Forderung nach mehr Hebammen-Studienplätzen in jüngster Zeit erfüllt haben: Während es im Studienjahr 2019/2020 an sieben Fachhochschulen insgesamt 337 Studienplätze gab, sind es 2022/23 bereits acht FH mit insgesamt 521 Plätzen.
Mit den Absolvent:innen der FH-Hebammen-Studiengänge werde es in naher Zukunft möglich sein, die Pensionierungen der Hebammen der 1960er-Jahrgänge abzufangen. Es bestehe aber auch der Trend zu KH-Entlassungen immer früher nach der Geburt und damit steige der Bedarf an mehr Hebammen-Betreuung im Wochenbett.
Aus diesen Gründen müssten die Landesregierungen für eine leitlinienkonforme Eins-zu-eins-Betreuung ab der aktiven Eröffnungsphase „zusätzliche Studienplätze“ an den FH und „weitere Praktikumsplätze“ in den Krankenhäusern schaffen.
NÖ: Einigung für Beleghebammen in Kliniken
In Niederösterreich haben inzwischen die Landesgesundheitsagentur (LGA) und das Hebammengremium nach „intensiven Gesprächen“ Rahmenbedingungen für die Einstellung von freiberuflichen Hebammen in den Landeskliniken fixiert. Demnach werden mit Oktober 2023 freiberufliche Hebammen in anlassbezogenen Einsätzen bei der NÖ LGA beschäftigt.
Sie genießen den gleichen Versicherungsschutz wie angestellte Hebammen, die Entlohnung erfolgt durch die NÖ LGA. Pro Geburt sind bis zu 25 Stunden möglich, heißt es kürzlich in einer Aussendung. Das entspreche den gesetzlich zulässigen Einsatzzeiten und gleichzeitig dem Wunsch der freiberuflichen Hebammen. Diese müssen zur Aufnahme bestimmte Qualitätskriterien erfüllen.
Noch im Februar war ein Schreiben der NÖ LGA an die Kreißsaalleitungen ergangen, wonach alle Vereinbarungen über die Durchführung von Hebammenleistungen in den NÖ Landeskliniken per 31. März zu kündigen seien. Die Aufregung war groß, sowohl bei den betroffenen Hebammen und Frauen. Heute freut man sich über die Einigung.
Die Regelungen zu Beleghebammen unterscheiden sich nach Bundesländern. Einige stehen Beleghebammen-Geburten in Landeskliniken offen gegenüber, in anderen dürfen nur im Krankenhaus angestellte Hebammen zusätzlich als Beleghebammen arbeiten. In manchen gebe es gar keine Beleghebammen in öffentlichen Krankenhäusern, informierte das ÖHG in einer Aussendung.
Hebammen in Österreich in Zahlen
Nach Daten der Statistik Austria waren 2021 in Österreich 86.078 Geburten zu verzeichnen. Mit Stand 27.04.2023 gibt es laut ÖHG-Daten 2.623 berufstätige Hebammen in Österreich. Davon haben 332 Hebammen einen Kassenvertrag und 1.716 sind frei praktizierende Hebammen ohne Kassenvertrag. 1.454 Hebammen sind im Krankenhaus angestellt und arbeiten zusätzlich frei praktizierend. 575 arbeiten nur im Krankenhaus.
Dass es Bedarf nach mehr zusätzlichen (Beleg-)Hebammen in Spitälern gibt, zeigt eine einfache Rechnung: Nach den vom ÖHG genannten Zahlen kommen weit mehr als 100 Geburten jährlich auf eine ausschließlich im Krankenhaus angestellte Hebamme.