29. März 2023

Post-Covid: hohes Risiko für Frauen; Zunahme von diabetischer Ketoazidose bei Kindern

+++ Post-Covid-Syndrom ist vornehmlich "weiblich" – Diabetische Ketoazidose bei Kindern nimmt seit Corona-Beginn stark zu – Senat der MedUni Wien: Kritik an Rhetorik im NÖ Regierungsübereinkommen – Gecko verabschiedet sich mit optimistischem Ausblick – WHO lockert Empfehlungen für Corona-Impfungen – USA: Covid-19 tötete Arme und Trump-Wähler +++

Corona-Update_GettyImages-Nuthawut_Somsuk-1220062928_v1
Nuthawut Somsuk/GettyImages

Post-Covid-Syndrom ist vornehmlich "weiblich"

Das Post-Covid-Syndrom ist vornehmlich "weiblich". Frauen haben ein um 56 Prozent erhöhtes Risiko, auch länger als drei Monate dauernde Komplikationen nach einer Covid-19-Erkrankung zu leiden. Die mit zumindest zwei Teilimpfungen erfolgte Immunisierung gegen SARS-CoV-2 verringert hingegen diese Gefahr um 43 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Meta-Analyse der wissenschaftlichen Literatur durch britische Wissenschafter:innen.

"Millionen Menschen weltweit sind vom Post-Covid-Syndrom betroffen. Es ist wichtig, die Risikofaktoren für diese komplexe Erkrankung zu kennen, um die Patienten zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben und von frühzeitiger medizinischer Unterstützung profitieren könnten", schrieben die Autor:innen um Vasiliki Tsampasian von der kardiologischen Abteilung der Universitätsklinik von Norfolk in Norwich in Großbritannien in "JAMA Internal Medicine" (DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.0750), berichtete das Deutsche Ärzteblatt.

Die Wissenschafter:innen haben insgesamt 41 bis Ende 2022 publizierte Studien zum Thema Post-Covid-Syndrom zusammengefasst und erneut analysiert. Dabei flossen die Daten von 869.783 Patienten ein. Das Post-Covid-Syndrom besteht aus den Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung, wenn die Symptome länger als drei Monate (vorher: Long Covid) anhalten. Die Beschwerden bestehen zumeist aus Kurzatmigkeit, Erschöpfung, verminderter Leistungsfähigkeit sowie Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen.

Die Meta-Analyse stellt die Datenlage rund um Post-Covid auf eine neue Ebene, vor allem, weil die Informationen von sehr vielen Betroffenen eingeflossen sind. Eindeutig stellte sich heraus, dass ein erhöhtes Risiko bei Frauen (+56%), älteren Menschen (+20%), Adipösen (+15%) und Rauchern (+10%) ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Post-Covid-Syndroms bestand. Eine schwere Covid-19-Erkrankung mit Aufenthalt auf einer Intensivstation im Spital hat die Häufigkeit eines Post-Covid-Syndroms mehr als verdoppelt (Faktor 2,37).

Die wichtigste Prophylaxe gegen mögliche langanhaltende gesundheitliche Probleme nach einer Covid-19-Erkrankung ist jedenfalls die Impfung. Wer zumindest zwei Teilimpfungen bekommen hatte, erkrankte um 43 Prozent seltener am Post-Covid-Syndrom als Ungeimpfte. (APA)

Diabetische Ketoazidose bei Kindern nimmt seit Corona-Beginn stark zu

Die diabetische Ketoazidose (DKA), eine sehr gefährliche Stoffwechselentgleisung der Zuckerkrankheit, hat seit Beginn der Covid-Pandemie vor drei Jahren stark zugenommen. Die DKA tritt vor allem bei Diabetes mellitus Typ 1 auf, der mit Abstand häufigsten Form von Diabetes (>94%) bei Kindern und Jugendlichen.

Die diabetische Ketoazidose (DKA) im Kindes- und Jugendalter wird durch einen Insulinmangel verursacht und ist die gefährlichste Akutkomplikation des Diabetes Typ 1. Diese Stoffwechselentgleisung stellt eine akut lebensbedrohliche Komplikation dar und benötigt intensivmedizinische Überwachung und intensive Therapie. Leider ist die jüngste Altersgruppe der unter Zweijährigen am häufigsten davon betroffen, da auch hier die Symptome oft nur sehr kurz vorher und oft nicht eindeutig auftreten. Wie österreichische Studien mit österreichischer Beteiligung zeigen, hat sich die DKA-Rate bei Kindern und Jugendlichen von 35 bis 40 Prozent vor Covid auf zuletzt über 50 Prozent gesteigert.

„An der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Kepler Universitätsklinikum wurde im Jahr 2022 bei 36 Kindern die Diagnose Diabetes mellitus gestellt, davon 17 in einer DKA. „Dieser Anstieg scheint nur indirekt mit den Lockdown-Maßnahmen oder der Vermeidung des Aufsuchens von Gesundheitseinrichtungen zu tun zu haben und zeigt sich in beinahe allen Ländern der westlichen Welt mit unterschiedlicher Intensität. Frühestmögliche Erkennung von Diabetes mellitus im Kindesalter und damit Vermeidung der DKA ist mir ein besonderes Anliegen“, sagt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Högler, Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde.

Eine frühzeitige Diagnose kann eine Stoffwechselentgleisung erfolgreich verhindern und ist eines der vorrangigen Ziele in der pädiatrischen Endokrinologie. Sie kann relativ einfach mit einem Blutzuckertest aus der Fingerbeere oder einem Harnstreifentest auch im niedergelassenen Bereich schnell diagnostiziert werden. Kinder mit den typischen Symptomen und erhöhtem Blut- oder Harnzucker müssen unbedingt sofort an eine große pädiatrische Abteilung überstellt werden, um die DKA zu vermeiden. Kommt es zur DKA, dann ist das Ziel der DKA-Therapie, die Dehydration und Übersäuerung des Körpers zu korrigieren, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren und damit DKA-Komplikationen (Tod, Koma, Schädigung des Gehirns) zu vermeiden. „Mit jedem Tag, an dem ein Typ-1-Diabetes unerkannt und unbehandelt bleibt, steigt das Risiko für eine Ketoazidose, die eine lebensbedrohliche Situation darstellt“, warnt OA Dr. Thomas Hörtenhuber, Bereichsleiter Diabetologie an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde. (PA Kepler Uniklinikum)

Senat der MedUni Wien: Kritik an Rhetorik im NÖ Regierungsübereinkommen

Der Senat der Medizinischen Universität kritisiert die Rhetorik, die im NÖ Regierungsübereinkommen an den Tag gelegt wird, scharf und betont, wie wichtig das Vertrauen in die Wissenschaft ist.

Der Senat, vertreten durch die Vorsitzende Univ.-Prof. Mag. Dr. Maria Sibilia, weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Jahre der Corona-Pandemie die Gesellschaft und einzelne Individuen weltweit stark geprägt haben. Es wurden entsprechende Maßnahmen zur Überwindung der Pandemie entwickelt und umgesetzt. Diese forderten sowohl den/die Einzelne/n als auch das Gesundheitssystem und die Forschung. Bei allen Entscheidungen folgte man der Prämisse, faktenbasierte und medizinisch-wissenschaftlich fundierte Entscheidungen zu treffen und anhand dieser zu beraten und zu handeln.

Auch zahlreiche Mitarbeiter der MedUni Wien waren an diesem Prozess beteiligt. Sie haben unter großem Einsatz an der Bekämpfung der Pandemie mitgewirkt, waren gleichzeitig aber auch massiven Drohungen und Beschimpfungen ausgesetzt.

Der Senat sieht durch die Rhetorik im NÖ Regierungsabkommen sowohl den Einsatz des/der Einzelne/n und der MedUni Wien infrage gestellt und diskreditiert. Durch diese Herabwürdigung werde „das Vertrauen in das Gesundheitssystem und die Wissenschaft noch weiter aktiv zerrüttet“. Der Senat „lehnt diese Rhetorik vehement ab“ und bekennt sich „zu einem transparenten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Diskurs“ zur Aufarbeitung der Pandemie. Für künftige Entwicklungen, aber auch gegenwärtige Herausforderungen sei das Vertrauen in die Wissenschaft essenziell. Der Senat fordert aktive und langfristige Maßnahmen zur Vertrauensbildung in Wissenschaft und Forschung. Auch die politisch Verantwortlichen müssten sich auf die Seite der Wissenschaft stellen. (OTS/APA)

Gecko verabschiedet sich mit optimistischem Ausblick

Die Gecko-Kommission hat sich am letzten Freitag, 24.3., mit einem abschließenden Report zur Corona-Lage verabschiedet. Darin wird eine recht stabile Infektionslage mit abnehmender Tendenz an Neu-Erkrankungen geschildert. Noch einmal werben die Experten für die Impfung und treten dafür ein, den interdisziplinären Ansatz der Gecko bei künftigen Epidemien wieder zu versuchen.

Prognostiziert wird für die nähere Zukunft, dass der Covid-19-Belag auf Intensivstationen annähernd gleich bleibt und auf Normalstationen eine tendenziell abnehmende Entwicklung aufweist. Die Daten aus dem Abwassermonitoring sowie dem EMS deuteten auf eine rückläufige Entwicklung im Infektionsgeschehen hin. Dominierende Variante ist aktuell die erstmals vergangenen Oktober in den USA nachgewiesene XBB.1.5.

Um die pandemische Lage weiterhin stabil zu halten und eine ausreichende Immunität der Bevölkerung zu gewährleisten, sei die Corona-Schutzimpfung nach wie vor zu empfehlen, heißt es in dem Papier. Dies gelte speziell für ältere Personen und vulnerable Gruppen.

Die Experten meinen, dass es auch nach Ende der Meldepflicht ein gewisses Corona-Monitoring geben sollte. Dies sollte mit einem Mix aus der Auswertung des Abwassers aus Kläranlagen und der genomischen Analyse von PCR-Tests geschehen. Anzudenken sei, das Monitoring auf andere Erkrankungen wie Influenza und RS-Viren auszudehnen.

Empfohlen wird eine Überarbeitung des Epidemiegesetzes. Bewährt habe sich aber der gesamtstaatliche und interdisziplinäre Ansatz in der Krisenkoordination. Daher rät man, auch bei künftigen Krisen das Modell der evidenzbasierten Politikberatung und bei Bedarf auch ähnliche Gremien wie Gecko zur Unterstützung der politischen Entscheidungsfindung einzusetzen.

Den jüngst getroffenen Auflösungsbeschluss begründet man mit der "mittlerweile stabilen pandemischen Lage", durch die eine Krisenkoordination in Form der Gecko nicht mehr erforderlich sei. Darüber hinaus habe es auch individuelle Gründe einzelner Mitglieder gegeben. Dem Vernehmen nach waren einigen Experten wissenschaftskritische Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer sowie das Aus für die Impfwerbung in Niederösterreich durch Schwarz-Blau sauer aufgestoßen. (APA)

WHO lockert Empfehlungen für Corona-Impfungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ihre Impfempfehlungen gegen das Coronavirus gelockert. Demnach sollen in dieser neuen Phase der Pandemie nur noch Risikogruppen zwölf Monate nach ihrem letzten Booster eine zusätzliche Impfung erhalten, nicht wie zuvor auch etwa gesunde Kinder und Jugendliche. Das betrifft der WHO zufolge ältere Menschen sowie jüngere Personen mit signifikanten Risikofaktoren.

Die Organisation teilte außerdem mit, dass ein Impfschutz über die Grundimmunisierung von zwei Impfungen und einem Booster hinaus für Personen mit "mittlerem Risiko" nicht mehr generell empfohlen werde. Gesunde Kinder und Jugendliche seien eine Gruppe von "niedriger Priorität". Deshalb ruft die WHO Staaten dazu auf, Erkrankungen in Betracht zu ziehen, bevor sie diesen Menschen eine Impfung empfehlen. "Der überarbeitete Fahrplan unterstreicht erneut die Wichtigkeit des Impfens derjenigen mit einem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf", so Hanna Nohynek, Vorsitzende der WHO-Expertengruppe für Immunisierung, die die Empfehlungen herausgab.

Verschiedene Länder haben aktuell unterschiedliche Herangehensweisen an die Impfung ihrer Bevölkerungen. Wohlhabende Staaten wie das Vereinigte Königreich oder Kanada bieten etwa Risikogruppen in diesem Frühjahr Booster-Impfungen an, bereits sechs Monate nach deren letzter Immunisierung. Laut WHO sei das eine Möglichkeit für besonders risikobehaftete Untergruppen, abhängig von deren Alter und Immunschwächen. (APA/ag)

USA: Covid-19 tötete Arme und Trump-Wähler

Gesundheit ist zu einem erheblichen Maß von sozialen Einflüssen abhängig. Das belegt eine aktuelle Studie aus den USA: Covid-19 tötete dort die Armen und Benachteiligten, in einem erhöhten Maß auch die Trump-Wähler des Jahres 2020. Die ärmsten und sozial schwächsten Bundesstaaten wiesen Covid-19-Todesraten wie Russland oder Bulgarien auf.

Thomas Bollyky (Council of Foreign Relations/Washington DC) und seine Co-Autoren haben mit der kürzlich im Fachblatt "Lancet" publizierten Studie ( www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(23)00461-0/) die statistisch bisher umfangreichste Aufarbeitung der Covid-19-Pandemie in den USA durchgeführt. "Obwohl die USA eine führende Rolle bei der Entwicklung von wirksamen Covid-19-Vakzinen gespielt und früh eine große Menge davon bereitgestellt hat, lagen die Vereinigten Staaten im internationalen Vergleich von Staaten und Regionen nur an 66. Stelle bei der Durchimpfungsrate", heißt es in der Einleitung der Studie.

Die Wissenschafter:innen haben sich die Unterschiede bei Infektionen und Sterblichkeit infolge von Covid-19 je nach US-Bundesstaat, nach ethnischer Gruppe und sozialer Situation angesehen. Die sich daraus ergebende Variabilität war enorm.

Im Beobachtungszeitraum von 1. Jänner 2020 bis 31. Juli 2022 zeigte sich für die USA insgesamt eine Covid-19-Sterblichkeit von 372 Todesfällen pro 100.000 Einwohnern (andere von den Autor:innen angeführte Länder im Vergleich: Dänemark: 115/100.000, Schweiz: 155/100.000, Deutschland: 170/100.00).

In den USA kamen nur die US-Bundesstaaten Vermont (111 Covid-19-Todesfälle pro100.000 Einwohner), Utah (157/100.000) und Washington (193/100.000) an die Zahlen der gut abschneidenden europäischen Staaten heran. Der ärmste US-Bundesstaat Mississippi war mit 551 Covid-19-Opfern pro 100.000 Einwohnern ähnlich schlecht wie Russland (537/100.000) oder Bulgarien (539/100.000).

Im innerstaatlichen Vergleich der USA zeigten sich große Unterschiede in den Covid-19-Sterblichkeitsraten: Wurden die Daten standardisiert (d.h. nach Bevölkerung, Demografie etc. vergleichbar gemacht) hatte Hawaii mit 147 Covid-19-Todesfällen die geringste Mortalität, dann folgten New Hampshire (215/100.000) und Maine (218/100.000). An den letzten Stellen lagen hier New Mexico (521/100.000), District of Columbia (Washington DC; 526/100.000) und Arizona (581/100.000).

"Was aus unserer Studie klar hervorgeht, ist, dass Covid-19 lokale Ungleichheit infolge ethnischer Zugehörigkeit, Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und parteipolitische Aspekte erzeugt und eine 'Syndemie' erzeugt hat – eine Kombination an regionalen Faktoren, die zusammenwirken und die Krankheitslast dieser Pandemie sowie die Wahrscheinlichkeit schlechter Konsequenzen erhöhen. Diese Kombination aus ethnischer Ungleichheit und politisch bedingten unterschiedlichen Strategien erklärt zu einem großen Teil, warum die USA so arg mit der Pandemie zu kämpfen hatten", erklärte Erstautor Bollyky.

Ein besserer Zugang zu hochqualitativer Gesundheitsversorgung sorgte in den einzelnen Bundesstaaten für weniger Infektionen und Todesfälle, während der Anteil der öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen pro Kopf keinen signifikanten Effekt hatte. Ob ein Republikaner oder ein Demokrat Gouverneur eines Bundesstaates war, machte keinen statistisch bedeutsamen Unterschied, jedoch sehr wohl das Wahlverhalten der Bürger bei den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020: Je höher der Stimmenanteil für Donald Trump, desto höher war auch die Covid-19-Mortalität; die Unterschiede waren statistisch signifikant. Trump hatte einerseits wirksame Maßnahmen verweigert, andererseits zeitweise skurrile Ratschläge (z.B. das Malariamittel Hydroxychloroquin) propagiert. (APA)