Valneva COVID-19-Impfstoff: Wer kann sich impfen lassen und wer will?
Seit Kurzem ist in Österreich der inaktivierte Ganzvirusimpfstoff „COVID-19-Vaccine Valneva“ da – der erste SARS-CoV-2-Impfstoff mit Standardzulassung in der EU (18–50a). Doch wer will ihn überhaupt? Gar nicht so wenige, geht es nach einer Ipsos-Umfrage. Valneva Austria reicht zudem weitere Daten bei der EMA nach, auch die heterologe Booster-Studie läuft weiter mit Aussicht auf Ergebnisse noch im 4. Quartal. Bestände für zusätzliche Lieferungen halte man in petto, heißt es gegenüber der Redaktion, sollten die bestellten Dosen nicht reichen. Ob das COVID-19-Impfstoffprogramm fortgesetzt wird, steht aber noch in den Sternen.
Drei Viertel der österreichischen Bevölkerung wollen beim Impfstoff eine freie Wahl haben, präsentierte kürzlich Karoline Hilger-Bartosch, Country Managerin von Ipsos Österreich, die wichtigsten Ergebnisse einer Akzeptanz-Studie auf einer Pressekonferenz von Valneva. Die Online-Umfrage fand im April 2022 statt, also nach dem Höhepunkt der Omikron-Welle im März mit mehr als einer Million bestätigter Infektionen, und umfasste 1.000 Personen zwischen 18 und 75 Jahren.
Demnach erhöht der Valneva-Impfstoff bei 23 Prozent der ungeimpften Personen die „Wahrscheinlichkeit“, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Die „Absicht“, sich impfen zu lassen, würde sich bei ungeimpften Personen um 74 Prozent (plus 1,7 Prozentpunkte) erhöhen. Bei saisonalen COVID-19-Impfungen (z.B. wie bei Grippeimpfung) könnte Valnevas Impfstoff die Impfquote in Österreich um 6,9 Prozentpunkte verbessern.
Umfrage: Was Ungeimpfte an Valneva schätzen
Besonders drei Eigenschaften schätzten die Befragten „neben der Wirksamkeit und der guten Verträglichkeit“, sagt Hilger-Bartosch: die bewährte Technologie (39 Prozent), die Herstellung des Impfstoffes in Europa (37 Prozent) und den inaktivierten Ganzvirus-Impfstoff (35 Prozent).
Die bewährte Technologie – ein inaktivierter Ganzvirusimpfstoff, im Volksmund als „Totimpfstoff“ bezeichnet – unterstreicht auch Valneva-CEO Thomas Lingelbach: „Der Vorteil dieser inaktivierten Impfstoffe liegt natürlich in dem erprobten Sicherheitsprofil, gerade inaktivierte Virusimpfstoffe kennen wir ja alle über viele, viele Jahre und sie zeichnen sich durch hervorragende Verträglichkeit aus.“
Dem Immunsystem würden nicht nur Spikeproteine (S), sondern auch Membran- und Nukleokapsid-Proteine (M, N) präsentiert. Als weiteren Vorteil nennt er die für die „supply chain“ nötige Kühlschranktemperatur von 2–8°C, die für den Transport und die Lagerung ausreicht. Der Standort Wien habe mittlerweile im französisch-österreichischen Unternehmen über 200 Mitarbeiter für Forschung und Entwicklung sowie für die Qualitätssicherung. „Wir prüfen hier in Österreich nicht nur den COVID-19-Impfstoff, sondern auch unsere anderen Impfstoffe, bevor sie in den Markt freigegeben werden“, informiert Lingelbach.
„Totimpfstoff“: Acht Schritte von der Herstellung bis zur Verteilung
- Isolierung: Das Virus von einem Infizierten wird isoliert und in Zellkultur angezüchtet.
- Produktion: Das Virus wird künstlich vermehrt, zu diesem Zeitpunkt ist es immer noch aktiv.
- Aufreinigung: Das Virus wird von Zellkulturbestandteilen separiert.
- Inaktivierung: Kann physikalisch oder chemisch durchgeführt werden, Valneva inaktiviert SARS-CoV-2 chemisch und zwar mit BPL (ß-Propiolacton). In jedem Fall muss die Struktur des Virus gleich bleiben.
- Endformulierung: Stabilisatoren und Wirkverstärker werden zugegeben. Im Fall von Valnevas COVID-19-Impfstoff sind es Aluminiumhydroxid und CpG 1018.
- Abfüllung: Der Impfstoff wird in Ampullen abgefüllt.
- Freigabe: Das Testen jeder Charge erfolgt durch den Hersteller und staatliche Arzneimittellabors.
- Distribution: Der Impfstoff wird verpackt und gekühlt transportiert (2–8°C).
Im Falle des COVID-19-Vakzins von Valneva erfolgten alle Herstellungs- und Produktionsschritte in Europa: Schritt 1 (Isolierung) in Frankreich, Schritt 2–5 (Produktion bis Endformulierung) in Livingston in Schottland in einer firmeneigenen Anlage und in Deutschland bei einem Lohnhersteller (IDT Biologika). Die Abfüllung erfolgte in Solna in Schweden, wo das französisch-österreichische Unternehmen (entstanden aus dem österreichischen Impfstoffhersteller Intercell und der französischen Vivalis) ebenfalls eine Produktionsstätte hat.
Zelluläre Immunantwort gegen die M- und N-Proteine
Der COVID-19-Impfstoff von Valneva sei der einzige inaktivierte COVID-19-Ganzvirusimpfstoff mit einer Standardzulassung in der EU, fährt Nina Wressnigg, PhD, Valneva Österreich, fort. Hergestellt wurden die Ampullen (à 10 Dosen zu je 0,5 ml) an den Valneva-Standorten in Schottland und Schweden sowie bei einem Lohnhersteller in Deutschland (siehe Kasten). Die Haltbarkeit konnte zudem erst jüngst von zwölf auf 15 Monate erhöht werden, informiert Wressnigg, bevor sie auf die wichtigsten Studienergebnisse des COVID-19-Vakzins von Valneva eingeht:
- Er löste nachweislich eine starke Immunreaktion aus und wurde in allen klinischen Studien gut vertragen,
- zeigte in der „Cov-Compare“-Studie (zulassungsrelevante Phase-III-Studie) im Vergleich zu einem bereits von der EMA zugelassenen Vektor-basierten Impfstoff eine Überlegenheit in Bezug auf die Immunogenität und
- löste nicht nur eine humorale Antwort (gegen das S-Protein) aus, sondern auch eine zelluläre Immunantwort gegen die M- und N-Proteine.
„Das ist in dem Fall relevant, weil sich während der Pandemie bisher gezeigt hat, dass speziell das S-Protein Mutationen ausgesetzt ist“, erläutert Wressnigg dazu. Als Adjuvanzien werden Aluminiumhydroxid und „CpG 1018“(Cytosin-Phospho-Guanin) verwendet.
Wirkverstärker CpG 1018
Das durch Dynavax Technologies Corporation bereitgestellte Adjuvans CpG 1018 sei ein Bestandteil des durch die US-Arzneimittelbehörde FDA und durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA zugelassenen Impfstoffs HEPLISAV-B®, erklärt Valneva auf Nachfrage. „Für eine effiziente Immunantwort ist eine ausgewogene Th1/Th2-Reaktion erforderlich. CpG 1018 begünstigt deutlich die Entwicklung der Th1-Untergruppe von T-Helferzellen“, demzufolge sei mit einer „potenteren und ausgewogeneren Immunantwort“ bezüglich CpG 1018 zu rechnen.
Ein Blick in Daten der US-Behörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) zeigt, dass in klinischen Studien vor der Zulassung von HEPLISAV-B® die Nebenwirkungen dieses mit CpG adjuvantierten Impfstoffs mit einem anderen in den USA zugelassenen, nicht-adjuvantierten Hepatitis-B-Impfstoff vergleichbar waren. Da CpG 1018 in Hefezellen durch rekombinante DNA-Technologie hergestellt wird, dürfen Personen mit Hefeallergie den Impfstoff nicht bekommen (siehe auch EMA-Daten zu HEPLISAV-B®, zugelassen Februar 2021). Diese Kontraindikation findet sich folglich auch in der EMA-Produktinformation zu Valnevas COVID-19-Impfstoff.
Zurück zur Pressekonferenz: Dass CpG insbesondere die T-Zellimmunität stärkt, ist Lingelbach zufolge „auch die große Differenzierung unseres Impfstoffes zu beispielsweise dem chinesischen Impfstoff, der mengenmäßig der am meisten vertriebene Impfstoff der Welt ist“. In allen klinischen Studien seien keine Sicherheitsbedenken festgestellt worden, wurde vor Journalisten mehrfach betont. Das Sicherheitsprofil entspreche im Wesentlichen dem Valneva-Impfstoff Ixiaro® gegen Japanische Enzephalitis (JE), der seit mehr als zehn Jahren auf dem Markt ist.
Heterologe Booster-Daten auch nach mRNA-Impfung oder COVID-19 in Sicht
Der COVID-19-Impfstoff von Valneva ist vorerst für 18- bis 50-Jährige zugelassen – als Erstimpfung im Intervall von 28 Tagen. Es gebe jedoch schon „erste positive heterologe Booster-Daten nach Primärimmunisierung mit ChAdOx1-S (von AstraZeneca)“. Die heterologe Booster-Studie des Unternehmens für den COVID-19-Impfstoff von Valneva (VLA2001-307), die darauf abziele, Booster-Daten nach einer Grundimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff oder einer natürlichen COVID-19-Infektion zu liefern, laufe weiter und die Ergebnisse würden im vierten Quartal 2022 erwartet, verweist Valneva auf die am 29.08.2022 veröffentlichten zusätzlichen Ergebnisse.
Und weiter: „Sollten die Ergebnisse von VLA2001-307 positiv ausfallen, glauben wir, dass sie in Kombination mit diesen ersten Ergebnissen der heterologen Boosterimpfung aus VLA2001-301 den potenziellen Einsatz des COVID-19-Impfstoffs von Valneva als heterologe Boosterimpfung unterstützten könnten, vorbehaltlich der entsprechenden nationalen und wissenschaftlichen Empfehlungen und Genehmigungen der Behörden.“
Die Sorge, es wären dann womöglich nicht genug Impfstoffdosen da – die EU-Kommission hatte ja den Vorabkaufvertrag deutlich reduziert, wie Pharmaceutical Tribune berichtete – konnte Valneva nehmen: Das Unternehmen verfüge über „genügend Vorräte, um die von der EU und dem Königreich Bahrain bestellten Dosen zu liefern. Valneva wird die Bestände für eine mögliche zusätzliche Lieferung an die EU-Mitgliedstaaten aufbewahren, falls deren Nachfrage höher sein sollte.“
Varianten-Anpassung nur bei potenzieller Kundschaft & Finanzmitteln
Was jedoch die Fortsetzung des Impfstoffprogramms bezüglich COVID-19 angeht, ist die Zukunft ungewiss. Zwar betont Valneva zunächst gegenüber der Redaktion, die klinische Entwicklung des Impfstoffs, z.B. die oben erwähnte Boosterstudie, laufe noch weiter. Aber: „Das Unternehmen wird nur dann in die weitere Entwicklung seines COVID-19-Impfstoffs oder eines COVID-19-Impfstoffs der zweiten Generation investieren, wenn es im Laufe des Sommers eine Einigung mit potenziellen Kunden erzielt und die erforderlichen Finanzmittel erhält.“
Das betrifft auch eventuelle Anpassungen an SARS-CoV-2-Virusvarianten. Valnevas inaktivierte Technologieplattform sei zwar bei Bedarf an neue Varianten anpassbar – aber eben vorbehaltlich einer Einigung und Finanzierung. Bezüglich der Omikron-Varianten verweist das Unternehmen auf eine Pressemeldung: „Im Jänner 2022 bestätigten Laborstudien die Fähigkeit des COVID-19-Impfstoffs von Valneva, die Omikron- und Delta-Varianten zu neutralisieren, sowie sein Potenzial für einen Breitspektrumschutz.“
Weitere Informationen des Herstellers: https://www.covid19-vaccine-valneva.com/