2. Juni 2022 Europas Zauberberge

Höhenklimatherapie bei Asthma

Trotz modernster Therapeutika lässt sich das Asthma bei einem Teil der Patienten nicht optimal kontrollieren. Eine Höhenklimatherapie kann ihnen helfen. Doch welche Mechanismen liegen diesem Erfolg zugrunde?

Berglandschaft im Frühling
iStock/makasana

In der Alpenluft finden sich weniger Aero­allergene.

Die Höhenklimatherapie (Alpine Altitude Climate Treatment, AACT) hat eine lange Tradition: Bereits vor über hundert Jahren schickte man Lungenkranke zur Behandlung in die Alpen. Später folgten Patienten mit atopischer Dermatitis und chronischer Rhinitis/Rhinosinusitis. Warum tut ein Aufenthalt in den Bergen diesen Patienten gut? Ist es die saubere, weitgehend allergenfreie Höhenluft? Oder spielen der niedrigere Luftdruck, die hohe UV-Bestrahlung und die relativ niedrigen Temperaturen eine Rolle?

Eine Gruppe der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) hat unter der Federführung von Dr. Karin Fieten vom Schweizer Institut für Allergie- und Asthmaforschung, Davos Wolfgang, ein Positionspapier zur AACT veröffentlicht. Darin fassen Experten zusammen, was man über die Wirkmechanismen weiß und welchen Stellenwert die Therapie für Patienten mit schwerem und unkontrolliertem Asthma hat.

Die meisten europäischen Höhenkliniken liegen in den Alpen auf 1.200–2.500m. Diese Lagen zeichnen sich u.a. durch einen reduzierten Luftdruck, relativ niedrige Temperaturen und Luftfeuchtigkeit sowie eine erhöhte UV-Strahlung aus. Nicht nur der Asthma-Kranke reagiert darauf mit positiven metabolischen, immunologischen und anderen physiologischen Adaptationsmechanismen.

Mit zunehmender Höhe ändern sich nicht nur die klimatischen Bedingungen, sondern auch Flora und Fauna. Die Belastung durch Aeroallergene nimmt ab. Konkret bedeutet das: weniger Hausstaubmilben, Pilze, Pollen und Luftschadstoffe. Außerdem ließ sich zeigen, dass die Diversität des Haut-Mikrobioms von Kindern mit atopischer Dermatitis und Asthma während einer Höhenklimatherapie zunimmt. Die Zusammensetzung des Mikrobioms scheint sich also durch die moderate Höhenlage oder die alpine Umgebung beeinflussen zu lassen.

Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass die geringere Allergenexposition während einer Höhenklimatherapie bei Asthmatikern die antigeninduzierte Histamin-Freisetzung aus Basophilen sowie Gesamt-IgE und spezifischem IgE signifikant reduzieren kann. Außerdem wirkt sich die Höhenlage positiv auf regulatorische T-Zellen aus. Bei allergischem Asthma nimmt die Typ-2-Inflammation ab.

Natürliche Therapie sorgt für Immunmodulation

Die europäischen AACT-Programme sind absolut leitlinienkonform, da sie die physikalischen Eigenschaften der Umgebung mit dem Meiden von Umwelttriggern im alpinen Klima und einer personalisierten multidisziplinären Lungenrehabilitation kombinieren. Die meisten umfassen eine ausführliche Anamnese, psychologische Interventionen, ein individuell zugeschnittenes Trainingsprogramm, umfangreiche Patientenedukation sowie personalisierte Aktionspläne, die nach der Reha umgesetzt werden sollen. Die Pharmakotherapie wird während des Aufenthalts entsprechend den neuesten Standards optimiert.

Die meisten Patienten erleben eine verbesserte Asthmakontrolle während der AACT. Dadurch können sie sich körperlich mehr belasten, was wiederum Lungenfunktionsparameter und aerobe Fitness verbessert und sich positiv auf die belastungsabhängige Bronchokonstriktion auswirkt.

Die Wirksamkeit der AACT wurde bisher nicht in randomisierten klinischen Studien untersucht, daher gibt es keinen Konsens über die optimale Dauer. Beobachtungsstudien zeigen jedoch, dass bis zu zwölf Monate nach Ende einer AACT positive Auswirkungen nachweisbar sind:

  • bessere körperliche Belastbarkeit
  • bessere Asthmakontrolle und asthmabezogene Lebensqualität
  • reduzierter Einsatz oraler Kortikosteroide
  • weniger ambulante Arzttermine
  • weniger Exazerbationen
  • reduzierte Anzahl und Dauer stationärer Aufenthalte

Die AACT kann als natürliche Behandlung mit immunmodulatorischen Effekten gesehen werden, so die Autoren. Sie hilft bei der Krankheitskontrolle (unabhängig vom Phänotyp) und führt zu einer raschen Reduktion der Inflammation.

Fieten KB et al. Allergy 2022; doi: 10.1111/ALL.15242

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune