Täglich Nasenbluten
Dr. Gabriele Ramschag-Fenzl erhielt vor rund sechs Jahren die genetische Bestätigung, dass ihr tägliches Nasenbluten sowie Gefäßveränderungen im ZNS und Magen-Darm-Trakt auf Morbus Osler zurückzuführen sind. Selbst Ärztin bekam sie im Laufe der Jahre von ärztlichen Kollegen vielfach diagnostische und therapeutische Hilfe; allerdings fehlt eine Anlaufstelle für diese Seltene Erkrankung.
Bereits während ihrer Ausbildung zur Gefäßchirurgin am Wiener AKH kam Dr. Gabriele Ramschag-Fenzl (66) erstmals mit Morbus Osler in Kontakt: „Es war ein Patient mit gastrointestinalen Blutungen, von dem es hieß, diese wären auf einen Osler zurückzuführen.“ Nie hatte sie damals gedacht selbst an dieser Erkrankung zu leiden. Bereits im Kindesalter litt sie sehr häufig an Nasenbluten, die von HNO-Fachärzten immer wieder mit Verödungen behandelt wurden.
Kurzfristig ergaben sich dadurch Besserungen. „Der Erkrankung wurde allerdings weder von meiner Familie noch von HNO-Ärzten große Bedeutung zugemessen“, schildert Ramschag-Fenzl. Im Erwachsenenalter wurden die Blutungen aus der Nase jedoch schlimmer, die sie allerdings mit Nasentamponaden „ganz gut im Griff“ hatte.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete Ramschag-Fenzl an verschiedenen Spitälern in ganz Österreich, zuletzt bis zu ihrer Pensionierung 2020 im Landesklinikum Horn. „Nur ein einziges Mal kam ich in all den Jahren wegen unstillbaren Nasenblutens zu spät zum Dienst, sonst hatte ich keinerlei berufliche Einschränkungen.“ Auf der Suche nach einem Spezialisten kontaktierte sie ihren Studienkollegen Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Burian, Abteilungsvorstand HNO, Kopf- und Halschirurgie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, der sich mit Morbus Osler auseinandersetzt.
Nach zweimaliger Lasertherapie nahm Ramschag-Fenzl 2009 an einer Studie mit Bevacizumab teil. Der monoklonale gegen den Gefäßwachstumsfaktor VEGF gerichtete Antikörper wurde damals im Rahmen einer klinischen Studie auf seine Anwendbarkeit als submucöse Injektion in die Nasenschleimhaut untersucht mit dem Ziel, ein Nasenspray zu entwickeln. „Ich persönlich habe daraufhin etwa ein halbes Jahr lang eine deutliche Besserung gemerkt. Zur Studie selbst bekam ich allerdings die Information, dass sie nicht signifikant ausgefallen war.“
Nutzen-Risiko-Abwägung
Im Rahmen der Studie wurde erstmals eine genetische Untersuchung vorgenommen und dabei die für Osler relevante Mutation festgestellt. „Es wurde mir auch empfohlen, dass meine Verwandten sich dahingehend untersuchen lassen“, ergänzt Ramschag-Fenzl. Die Behandlung mit Bevacizumab wurde nach Ende der Studie noch viermal durchgeführt – zuletzt Ende 2018/Anfang2019: „Ich bemerkte danach noch immer eine deutliche Besserung und wollte gerne wieder eine Behandlung durchführen.“ HNO-Spezialist Burian riet ihr jedoch davon ab, da angesichts der Coronapandemie das Risiko für aufsteigende Infektionen erhöht sein könnte.
Gegenwärtig bemüht sich Ramschag-Fenzl darum ihr tägliches Nasenbluten sowie die „verstopfte Nase“ symptomatisch mit abschwellenden Nasentropfen und pflegenden Ölen und Nasensalben bestmöglich zu managen. „Kälte-Wärme-Reize muss ich möglichst vermeiden und auch ein Nasenabstrich bei der Covid-Testung ist so gut wie unmöglich; Rachenabstriche sind aber möglich.“
Befunde im Gastrointestinaltrakt und ZNS
An der Lippe auftretende Hauterscheinungen des Morbus Osler wurden bei Ramschag-Fenzl bereits mit Laser behandelt. Bei Gastroskopie und Koloskopie wurden ebenfalls bereits kleine Teleangiektasien diagnostiziert. Außerdem bestehen arterio-venöse Malformationen zerebral: „Bereits 1989 war es eine Ptose, der ein Kollege in der Krankenanstalt Rudolfstifung genauer auf den Grund gehen wollte und ein CT veranlasste. Daraufhin erfolgte die Angiographie, wo sich eine AV-Malformation im Bereich der linken Arteria cerebri media herausstellte, die daraufhin embolisiert wurde. Meine bis dahin rezidivierenden starken Kopfschmerzen waren damit schlagartig verschwunden“, berichtet Ramschag-Fenzl.
Als die Kopfschmerzen ein Jahr später zurückkehrten wurde die Ärztin erneut angiographiert und daraufhin zur Strahlentherapie mit dem Gamma-Knife nach Stockholm geschickt, da zum damaligen Zeitpunkt ein solches in Österreich noch nicht verfügbar war. Mehrere Jahre später wurde in Wien neuerlich eine Angiographie vorgenommen, aufgrund eines Problems in der Administration waren die Befunde jedoch nicht mehr auffindbar. „Ein Kontroll-MRT am LK Horn zeigte jedoch weitere zerebrale Herde in der Größe einiger Millimeter.“
Frage nach einem Krankheitsmanagement
Meist sind es HNO-Ärzte, die infolge rezidivierenden Nasenblutens einen Morbus Osler erkennen - so wie bei Ramschag-Fenzl die Diagnose durch Univ. Prof. Dr. Burian gestellt wurde. „Allerdings würde ich mir hier in Österreich ähnlich wie in Deutschland auch ärztliche Ansprechpartner oder Kliniken anderer Fachgebiete wünschen, die sich mit diesem Krankheitsbild befassen. Bisher habe ich alle Untersuchungen auf eigene Initiative unternommen und bin mir nicht sicher ob es tatsächlich die richtigen waren“, sagt Ramschag-Fenzl.
Fakten-Check: Morbus Osler
Morbus Osler, auch Osler-Rendu-Weber-Syndrom oder Hereditäre Hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) ist eine seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die prinzipiell alle Teile des Körpers betreffen kann. Das Leitsymptom ist Nasenbluten, das bei 80 Prozent der Erkrankten auftritt. Zu den weiteren Symptomen gehören Teleangiektasien (Gefäßmissbildungen) an Lippen, Mundhöhle, Fingern und Nase sowie arterio-venöse Malformationen in Lunge, Leber, ZNS und Gastrointestinaltrakt. Auch eine positive Familienanamnese wird zur klinischen Diagnose herangezogen. Genetischer Befund ist eine Keimbahnmutation im Gen ENG (Endoglin) auf Chromosom 9q31, (Quelle: www.mgz-muenchen.de).
Aufgrund des häufigen Nasenblutens wird die Diagnose meist im HNO-Fachbereich gestellt. Eine enge Kooperation mit Kliniken anderer Fachrichtungen, die ebenfalls Erfahrungen mit der Erkrankung haben, ist aber oft entscheidend um dem Krankheitsbild gerecht zu werden, heißt es auf der Website www.morbus-osler.de der deutschen Selbsthilfegruppe HHT Germany. Dort findet sich auch eine umfangreiche Liste mit ärztlichen Ansprechpartnern bzw. Kliniken in Deutschland.
Serie: Die Gesichter Seltener Erkrankungen
Seltene Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und bestmöglich zu behandeln bzw. zu managen gehört zu den größten Herausforderungen der Medizin im dritten Jahrtausend. Mitunter sind es vielleicht nur zehn, zwölf Menschen in Österreich mit derselben Diagnose, die oft erst nach jahrelangen Wegen durch Ordinationen und Ambulanzen wissen, woran sie tatsächlich leiden. Die Diagnose erhielten sie meist von engagierten Ärztinnen und Ärzten, die auf den richtigen Pfad kamen und sich um Therapie und Management bemühen.
In der neuen medonline-Serie in Kooperation mit dem Referat für Seltene Erkrankungen der Ärztekammer Wien wollen wir die Gesichter Seltener Erkrankungen vorstellen mit dem Ziel, das Bewusstsein dafür zu stärken: Seltene Erkrankungen sind zwar selten, aber es gibt sie! Mitunter sind sie aber viel zu wenig bekannt. Wir stellen Ihnen daher engagierte Ärztinnen und Ärzte und ihre Patientinnen und Patienten bzw. deren Eltern vor. Ihre Erfahrungen sollen dazu beitragen, Seltene Krankheiten besser bekannt zu machen und vielleicht rascher zur richtigen Diagnose und zur bestmöglichen Behandlung zu kommen.
Mag. Christina Lechner (Koordinierende Redakteurin) & Mag. Ulrike Krestel (Redaktionsleitung medonline) mit Dr. Christoph Buchta (Ärztekammer Wien/Referat für Seltene Erkrankungen)
In Kooperation mit der Ärztekammer Wien
Referat für Seltene Erkrankungen