Magenbypass hilft auch gegen Asthma
Mit dem Body-Mass-Index steigt auch das Asthmarisiko. Der Grund liegt weniger in der physikalischen Atemwegsobstruktion als in veränderten Zytokin- und Hormonverhältnissen. Die bariatrische Chirurgie schafft Abhilfe.
Bei Menschen mit einem BMI > 30 kg/m2 liegt die Asthmaprävalenz fast doppelt so hoch wie bei Normalgewichtigen. Dies ergab eine Metaanalyse von Studien an rund 33.000 Probanden. Unabhängig vom Vorliegen einer pulmonalen Grunderkrankung zeigen Adipöse typische Veränderungen der Lungenfunktion, erläuterte Dr. Ina Haasler von der Klinik für Pneumologie der Ruhrlandklinik – Universitätsmedizin Essen. Residual- und Vitalkapazität sind bei ihnen vermindert, ebenso die Tidalvolumina. Außerdem fällt bei der Messung des Atemwegswiderstands das Kollapsphänomen in Exspiration auf.
Dr. Haasler berichtete von einer Sarkoidosepatientin, deren BMI sich innerhalb von zwei Jahren von 37,7 auf 44,7 kg/m2 erhöht hatte. Parallel war die FVC von 2,26 l auf 1,9 l und die FEV1 von 1,8 l auf 1,3 l abgefallen. Bei den Diffusions- und radiologischen Befunden tat sich dagegen nichts. „Die Veränderungen der Atemwegsschleife und die Zunahme der Restriktion konnten eindeutig nur der Adipositas zugeordnet werden“, meinte die Pneumologin.
Ein Asthma bronchiale wird bei adipösen Menschen sowohl über- als auch unterdiagnostiziert. Einerseits lässt man sich bei diesen Patienten leicht dazu verleiten, die Diagnose anhand der klinischen Symptome zu stellen und nicht anhand der geforderten Veränderungen wie Reversibilität der Obstruktion und Nachweis der Hyperreagibilität, konstatierte Dr. Haasler. Sie verwies darauf, dass die von Adipösen oft beklagte Belastungsluftnot kein typisches Asthmasymptom darstellt.
Adäquate LuFu-Diagnostik bei Adipositas vernachlässigt
Andererseits wird Luftnot bei Adipösen oft vorschnell den überschüssigen Pfunden zugeschrieben, sodass die adäquate Lungenfunktionsdiagnostik unterbleibt. In einem Kollektiv von 86 bariatrischen Patienten bestätigte die gründliche pneumologische Untersuchung die vorbestehende ärztliche Diagnose Asthma nur in 19 von 32 Fällen. 17 der angeblich lungengesunden Patienten erwiesen sich als asthmakrank. „Spätestens wenn wir bei einem adipösen Patienten eine Therapieeskalation planen, sollte die Diagnose auf den Prüfstand“, forderte Dr. Haasler.
Als Bindeglied zwischen Asthma und Adipositas könnte sich die verstärkte Inflammation erweisen. Sie ist durch erhöhte Spiegel von hsCRP, IL-6 und TNF-α gekennzeichnet, was zur bronchialen Hyperinflammation führt.
Der Fettgewebsbotenstoff Leptin wird erhöht gemessen, der Gegenspieler Adiponektin vermindert. An der glatten Bronchialmuskulatur gibt es Leptinrezeptoren, und eine Hypothese besagt, dass Leptin über diese Rezeptoren das bronchiale Remodeling fördert.
Die Atemwegsentzündung scheint bei adipösen Patienten mit schwerem Asthma weniger stark eosinophil geprägt zu sein, die FeNO- Werte sind niedriger als bei normalgewichtigen Leidensgenossen. Dabei handelt es sich meist um Patienten mit spätem Krankheitsbeginn, die auf orale Steroide schlecht ansprechen. Sehr viel seltener kommen nach Erfahrung von Dr. Haasler Patienten mit Early Onset vor mit Zeichen der Th2-Entzündung inklusive atopischer Begleiterkrankungen sowie gutem Ansprechen auf inhalative und orale Steroide.
Durch den Eingriff bis zu 36 % des Gewichts abnehmen
Von einer bariatrischen Operation dürfen schwergewichtige Asthmapatienten auch eine deutliche Besserung ihrer Atemwegssymptome erhoffen, wie ein aktueller Review von 26 Studien zeigt. Nach bariatrischer Chirurgie nahmen die Patienten 22–36% ihres Körpergewichts ab, während Gewichtsreduktion durch Diät und Sport nur auf 4–14% kam. Konservativ behandelte Patienten zeigten nur geringe Veränderungen ihres Asthmas, Operierte konnten dagegen aufgrund gebesserter Symptome ihre Asthmamedikamente reduzieren oder ganz absetzen. Ihre FVC und FEV1 waren signifikant angestiegen, bronchiale Hyperreagibilität, hsCRP und Leptin zurückgegangen.
Bei adipösen Patienten verschiebt die Komorbidität Asthma die Indikation für eine bariatrische Operation in niedrigere BMI-Bereiche. „Gesunde“ Dicke werden ab einem BMI von 40 kg/m2 zu Kandidaten für Magenbypass & Co., Asthmapatienten, ebenso wie andere chronisch Kranke, bereits ab 35 kg/m2. Voraussetzung ist immer, dass ein konservativer Versuch unternommen wurde, der Adipositas beizukommen, wobei die Therapieziele allerdings sehr ehrgeizig gesetzt sind. Angestrebt wird ein Gewichtsverlust von 15–20% in sechs Monaten.
61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (Online-Veranstaltung)