Giftig und gefährlich: Plagegeister im Dschungel
Ihre Patienten wollen durch den Dschungel trekken. Dann ist gute Beratung gefragt, soll die Reise nicht im Desaster enden. Denn in der grünen Wüste lauert gefährliches Getier – von gigantischen Ameisen bis zur tödlichen Schlange.
Augenspinner
In Südamerika häufig anzutreffen sind die giftigen Raupen der Schmetterlingsgattung Lonomia, auch Augenspinner genannt. Beim Berühren der Nesselhaare kommt es zu heftigen Schmerzen ohne erkennbare Lokalreaktion, aber mit potenziell tödlichen Folgen.
Die mit dem unliebsamen Kontakt verbundene Prothrombinaktivierung kann eine ausgeprägte hämorrhagische Diathese mit letaler Hirnblutung auslösen, warnte Dr. Fritz Holst vom Tropen- und Reisemedizinischen Zentrum Marburg. Die Therapie erfolgt in schweren Fällen mit einem Antivenin und ggf. Blutprodukten, bei leichter Erkrankung genügt ein Glukokortikoid.
Tausendfüßler
Weniger gefährlich, aber nicht minder lästig sind die am Boden krabbelnden tropischen Tausendfüßler. Zur Abwehr können sie zyanidhaltige Toxine bis zu 80 cm weit versprühen. Der Giftkontakt führt zu Erythem und Blasenbildung an den Füßen, ähnlich einer Verbrennung 2. Grades. Zur Prophylaxe wird empfohlen, den Dschungel nie barfuß oder in Sandalen zu betreten, auch wenn es die Einheimischen vormachen. Und die Augen schützen: Falls das Gift dort landet, drohen schwere Korneaschäden.
Conga Ant
Von den toxischen Ameisen ist wahrscheinlich die in Mittel- und Südamerika heimische Conga Ant (Paraponera clavata) am bekanntesten. Das etwa 2 cm lange nachtaktive Insekt injiziert mit ihrem Stachel ein Gift in die Haut, das extrem starke Schmerzen auslöst. Wer nachts damit Bekanntschaft macht, braucht ein potentes Analgetikum, eventuell sogar ein Lokalanästhetikum, um wieder einschlafen zu können. Vorsorglich sollten Dschungelwanderer in der Dunkelheit nur mit Taschenlampe im Wald herumgehen und nichts berühren.
Tumbufliege
Zu den erschreckendsten Reisemitbringseln zählt die kutane Myiasis. Betroffene erscheinen mitunter panikartig in der Praxis, weil sie fürchten, von Würmern gefressen zu werden. In Wirklichkeit bewegt sich „nur“ eine Made unter der Haut. Die in Mittel- und Südamerika heimische Dasselfliege heftet ihre Eier an den Körper von Moskitos, die sie bei ihrer Blutmahlzeit übertragen. Die im subsaharischen Afrika lebende Tumbufliege legt sie auf feuchten Kleidungsstücken ab, von wo aus sie auf der Haut landen (Prophylaxe: heiß bügeln).
Die Larven reifen innerhalb von etwa zwei Wochen im Subkutangewebe heran. Klinisch fällt zunächst eine juckende Papel mit zentraler Atemöffnung auf. Therapeutisch genügt meist eine Blockade der Luftzufuhr, z.B. mit Creme oder Tesafilm. Dann muss sich die hypoxische Larve nach draußen strecken und kann mit einer Pinzette entfernt werden, falls nicht möglich, mit einer Exzision.
Blutegel
In tropischen Urwäldern ebenfalls weite Verbreitung haben Blutegel – allerdings mit großen regionalen Unterschieden: In Costa Rica gibt es keine, in Thailand dagegen sehr viele. Die Gürtelwürmer können bis zu einer Stunde Blut saugen, fallen nach beendeter Mahlzeit ab und hinterlassen schmerzlose Wunden, die oft unbemerkt bleiben. Wegen des drohenden Bakterienbefalls sollte man sie reinigen und desinfizieren. Prophylaktisch wirken „Leech Socks“, die über den Hosenbeinen getragen werden und die Egel abhalten.
Sandfloh
Wer gern barfuß am Strand läuft, kann in den Tropen leicht Ärger mit Sandflöhen der Art Tunga penetrans bekommen. Deren bodenlebende Weibchen bohren sich in die menschliche Haut – bevorzugt an Zehen, Fußsohlen und Fersen. Dort produzieren sie reichlich Eier und legen diese über die nach außen ragende Genitalöffnung auf den Boden, bevor die Flohdamen binnen weniger Wochen im Wirt sterben.
Klinisch fällt ein juckender Knoten mit dunklem Zentrum auf, der erbsengroß werden kann. Durch die Eintrittspforte kommt es häufig zu einer ausgeprägten Superinfektion, die der Antibiose bedarf. Der Floh selbst lässt sich mittels Kürettage entfernen.
Schlange
Gefahr droht auch von Giftschlangen. Dschungeltrekker sollten sich deshalb die wichtigsten Spezies im Reiseland und ihr Aussehen schon vorher genau einprägen. Prophylaktisch wirken lange Kleidung, Trekkingschuhe, Taschenlampe und eine Hängematte mit Moskitonetz, die das Eindringen verhindert. Damit Wanderer nicht versehentlich auf eine Schlange treten, wird empfohlen, das Unterholz mit einer Machete zu beseitigen.
Zwei tödliche Schlangen
- Grüne Mamba: Minimale Lokalsymptome (Schmerz, Blutung), rasch progrediente Neurotoxizität (Atemlähmung), Ersttherapie mit Druck-Immobilisationsverband, rascher Transport ins Krankenhaus, evtl. Antivenin.
- Lanzenotter: Lokale Schwellung (oft schon nach 15 Minuten), Blasenbildung, Nekrose, ggf. Kompartmentsyndrom, Blutung aus den Bissmarken. Im Verlauf generalisierte Hämorrhagien (Hämatemesis, Hämaturie, evtl. intrakranielle Blutungen). Therapie: Antivenin, Intensivtherapie, evtl. Operation.
Kommt es dennoch zum Biss, genügt gegen ungiftige Arten eine Wunddesinfektion. Bei toxischen Arten und rascher Giftwirkung (< 30 Minuten) hängt das Vorgehen von der Entfernung bis zum nächsten Krankenhaus ab. Dauert der Transport voraussichtlich länger als zwei Stunden, empfiehlt Dr. Holst, möglichst schon vor Ort ein Antivenin zu verabreichen.
Inzwischen gibt es Antidote, die man nicht kühlen muss und daher prophylaktisch mitnehmen kann. Die Giftwirkung hängt auch von der Schlangenart ab: Nattern injizieren Neurotoxine, deren Ausbreitung im Körper mit einem Druck-Immobilisationsverband unbedingt verhindert werden sollte (Kasten). Gegen die von Vipern sezernierten Gewebstoxine genügt die Immobilisation.
Reiseapotheke im Dschungel
- Grundausstattung: Verbandsmittel, Antiseptika, Analgetika, Antihistaminika, Kortisonsalbe, Antibiotika, Anthelminthika, Antiparasitika, antibakterielle Ophthalmika, Loperamid
- zusätzlich: Lokalanästhetikum, Mupirocin-Salbe, Permethrin-Creme (Läuse, Skabies, Flöhe)
- allergische Diathese: Adrenalin-Autoinjektor
127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung)