16. Dez. 2020Allergologie

Nahrungsmittelallergien: Diät oder Exposition?

Wann Patienten mit einer Nahrungsmittelallergie von einer Diät profitieren und wann eine Toleranzentwicklung durch die Zufuhr eines Allergens erreicht werden kann, wurde von Univ.-Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), diskutiert.

Zu Tomaten und Orangen alergisch sein. Frau, die Produkte isst, die eine Alergie verursachen
istock.com/Zinkevych

Prävention der Nahrungsmittelallergie

Gemäß der S3-Leitlinie Allergieprävention (Update 2014)1 gibt es keine Belege für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr, daher sollte sie auch nicht erfolgen. Als eine der revolutionärsten Studie der letzten Jahre bezeichnet Univ.-Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien, die LEAP-Studie2: Kinder mit atopischer Dermatitis und/oder Hühnereiallergie wurden randomisiert und erhielten in den ersten fünf Lebensjahren entweder dreimal pro Woche Erdnüsse oder hielten eine strikte Erdnuss-Karenz ein. „Jene Gruppe, die ab dem ersten Lebensjahr regelmäßig Erdnüsse bekommen hat, wies ein um 86 Prozent geringeres Risiko auf, eine Erdnussallergie zu entwickeln“, berichtet Szépfalusi. In der darauffolgenden EAT-Studie3 wurden auch andere Nahrungsmittelallergene untersucht. „Ein signifikanter präventiver Effekt konnte bei der regelmäßigen Exposition mit der Erdnuss gezeigt werden, nicht jedoch beim Hühnerei“, berichtet Szépfalusi. „Zahlreiche andere Studien haben sich mit dem präventiven Effekt der Hühnerei-Exposition beschäftigt, aber sehr heterogene Ergebnisse gezeigt.“

Aus den Zusammenfassungen dieser Studien wurden Empfehlungen abgeleitet, die im WAO-Konsensus 20174 implementiert sind: „Säuglinge mit einer frühen atopischen Erkrankung (z.B. atopisches Ekzem oder Hühnereiallergie) in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten, können von einer allergologischen Abklärung und der Einführung von Erdnuss in die Ernährung profitieren. Zur Abklärung gehören nach Aufklärung der Familie Hauttests mit Erdnuss und die ärztlich überwachte Gabe von Erdnuss. Hierzu kann auch die stationäre orale Provokation bei den Säuglingen, die einen positiven Hauttest haben, gehören.“ Wie diese Empfehlungen umgesetzt wurden, zeigt eine rezente Studie5: „Mehr als 90 Prozent der Kinderfachärzte kannten die Empfehlungen, aber nur 29 Prozent haben die Empfehlungen umgesetzt. Die Gründe dafür waren einerseits Angst der Eltern vor allergischen Reaktionen und andererseits Unsicherheit der Ärzte hinsichtlich der Umsetzung“, informiert Szépfalusi. „Im deutschsprachigem Raum werden die Leitlinien zur Allergieprävention derzeit überarbeitet.“

Therapie bei Nahrungsmittelallergie

„Bei einer primären Nahrungsmittelallergie ist die Standardtherapie eine Diät und zwar strikt, wenn notwendig – bei Anaphylaxie – bzw. angepasst, wenn möglich – z.B. bei Urtikaria bzw. nur verzögerter Reaktion, Laktoseintoleranz etc.“, so Szépfalusi. Eine der Herausforderungen bei Nahrungsmittelallergien ist die zunehmende Anzahl der Patienten mit Nussallergien, speziell der Erdnussallergie6. „Erschwerend bei Nussallergien kommt hinzu, dass es über die Jahre zu keiner Besserung der Allergie kommt, im Unterschied zu Allergien auf Hühnerei oder Milch“, gibt Szépfalusi zu bedenken. Aus diesem Grund wird eine Desensibilisierung oder Toleranz im Sinne einer Immuntherapie angestrebt7. „Bei Kuhmilchallergie kann eine Desensibilisierung im Durchschnitt bei 50 Prozent der Patienten erreicht werden, eine Toleranzentwicklung bei bis zu 36 Prozent der Patienten. Ähnliche Ergebnisse werden bei der Hühnereiallergie erreicht: eine Desensibilisierung ist durchschnittlich bei 65 Prozent der Patienten möglich, eine Toleranz bei rund 30 Prozent“, weiß Szépfalusi. Bei der Erdnussallergie, für die es die meisten Daten gibt, liegt die Rate der Desensibilisierungen im Mittel bei 60 Prozent und die Rate der Toleranz bei bis zu 50 Prozent.7

Dies zeigte auch die PALISADE-Studie8 bei Patienten mit Erdnussallergie, denen ein Erdnussprotein zur oralen Immuntherapie versus Placebo über 24 Wochen verabreicht wurde. „Eine erfolgreiche Desensibilisierung mit dem Erdnussprotein, das bereits in den USA zugelassen wurde, ist bei Kindern und Jugendlichen im Alter von vier bis 17 Jahren gelungen, nicht jedoch bei Erwachsenen“, sagt Szépfalusi. Allerdings entwickelten 40 bis 50 Prozent der Patienten Nebenwirkungen wie abdominelle Beschwerden mit Schmerzen, Übelkeit oder Erbrechen. „Diese Nebenwirkungen sind relevant und bedürfen einer Managementstrategie“, betont Szépfalusi.

Fazit

  • Eine Diät ist bei einer nachgewiesenen klinisch relevanten Nahrungsmittelallergie erforderlich
  • Eine Allergie-präventive Nahrungsmittelexposition ist unter bestimmten Konstellationen (atopisches Ekzem oder Eiallergie) für bestimmte Nahrungsmittel wie die Erdnuss nachgewiesen.
  • Eine Immuntherapie (oral, sublingual, epikutan) mit bestimmten Nahrungsmitteln (Erdnuss) kann überlegt werden, wenn ein zugelassenes Produkt verfügbar ist.
Referenzen:
  1. Schäfer et al., Allergo J Int 2014; 23:186;
  2. Du Toit et al., N Engl J Med 2015; 372(9):803-13;
  3. Perkin et al., N Engl J Med 2016; 374:1733-1743;
  4. https://www.worldallergy.org/education-and-programs/education/allergic-disease-resource-center/professionals/food-allergy
  5. Gupta et al., JAMA Netw Open 2020; 3(7):e2010511.
  6. Gupta et al., Pediatrics 2018; 142(6):e20181235.
  7. Gernez & Nowak-Wegrzyn, J Allergy Clin Immunol Pract 2017; 5(2):250-272;
  8. Vickery et al., N Engl J Med 2018; 379(21):1991-2001;

„Allergologie Update“, wissenschaftliche Sitzung im Rahmen der virtuellen 44. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), 16. Oktober 2020