19. Okt. 2020Morbus Huntington

Therapeutische Antisense-Oligonukleotide vor der Tür

Antisense-Oligonukleotide (ASOs) sind eine der großen Hoffnungen für viele Erbkrankheiten. Die kurzen synthetischen Nukleinsäureketten binden gezielt an bestimmte RNA-Abschnitte im Zellkern und verhindern durch Hemmung der Transkription oder Translation die Bildung schädlicher Proteine. Als ein Paradebeispiel für die ASO-Therapie könnte sich Morbus Huntington herausstellen.

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Hand hält ein Reagenzglas für chemische Lösungen in einem DNA-Forschungslabor für Biochemie
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Mit einer Prävalenz von 11-14 pro 100.000 Einwohner ist die Huntington-Erkrankung die häufigste erbliche Form der Chorea in westlichen Ländern. Die progressive, zu Behinderung und Tod führende Funktionsstörung des Gehirns tritt im Alter von etwa 40-45 Jahren auf und wird autosomal dominant mit 100%iger Penetranz vererbt. Ursache ist ein Gendefekt auf dem Chromosom 4, der durch eine Amplifikation sogenannter Triplet-Repeats gekennzeichnet ist und zur Produktion von krankhaftem Huntington-Protein führt. Bei Gesunden wiederholt sich das für Glutamin kodierende Basentriplett CAG  im Huntington-Gen 10- bis 26-mal, bei Morbus Huntington über 40-mal. Betroffene entwickeln motorische Symptome, Verhaltensstörungen, psychiatrische Auffälligkeiten und auch kognitive Symptome. Liegen 27-35 Repeats vor, spricht man von einer Prämutation, da auch bei dieser Allelvariante bereits psychiatrische Symptome und leichte Bewegungsstörungen auftreten können. Bei 36-39 CAG-Wiederholungen ist die Penetranz der Erkrankung inkomplett.

Warum Gentherapie?

Aus mehreren Gründen ist der Morbus Huntington ein idealer Kandidat für gentherapeutische Ansätze: „Die Erkrankung beruht auf einem einzigen Genfehler, die Diagnose lässt sich eindeutig stellen und durch Ausschaltung des mutierten Gens könnte die Bildung des krankhaften Huntingtin-Eiweißes verhindert werden“, erläutert Univ.‐Prof. Dr. Klaus Seppi, Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck. Dabei gibt es mehrere Ansatzpunkte: Huntington-Verminderung kann auf DNA-Ebene erreicht werden, indem die Transkription verhindert oder vermindert wird, oder auf RNA-Ebene durch Verminderung des Slicing, des nukleären Transports und der Translation. Eine der dabei eingesetzten Techniken sind Antisense- Oligonukleotide, die bereits in klinischen Studien untersucht werden. Zu den Herausforderungen für die Forschung gehört, die kurzkettigen Nukleinsäuren, die in der Regel rasch wieder durch DNasen abgebaut werden, so zu verändern, dass sie den Zellkern erreichen und dort lange genug persistieren. In den letzten Jahren ist es gelungen, durch chemische Modifikationen ASOs mit verlängerter Halbwertszeit und lipophilerer Oberfläche (→ besssere Gewebepenetration) zu erzeugen. „ASOs wirken aber nur vorübergehend und müssen regelmäßig verabreicht werden, um eine anhaltende Wirkung zu erreichen“, betont der Experte.

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