22. Nov. 2023Typ-1-Diabetes

ÖDG 2023: Heilung durch Transplantation von Inselzellen?

Ungeachtet aller Verbesserungen der Insulintherapie kann die externe Zufuhr von Insulin die physiologischen Funktionen eines gesunden Pankreas nicht vollständig ersetzen. Daher wird seit Jahrzehnten versucht, das Problem durch Transplantation entweder des gesamten Organs oder von Inselzellen zu lösen. Aktuelle Entwicklungen in der Zellbiologie und Gentechnik könnten diese Strategie zu einem breit anwendbaren klinischen Erfolgsmodell machen.

woman holding pancreas in the hands. Help and care concept
filins/AdobeStock

Die Idee, Typ-1-Diabetes durch eine Transplantation Langerhans’scher Inseln zu heilen, ist nicht neu. Bereits 1981 wurde von der European Association for the Study of Diabetes (EASD) die Arbeitsgruppe AIDPIT (Artificial Insulin Delivery and Pancreas Islet Transplantation) ins Leben gerufen, die bis 2022 bestand und sich zu jährlichen Meetings traf. Ab 2010 kamen offizielle Bemühungen der Europäischen Transplantationsgesellschaft mit der Gründung der European Pancreas and Islet Transplant Association (EPITA) hinzu. Die EPITA tagt, genauso wie zuvor die AIDPIT, einmal im Jahr in Ischgl in Tirol, erzählt Prof. Dr. Lorenzo Piemonti von der Vita Salute San Raffaele Universität in Mailand. Die Universität Innsbruck war von Anfang an führend an den Bemühungen in Richtung Pankreas- und Inseltransplantation beteiligt, so Piemonti.

Gute Langzeitergebnisse nach kombinierter Nieren- und Inseltransplantation

Versuche mit der Transplantation von Inselzellen wurden bereits früh bei Patientinnen und Patienten begonnen, die sich einer Nierentransplantation unterziehen und daher immunsupprimiert werden mussten. Vor mehr als 20 Jahren wurde die erste Fallserie mit 15 Patientinnen und Patienten publiziert, die bei mehr als der Hälfte der Teilnehmenden nach einem Jahr stabile Unabhängigkeit von externer Insulinzufuhr zeigte. Mit einer Ausnahme sank bei allen Studienteilnehmenden der Insulinbedarf um mindestens die Hälfte.1 Piemonti berichtet von Patientinnen und Patienten mit jahrzehntelanger, schwer einstellbarer Krankheit, bei denen nach Transplantation vollkommen physiologische Blutzuckerprofile gemessen wurden. Im vergangenen Jahr wurde eine Serie von 250 Fällen mit Beobachtungszeiten von bis zu 20 Jahren publiziert.2 Sie zeigt ein langfristiges Graft Survival von rund der Hälfte (58% nach 10, 48% nach 20 Jahren), das allerdings nur bei einer Minderheit (20% nach 10, 8% nach 20 Jahren) zu kompletter Unabhängigkeit von externer Insulinzufuhr führt. Die Mortalität ist in der gesamten Kohorte niedrig. Dabei handelt es sich durchwegs um nierentransplantierte Patientinnen und Patienten. Eine Inselzell-Transplantation allein wäre ebenfalls erfolgversprechend, so Piemonti, hätte jedoch den Nachteil, dass damit lebenslange Immunsuppression erforderlich wird. Die amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften sehen neben der chronischen Nierenerkrankung jedoch auch schwere metabolische Komplikationen, mangelnde Hypoglykämie-Wahrnehmung etc. unter Abwägung von Nutzen und Risiken als potenzielle Indikationen für die Transplantation.3 Eine Ausnahme stellt die autologe Inselzelltransplantation dar, die keine Immunsuppression benötigt und bei Diabetes infolge einer Pankreatektomie zum Einsatz kommen kann. Indikationen sind vor allem Traumata, die zum Verlust des Pankreas führen, sowie die chronische Pankreatitis und benigne oder Bordeline-Neoplasien. Details zu Methode und Indikationsstellung wurden als „Mailand Protokoll“ publiziert.4

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