20. Aug. 2024Zoonosen

Mpox, H5N1 und Co.: Kommt die nächste Pandemie?

In Zentralafrika kommt es zu immer mehr Mpox-Fällen, in den USA wurde das A(H5N1)-Influenzavirus von Kühen auf Menschen übertragen. Wie ist die Lage in Europa?

Mpox
Foto: ink drop/AdobeStock

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine Ausweitung der Produktion von Impfstoffen gegen das Mpox-auslösende Orthopoxvirus, das derzeit in einigen Ländern Zentralafrikas zirkuliert. Der Direktor des Instituts für Virologie der Universität Münster, Prof. Dr. Stephan Ludwig, ging im Vorfeld des „9th International Influenza Meeting“ in einem Hintergrundgespräch auch auf die für lange Zeit als „Affenpocken“ bekannte Erkrankung und ihr Potenzial, zu einer Pandemie zu werden, ein.

Für Europa sehe er – ebenso wie seine Kolleginnen und Kollegen – derzeit keine Gefahr eines Mpox-Ausbruchs. Auch nicht, nachdem nun Schweden erstmals in Europa einen Mpox-Fall gemeldet hat, da es sich bei dem betroffenen Mann um einen Reiserückkehrer aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) handelte. „Über einen unkontrollierten Ausbruch müssen wir uns derzeit keine Gedanken machen. Anders als respiratorisch übertragene Erreger wie SARS-CoV-2 und Influenza wird Mpox über direkten Kontakt von Körperflüssigkeiten übertragen. Das kann man vergleichsweise gut vermeiden“, entwarnte der Virologe.

Klade I verantwortlich für Ausbruch in Zentralafrika

Das Mpox-Virus weist 2 genetische Kladen auf. Als es 2022 in Europa zu Mpox-Ausbrüchen kam, wurden diese durch die Klade IIb verursacht. Der derzeitige Anstieg in zentralafrikanischen Ländern wie der DRC wird von Mpox-Viren der Klade I verursacht, die mit schwereren Krankheitsverläufen assoziiert ist. „Bei aktuell rund 15.600 bestätigten Fällen von Mpox gibt es 537 Todesfälle. Kinder unter 5 Jahren sind eine besonders vulnerable Gruppe“, verdeutlichte Ludwig. Dieses Geschehen hat dazu geführt, dass die WHO am 14.8.2024 eine „Gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) ausgerufen hat.

Wird es eine neue Pandemie geben?

„Es gibt bereits eine neue Pandemie, und zwar seit 2020/21“, betonte Ludwig. Allerdings zirkuliere diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht unter Menschen, sondern unter Tieren. Gemeint ist die Ausbreitung der A(H5N1)-Influenzaviren, die die aviäre Influenza („Vogelgrippe“) auslösen (s. Bericht „Aktuelles zur Vogelgrippe“).

Seit 2003 verzeichnete die WHO knapp 900 Infektionen von Menschen mit dem H5N1-Virus, wobei mehr als die Hälfte davon tödlich verliefen. „Die bisherigen Ausbrüche waren eher lokal begrenzt und vor allem Vögel waren davon betroffen. Derzeit infiziert sich aber auch eine immer größer werdende Anzahl von Säugetieren mit diesen Viren“, berichtete der Virologe. Seit Anfang 2024 hätten die Erreger mit dem Auftreten bei Milchkühen in den USA eine neue Qualität erreicht. Bei den bisher nicht als Wirtstiere bekannten Kühen vermehrten sich die Viren besonders in den Milchdrüsen massenhaft. „Pro Liter Milch wurden 109 Viruspartikel nachgewiesen. Das ist eine gewaltige Vermehrung“, so Ludwig. Und so kam es auch zu einer Übertragung auf Menschen, die etwa beim Melken mit den Viren in Kontakt gekommen waren. „Auch wenn die Infektionen leicht verliefen und vor allem zu Konjunktivitis führten, muss das Geschehen genau beobachtet werden, um eine Ausbreitung einzudämmen“, führte Ludwig weiter aus. Besonders eine Anpassung der Erreger an das neue Wirtstier Kuh und damit die Entwicklung von Mutationen, die für Menschen gefährlich werden könnten, müsse verhindert werden.

Eine Gefahr bestehe konkret darin, dass 2 verschiedene Grippeviren – z.B. die saisonale Variante und H5N1 – eine Zelle zur gleichen Zeit infizieren und es zur Reassortierung kommt. Derartige Reassortments von Grippeviren kämen zwar selten vor, seien aber durchaus möglich und hätten in der Vergangenheit bereits zu pandemischen Varianten wie der Spanischen Grippe geführt.

Derzeit Entwarnung für Europa

Für Europa sieht der Experte derzeit keine aktuelle Gefährdung einer H5N1-Pandemie unter Menschen. Einerseits, weil die Lage hier sehr genau überwacht werde und es bisher keine Übertragung auf Menschen gab, andererseits gäbe es auch genug Impfstoffdosen, sollte es doch zu steigenden Fallzahlen kommen. Den Umgang mit der Krise in den USA bezeichnete er allerdings als bedenklich. „Den Arbeitern auf Farmen wird jetzt der saisonale Grippe-Impfstoff angeboten, um Reassortierungen zu vermeiden. Der Impfstoff gegen das H5N1-Virus wäre allerdings der bessere Weg“, unterstrich der münstersche Virologe. Eine Impfung in Europa unter den derzeitigen Umständen anzubieten wäre nicht vernünftig, da es noch keine Infektionen gebe und somit der Nutzen nicht gegeben sei.

„There is no fame in prevention”

Er betonte auch, dass man auch aus der SARS-CoV-2-Pandemie gelernt habe. Es gebe durchaus Nachholbedarf in puncto internationaler Strategien, um künftig Pandemien und nationale Alleingänge zu vermeiden. Dass es in Ländern wie Deutschland, die gut durch die Pandemie gekommen seien, nun zu Aufschreien komme, kommentierte Ludwig mit den Worten: „There is no fame in prevention.“

„Aber für mich als Wissenschaftler war es erfreulich zu sehen, wie die Forschung in der Krisenzeit international zusammengearbeitet hat. Sie hat sich intensiv vernetzt, Erkenntnisse wurden sofort geteilt. Dieses große Wissen ist ein wichtiger Punkt für die Vorbereitung, um auf ein neues Coronavirus reagieren zu können“, so Ludwig.

Ebenfalls als Antwort auf die Pandemie haben sich mehrere Netzwerke gebildet und es wurde u.a. ein One-Health-Konzept entwickelt. Man habe die Gefahr von Zoonosen erkannt und überlege, wie man diese eindämmen könne. „Auch der Klimawandel und die Biodiversität spielen dabei eine große Rolle“, führte Ludwig aus. So habe man in Australien nach Ausbrüchen des Hendravirus bei Menschen beobachten können, wie eine Renaturierung bei der Eindämmung helfen kann. „Die Hendraviren wurden von Flughunden übertragen, die plötzlich häufiger in bewohnten Gebieten anzutreffen waren, weil ihre Heimatwälder gerodet worden waren. Daraufhin hat man Nationalparks ausgewiesen, die Natur erholte sich infolgedessen, die Tiere kehrten in ihre Heimat zurück und die Hendraviren-Ausbrüche gingen zurück. Das sind sehr bedeutende Erkenntnisse. Durch One-Health-Plattformen werden auch mehr Aktivitäten in diese Richtung geplant“, brachte der Virologe ein eindrückliches Beispiel, wie die Eindämmung von Krankheitsausbrüchen auch gelingen kann.

Quelle: „Droht die nächste Pandemie?“, Hintergrundgespräch dem 9. International Influenza Meeting von 5.–7.9.2024, Münster und online, 19.8.2024