15. Feb. 2023

Corona-Symptome werden „grippeähnlicher“; Rätsel um Corona-Immunität könnte gelöst sein

+++ RKI: Corona-Symptome bei Omikron schwerer von Grippe zu unterscheiden – Protein LRRC15: Rätsel um Corona-Immunität möglicherweise gelöst – Abwassertests: 14-Tage-Vorwarnzeit für Intensivmedizin – Rauch will Abwassermonitoring als "Wachtürme" erhalten – Prognose rechnet mit mehr Infektionen und mehr Patienten Weitere Schutzmaßnahmen sollen in Deutschland im März enden +++

Nuthawut Somsuk/GettyImages

RKI: Corona-Symptome bei Omikron schwerer von Grippe zu unterscheiden

Seltener Geschmacksverlust, öfter Halsschmerzen: Die Symptome von Corona-Patienten haben sich laut einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) während der Pandemie verändert. Das sogenannte Symptomprofil sei bei der Omikron-Variante BA.5 zunehmend "grippeähnlicher" geworden und habe sich dem anderer Atemwegserkrankungen angenähert, schreiben die Autor:innen im "Deutschen Ärzteblatt".

Für Hausärzt:innen werde es daher zunehmend wichtiger, ihre Patient:innen auf Corona und Influenza zu testen, um sie richtig therapieren zu können. Über alle Varianten hinweg waren der Analyse zufolge Husten und Schnupfen die am häufigsten übermittelten Symptome. Während der Omikron-Welle nahm jedoch der Anteil der Patient:innen mit Halsschmerzen deutlich zu. Das Symptom lag dann mit 48 Prozent auf Platz drei. Beim Wildtyp und bei der Delta-Welle war dieser Wert bei 27 und 26 Prozent gelegen. Der Anteil von Fieber war bei allen Varianten bei Kindern unter fünf Jahren deutlich am höchsten und nahm mit zunehmendem Alter stetig ab.

Ein typisches Symptom aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie ist hingegen seltener geworden: In der vom Wildtyp dominierten Phase registrierte das RKI noch bei 23 Prozent der übermittelten Fälle Geschmacksverlust, in der Delta-Welle lag der Anteil fast gleich bei 24 Prozent. Während der vom Omikron-Typ BA.5 dominierten Phase sank er auf 11 Prozent.
Für ihre Analyse untersuchten die Expert:innen die von den Gesundheitsämtern an das RKI übermittelten Daten von PCR-positiven Fällen. Sie betrachteten die Fälle mit mindestens einem übermittelten Symptom in jenen Phasen, in denen eine Corona-Variante mehr als 80 Prozent der sequenzierten Stämme ausmachte. Es sei unklar, ob das veränderte Symptomprofil auf veränderte Viruseigenschaften, auf die zunehmende Immunität in der Bevölkerung oder auf beides zurückzuführen sei, schreiben sie. (APA/dpa)

Protein LRRC15: Rätsel um Corona-Immunität könnte gelöst sein

Das Rätsel, warum manche Menschen nicht an Covid-19 erkranken, könnte gelöst sein. Einem Forscherteam der Universität Sydney ist es gelungen, den Stoff zu identifizieren, der offenbar SARS-CoV-2 in der Lunge bindet und die antivirale Abwehr im Körper stärkt, ein Protein namens LRRC15. Auf dieser Grundlage könnten in Zukunft wirksame Medikamente entwickelt werden.

Die australischen Forscher um Prof. Greg Neely identifizierten das Eiweiß mithilfe der Genschere CRISPR. Damit überprüften sie, welche Gene dafür sorgen, dass sich das Spike-Protein des Coronavirus an den menschlichen Körper binden kann. Dabei fanden sie in der Lunge das Protein LRRC15, das wie ein molekularer Klettverschluss an SARS-CoV-2 haftet und es damit ineffektiv macht. Das Eiweiß befindet sich nur in Lungen von Personen, die an Covid-19 oder anderen Krankheiten gestorben sind, nicht aber bei Menschen, die keine viralen Infektionen hatten.

Es stellt sich die Frage, warum Patienten trotz Vorhandensein von LRRC15 an Covid-19 gestorben sind. Die Forscher vermuten, dass diese nicht genug von dem Protein produziert haben oder dass es zu spät produziert wurde. Im Gegenzug wäre festzustellen, wie hoch der LRRC15-Spiegel bei Patienten ist, die Covid-19 überlebt haben. Dies ist jedoch nicht möglich, da eine Lungenbiopsie bei lebenden Menschen nicht durchzuführen ist. Allerdings gehen die Forscher davon aus, dass Überlebende mehr von diesem Protein gebildet haben als jene, die an Covid gestorben sind. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass höhere LRRC15-Spiegel dazu führen würden, dass Menschen weniger schwer erkranken“, so Neely.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen könnten in Zukunft auf Basis von LRRC15 neue wirksame Medikamente entwickelt werden, die eine Virusinfektion blockieren. Dazu müssen aber noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in “PLOS Biology“ veröffentlicht (https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.3001967). (red)

Abwassertests: 14-Tage-Vorwarnzeit für Intensivmedizin

Die Überwachung von Abwässern auf die Konzentration von SARS-CoV-2 gibt den Krankenhäusern bei einer Covid-19-Welle zumindest eine mehr als einwöchige Vorwarnzeit. Für die Intensivstationen beträgt sie etwa doppelt so lange. Das haben österreichische Wissenschafter:innen in einer bundesweiten Studie belegen können.

"Abwasser-basierte Epidemiologie wird in Österreich seit April 2020 verwendet, um die Entwicklung der SARS-CoV-2-Pandemie zu überwachen. Das erfolgt mit einer ständig wachsenden Anzahl von Kläranlagen. Bis zum August 2022 waren bereits 123 solcher Anlagen beteiligt. Dies deckte rund 70 Prozent der (österreichischen; Anm.) Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen ab", schrieben jetzt Wolfgang Rauch vom Arbeitsbereich für Umwelttechnik der Universität Innsbruck und seine Co-Autor:innen in "Science of The Total Environment" (https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.162149).

Zu der Arbeit haben an dem österreichischen Projekt der Abwasser-Epidemiologie rund um Covid-19 beteiligte Institutionen und Forschungseinrichtungen aus praktisch ganz Österreich (Wien, Innsbruck, Klagenfurt, Graz, Bregenz) beigetragen. Für die Studie wurden die SARS-CoV-Konzentrationen in unbehandelten kommunalen Abwässern mit den kurzfristig eintretenden Belagszahlen in den österreichischen Spitälern korreliert.

"Der zeitliche Vorlauf der auf Abwässern basierenden Epidemiologie (zu Covid-19; Anm.) zum Belag der Spitäler erlaubt das Erstellen von Prognosemodellen", schrieben die Experten. Und so sieht die Genauigkeit der Modelle der Umwelttechniker aus: "Die Resultate zeigen ein Vorhersagepotenzial der Virusbelastung im Abwasser bezüglich des Krankenhausbelags (mit Covid-19-Patienten; Anm.), wobei der durchschnittliche Vorlauf für die Auslastung von Normalstationen zwischen 8,6 und 11,6 Tagen beträgt, für die Betten auf Intensivstationen 14,8 bis 17,7 Tage."

Damit, so die Wissenschafter:innen, könnte man in Zukunft die Inanspruchnahme des öffentlichen Gesundheitswesens relativ kurzfristig vorhersagen. Die Genauigkeit wächst mit der flächenmäßigen Verbreitung eines solchen Systems. "Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der Vorhersagegenauigkeit mit der wachsenden Anzahl an Abwasseranlagen, welche überwacht wurden", stellten die Fachleute fest. Das System könne aber auch – quasi "lernend" – an das Auftauchen von neuen Virusvarianten und die Entwicklung der Immunität in der Bevölkerung durch überstandene Erkrankungen und/oder Impfungen angepasst werden. (APA)

Rauch will Abwassermonitoring als "Wachtürme" erhalten

Obwohl mit 30. Juni die letzten Corona-Maßnahmen Geschichte sein werden, hält Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vorerst am Covid-Abwassermonitoring fest. "Das sind wichtige Wachtürme, um die Coronazahlen im Blick zu behalten", sagte Rauch am Montag, 13.2., bei einer Pressekonferenz in der Nationalen Referenzzentrale für Covid-Abwassermonitoring in Innsbruck. Das Monitoring, das sich seit Anfang 2023 aus 48 bundesweiten Kläranlagen bedient, sei bis 2025 ausfinanziert.

Es schlage mit jährlich rund zwei Millionen Euro zu Buche, strich der Minister hervor. Diese Ausgaben seien auch mit Pandemieende gerechtfertigt: "Es ist und bleibt für uns ein wichtiges Sicherheitsnetz." Vor Beginn des Jahres hatte man noch auf 24 Kläranlagen zurückgegriffen. Grenzwerte für eine etwaige Wiederaufnahme von Corona-Maßnahmen wird es laut Rauch nicht geben: "Wir wollen aber wissen, welche Entwicklung im Gange ist und ob es neue Viren-Varianten gibt."

Das betonte auch Herbert Oberacher, wissenschaftlicher Leiter des Projektes am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizin-Uni Innsbruck. "Wir sehen uns in unseren Laboren die Gesamtbelastung genauso an wie die Mutationen und Veränderungen", sagte er. Die daraus resultierenden Ergebnisse und Berichte würden dann schließlich an Corona-Kommissionen weitergegeben und werden weiterhin auf Länder- und Bundesebene auf Dashboards sichtbar gemacht, so Oberacher.

In Innsbruck leiste man jedenfalls bereits seit der ersten Hälfte des Jahres 2020 Pionierarbeit, betonte Martin Steinlechner, interimistischer Direktor des Institutes für Gerichtliche Medizin der Medizin-Uni Innsbruck. Bereits damals habe man SARS-CoV-2 im Abwasser nachweisen können, seither hätten sich Methoden zudem noch erheblich verfeinert. "Mittlerweile beschäftigen wir 70 Mitarbeiter", betonte er.

Die Methodik selbst demonstrierten schließlich Oberacher und Steinlechner bei einem Rundgang durch die Labore. "Ausgangspunkt ist das Abwasser der Kläranlagen, das in gekühlten Probeboxen in Halbliter-Behältnissen zu uns kommt", erläuterte Oberacher. Daraus würden dann nach mehreren Prozessen "wenige 100 Mikroliter", bei denen man eine "PCR-Reaktion" durchführe. Die Auswertung der Proben gehen laut Steinlechner rasch: "Wir schaffen 36 Proben in zehn Minuten." (APA)

Prognose rechnet mit mehr Infektionen und mehr Patienten

Das Covid-Prognosekonsortium geht in seinem Mittwochs-Update (15.2.) weiterhin von einem Anstieg bei den Corona-Neuinfektionen aus. Die gemeldeten Infektionszahlen im EMS sowie Daten aus dem Abwassermonitoring bestätigen den Aufwärtstrend im Infektionsgeschehen. Auch die Zahl der infizierten Patient:innen auf Normalstationen wird demnach weiter ansteigen. Auf den Intensivstationen rechnen die Experten mit einem annähernd gleichbleibenden Bettenbelag.

Im Bereich der Normalpflege wird in zwei Wochen am 1. März österreichweit ein Belagsstand von 854 bis 1.379 belegten Betten erwartet, mit einem Mittelwert von 1.085 Betten. Am Dienstag (14.2.) mussten 914 Infizierte auf Normalstationen in Spitälern behandelt werden. Innerhalb einer Woche war die Zahl um 27 Prozent bzw. 192 Patient:innen gestiegen. Auf Intensivstationen lagen 42 Schwerkranke, hier werden in zwei Wochen zwischen 33 und 67 Patient:innen erwartet, der Mittelwert liegt bei 47 Schwerkranken.

"Die letzten Tage hatten wir wieder vermehrt Covid-19-Aufnahmen im Krankenhaus. Der Anstieg war erwartet und wird vermutlich nur eine kleine Welle sein", schrieb auch Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf und Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Lungenforschung und pneumologische Onkologie am Mittwoch auf Twitter. Problematisch sei jedoch das fehlende Bewusstsein für Corona. Viele Patient:innen seien verdutzt, weil Covid-19 "gibt es ja nicht mehr", konstatierte der Lungenfacharzt. (APA)

Weitere Schutzmaßnahmen sollen in Deutschland im März enden

In Deutschland sollen weitere Corona-Schutzvorgaben vorzeitig zum 1. März auslaufen. Die Gesundheitsminister:innen vereinbarten am Dienstag, 14.2., ein früheres Ende der eigentlich bis 7. April festgelegten Masken- und Testpflichten für Beschäftigte und Bewohner:innen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Das teilte das deutsche Gesundheitsministerium mit. Für Besuche in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen soll demnach aber auch noch weiterhin Maskenpflicht gelten.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, unter dem Strich sei die Infektionslage seit Wochen stabil. Die Krankenhäuser könnten Corona-Kranke gut versorgen. Nur beim Besuch medizinischer Einrichtungen gelte es nach wie vor, vorsichtig zu sein. Wer Patient:innen oder Heimbewohner:innen besuche und Arzttermine wahrnehme, müsse weiterhin Maske tragen. "Das sollte uns der Schutz vulnerabler Gruppen wert sein." Lauterbach betonte: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Aber die Pandemie hat ihren Schrecken verloren. Das Virus ist im Alltag beherrschbar. Und daraus ziehen wir Konsequenzen."

Zur Vorbereitung auf eine möglicherweise kritischere Pandemielage in diesem Winter waren mehrere deutschlandweite Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben worden. Zuletzt war Anfang Februar bereits die Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen vorzeitig ausgesetzt worden. Im Nahverkehr gelten nach entsprechenden Regelungen der Länder ebenfalls keine Maskenpflichten mehr. Nach und nach hatten die deutschen Bundesländer auch die Isolationspflicht für Corona-Infizierte auslaufen lassen. (APA/dpa)