12. Okt. 2022

Immunologie und Covid-19; Wirksamkeit von Paxlovid

+++ Immunologie und Covid-19 – Mögliche Rückkehr der Maskenpflicht – Corona-Pandemie als Booster für Vakzinologie – Unabhängiges deutsches Institut: Paxlovid wirksam – Corona-Fälle in den Krankenhäusern weiter im Steigen +++

Coronavirus Warnung
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Immunologie und Covid-19

In der Covid-19-Pandemie hat sich das öffentliche Interesse sehr auf die Impfstoffentwicklung und auf gegen SARS-CoV-2 wirksame Arzneimittel konzentriert. Bei weitem nicht so große Aufmerksamkeit bekam eine Forschungsarbeit von Schweizer Wissenschaftern, die immunologische Charakteristika entdeckten, welche einen schweren Krankheitsverlauf vorhersagen können, zeigte sich am Wochenende in einem Vortrag beim Dreiländer-Onkologenkongress in Wien.

Neben zahlreichen anderen vorgestellten Arbeiten aus der translationalen Forschung präsentierte die deutsche Expertin Anna Lena Illert (Universitätsklinik Freiburg im Breisgau) in einem Übersichtsvortrag Erkenntnisse, mit denen man offenbar sehr gut Hochrisikopatienten mit Covid-19 identifizieren kann. Stefanie Kreutmair vom Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich und ihre Co-Autoren haben in "Immunity" eine Studie veröffentlicht, in der die Charakteristika von Immunbotenstoffen und Abwehrzellen zwischen Personen mit schwerer Covid-19-Pneumonie, von Gesunden und von Patienten mit Lungenentzündungen anderer Ursache verglichen wurden.

Das Ergebnis: Menschen mit Störungen des angeborenen Immunsystems und damit einer schlechten Fähigkeit, in den Körper eingedrungene Viren zu erkennen, sind durch einen schweren Covid-19-Verlauf besonders gefährdet. T-Lymphozyten mit Zeichen einer Funktionsschwäche und eine verringerte Abwehrreaktion auf Viren sind offenbar Vorhersageparameter für eine Covid-19-Pneumonie mit hohem Risiko.

Die Wissenschafter haben dafür auch einen Marker im Blut identifiziert: T-Lymphozyten, welche an ihrer Oberfläche das CD56-Protein aufweisen. Machte diese Zellpopulation mehr als 2,3 Prozent der T-Zellen aus, zeigte sich eine Sensitivität für einen schweren Krankheitsverlauf von hundert Prozent. Die Spezifität lag dann ebenfalls bei hundert Prozent (keine CD56-positiven T-Zellen, keine schwere Pneumonie). (APA)

Mögliche Rückkehr der Maskenpflicht

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen bleibt hoch, über ein Comeback der "Maskenpflicht" wird spekuliert. Bis spätestens 23. Oktober will das Gesundheitsministerium eine Entscheidung treffen, hieß es am Montag, 10.10., gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Die Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (Gecko) hatte per Aussendung vom Freitag empfohlen, wieder vermehrt FFP2-Masken zu tragen, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Innenräumen.

Man werde die Entwicklung in den kommenden Tagen genau analysieren, so das Ministerium laut Mittagsjournal. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hat auf Puls24 angekündigt, dass die Maskenpflicht in Innenräumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und auch im Lebensmittelhandel zurückkommen wird.

Virologe und Gecko-Mitglied Andreas Bergthaler meinte, das Tragen einer Maske sei das gelindeste Mittel, "um zu verhindern, dass die Spitäler wieder überlastet werden". Dagegen sprach sich am Montag der Handelsverband gegen erneute Einführung einer Maskenpflicht im Lebensmittelhandel aus - auch aus wirtschaftlichen Überlegungen. Man kämpfe mit Personalmangel. "Die Einführung einer Maskenpflicht würde bei vielen Mitarbeitenden das Fass zum Überlaufen bringen", argumentierte Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Studien würden belegen, der Handel sei kein Corona-Hotspot.

Die Gecko-Taskforce rät unterdessen auch, das Corona-Testangebot in Anspruch zu nehmen. Zudem betont die Gecko-Kommission, die zu Beginn dieser Woche tagte, erneut die Wichtigkeit der Corona-Schutzimpfung und der Covid-19-Medikamente: "Beide leisten einen wesentlichen Beitrag zum Schutz vor schweren Krankheitsverläufen."

Das Infektionsgeschehen in Österreich bleibt zu 93 Prozent von der Omikron-Subvariante BA.5 dominiert (laut AGES/IMBA Surveillance und Abwassersequenzierungen). Im Abwasser finden sich zudem die Virusvarianten BA.4 und BA.2. Auch die Subvariante BA.2.75 lässt sich in mehreren Kläranlagen in Österreich nachweisen, informierte die Taskforce. In den Einzelfallanalysen von AGES/IMBA betrug der Anteil von BA.2.75 zuletzt 1,16 Prozent der ausgewerteten Einzelfälle. Andere Omikron-Subvarianten treten sporadisch auf. (APA/red)

Corona-Pandemie als Booster für Vakzinologie

Die Covid-19-Pandemie sorgt als Nebeneffekt für einen sprichwörtlichen Booster in der Wissenschaft rund um Impfungen. Ein europäisches Forschungsteam mit Beteiligung aus Wien untersucht die Wirksamkeit der Covid-19-mRNA-Vakzine bei über 75-Jährigen. Pfizer startet die klinischen Studien für einen mRNA-Impfstoff gegen die saisonale Influenza und hat einen Impfstoff für umfassenden Schutz gegen invasive Meningokokken-Erkrankungen im Köcher.

Die Covid-19-Vakzine können schwere Erkrankungen verhindern. Nach wie vor ist aber nicht ganz klar, wie oft zum Beispiel betagte Menschen in Zukunft geimpft werden müssen. Sie zeigen häufig eine geringere und kürzer Immunantwort auf die Impfung. Es stellt sich auch die Frage, ob es in diesen Altersgruppen noch zur Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses für einen Langzeitschutz kommt.

"In der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie ist hohes Alter ein Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe einer SARS-CoV-2-Infektion. Ältere Menschen könnten also besonders von Booster-Impfungen mit wirksamen Impfstoffen profitieren. Die Wissenschaft sollte sich mit den optimalen Impfstrategien beschäftigen", schrieben jetzt Oliver Cornely (Zentrum für Klinische Studien der Universität Köln) und die federführenden Proponenten der gestarteten EU-COVAT-1-AGED-Studie. Unter ihnen befindet sich auch Franz König vom Institut für Medizinische Statistik der MedUni Wien.

In der wissenschaftlichen Untersuchung werden unterschiedliche Booster-Strategien bei einer Gruppe von 600 über 75-Jährigen untersucht. Zunächst war das für die dritte Teilimpfung gegen Covid-19 vorgesehen. Jetzt kommt der vierte Stich als zweiter Booster hinzu. Per Zufall erhalten die Teilnehmer entweder den mRNA-Impfstoff von Moderna oder jenen von Pfizer/BioNTech. Analysiert werden sollen die Immunogenität und die Sicherheit der Vakzine gegen die verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten. Als primäres Kriterium wird zumindest eine Verdoppelung der Antikörper-Konzentration gegen SARS-CoV-2 zwei Wochen nach der Impfung verwendet. Die Probanden werden aber ein Jahr lang regelmäßig untersucht werden. Zusätzlich wird neben den Antikörpern auch die Funktion der T-Lymphozyten untersucht. "Die Studienergebnisse haben das Potenzial, die Impfstrategie gegen Covid-19 in dieser Hochrisikogruppe zu verbessern", schrieben die Wissenschafter in "Trials" (doi: 10.1186/s13063-022-06791-y).

Die mRNA-Technologie dürfte jedenfalls in Zukunft neben Covid-19 und der Krebsimmuntherapie auch eine Rolle mit Vakzinen gegen die Influenza spielen. Der US-Pharmakonzern Pfizer hat vor kurzem in den USA eine große Wirksamkeitsstudie mit 25.000 Probanden im Alter von über 18 Jahren mit einem ursprünglich von BioNTech entwickelten Grippeimpfstoff gestartet. Er soll gegen vier Influenzastämme (zwei Influenza A- und zwei Influenza B-Varianten) wirken. Der in Entwicklung befindliche Impfstoff wird die mRNA enthalten, die den von der Weltgesundheitsorganisation für die Influenzasaison 2022/2023 empfohlenen Antigenen entspricht.

Außerdem könnte in absehbarer Zeit eine neue Vakzine von Pfizer gegen potenziell lebensgefährliche Meningokokken-Infektionen in die Zulassungsverfahren durch die Arzneimittelbehörden kommen. Hier wäre eine Weiterentwicklung der Impfstoffe wichtig. Laut AGES stehen derzeit in Österreich Impfungen gegen Meningokokken der Serogruppe B, der Serogruppe C bzw. eine kombinierte Impfung gegen Meningokokken der Gruppen A, C, W und Y zur Verfügung. Hier hat Pfizer vor kurzem eine große Wirksamkeitsstudie mit einem Fünffach-Meningokokken-Impfstoff abgeschlossen, der alle diese Erregervarianten umfasst (ABCWY). Die 2.431 Probanden im Alter zwischen zehn und 25 Jahren erhielten im Rahmen der Untersuchung entweder zwei Dosen herkömmlicher Vakzine (gegen die Stämme B und daneben jene gegen ACWY) oder zwei Dosen des Fünffach-Impfstoffes. Laut dem Konzern entsprachen die Immunogenität und die Nebenwirkungsraten der Fünffach-Vakzine jener der bisher vorhandenen Impfstoffe. Pfizer will bereits in den kommenden Wochen bei der US-Arzneimittelbehörde FDA einen Zulassungsantrag stellen. (APA/red)

Unabhängiges deutsches Institut: Paxlovid wirksam

In Österreich erhalten laut Experten viel zu wenige SARS-CoV-2-Infizierte eine frühe Behandlung mit Paxlovid, um schwere Covid-19-Krankheitsverläufe zu verhindern. Das entspricht nicht der wissenschaftlichen Evidenz. Vor wenigen Tagen hat das unabhängige deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG/Berlin) dem Arzneimittel "erheblichen Zusatznutzen" zugestanden.

Das deutsche IQWiG wurde 2004 auf gesetzlicher Grundlage gegründet. Es handelt sich um eine unabhängige Stiftung. Finanziert werden die Beurteilungen von neuen Therapien und Medikamenten auf Effekt und Wirtschaftlichkeit durch die gesetzliche deutsche Krankenversicherung. Dementsprechendes Gewicht haben die Bewertungen der Institution. Jetzt liegt die Nutzenbewertung für Paxlovid vor.

"Die Kombination der Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir (Paxlovid; Anm.) ist seit Jänner 2022 zugelassen zur Behandlung von Covid-19 bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob die als Paxlovid bekannte Substanz diesen besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie 'Therapie nach ärztlicher Maßgabe' bietet. Danach sinkt durch die Einnahme der Wirkstoff-Kombination das Risiko, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln, intensivmedizinisch betreut zu werden oder sogar an Covid-19 zu versterben", teilte das IQWiG mit.

Die Bewertung basierte auf vom US-Pharmakonzern Pfizer übermittelten Daten aus der sogenannten EPIC-HR Studie. In sie waren nicht hospitalisierte, symptomatische Patienten in der Frühphase von Covid-19 aufgenommen worden, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf hatten. "Als Risikofaktoren dafür galten: Übergewicht, ein Alter von mehr als 60 Jahren, die Einnahme von immunschwächenden Medikamenten, Zigarettenkonsum oder das Vorliegen von spezifischen Vorerkrankungen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus (Typ 1 oder 2) oder chronische Lungenerkrankungen", schrieb das Institut in seiner Zusammenfassung.

Insgesamt handelte es sich bei den Probanden um 1.908 Personen, von denen 944 mit Nirmatrelvir/Ritonavir, 964 der Studienpatienten erhielten hingegen ein Placebo. Fazit: "Im Interventionsarm (Paxlovid-Gruppe) der Studie war 28 Tage nach Symptombeginn niemand verstorben, im Vergleichsarm gab es hingegen 15 Todesfälle (1,6 Prozent der Patienten). Auch die Zahl der schweren Covid-19-Verläufe war bei Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir deutlich geringer: Zehn (1,1%) schweren Covid-19-Verläufen im Interventionsarm stehen hier 60 (6,2%) im Vergleichsarm gegenüber. Intensivmedizinisch betreut werden musste in der Nirmatrelvir/Ritonavir-Gruppe kein Patient, in der Placebo-Gruppe waren es neun (0,9%)." Zu einer Linderung der Symptome kam es bei einer Therapie mit Nirmatrelvir/Ritonavir nach durchschnittlich 16 Tagen, ohne Paxlovid erst nach 20 Tagen.

"In der Gesamtschau sieht das IQWiG für Erwachsene mit Covid-19, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln, einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen von Nirmatrelvir/Ritonavir gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie 'Therapie nach ärztlicher Maßgabe'", stellte das Institut fest.

"Bei ungeimpften Covid-19-Risikopatienten, die erst seit wenigen Tagen symptomatisch und noch nicht schwer erkrankt sind, hatte Paxlovid in der Studie eine vielversprechende Wirkung", wurde der Leiter der Nutzenbewertung, Jürgen Windeler, zu den Ergebnissen in einer Aussendung des Instituts zitiert. Es gibt aber auch Einschränkungen: Weil alle Probanden ungeimpft waren, ist nicht bekannt, wie sich Paxlovid im Falle einer Erkrankung von bereits Immunisierten bewährt und wie groß der Nutzen dann ist. Auf der anderen Seite waren keine Personen in die Studie aufgenommen worden, die zum Beispiel sehr schwere und komplexe Vorerkrankungen bzw. Risikosituationen aufwiesen. Schließlich muss eine Paxlovid-Behandlung so bald wie möglich nach einer Infektion und unter Berücksichtigung potenzieller Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erfolgen. (APA)

Corona-Fälle in den Krankenhäusern weiter im Steigen

Die derzeitige Corona-Pandemie-Welle lässt die Zahl der Spitalspatienten mit einer Infektion weiter ansteigen. Innerhalb von 24 Stunden kamen wieder 45 Personen hinzu. Derzeit (12.10.) liegen laut Behörden 2.593 Menschen mit SARS-CoV-2 im Krankenhaus, davon 130 auf der Intensivstation. Diese Zahl blieb innerhalb eines Tages gleich, stieg aber innerhalb einer Woche um 50 Patienten an. Laut Prognose könnte bis Ende Oktober ein vorläufiger Höhepunkt erreicht sein.

Innerhalb von 24 Stunden wurden 17.848 neue Infektionen registriert. Das liegt über dem Schnitt der vergangenen sieben Tage mit 13.766 Neuansteckungen. Verglichen mit dem Mittwoch vor einer Woche ist der Wert ziemlich ähnlich, da waren es 17.882 neue Fälle innerhalb eines Tages. Allerdings waren am Mittwoch erneut viele Tote zu beklagen, innerhalb von 24 Stunden gab es 23 Todesfälle.

Die Sieben-Tage-Inzidenz fiel leicht von 1.067,5 auf 1.067,4 Fälle pro 100.000 Einwohner. Das Bundesland mit der höchsten Sieben-Tage-Inzidenz ist derzeit Oberösterreich mit 1.225,9, gefolgt von Tirol, Kärnten und Salzburg (1.188, 1.149,5 bzw. 1.143,9). Danach kommen Niederösterreich (1.074,7), das Burgenland (1.038,6), die Steiermark (1.015,9), Wien (920,2) und Vorarlberg (883,9). Derzeit gibt es in Österreich 144.174 aktive Fälle, um 7.286 mehr als am Tag zuvor.

20.460 Impfungen sind am Dienstag durchgeführt worden, davon waren die meisten – nämlich 18.689 – Auffrischungsimpfungen (4., 5. und jede weitere Impfdosis). 5.257.664 Menschen und somit 58,2 Prozent der Österreicher sind gemäß Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) gültig geimpft. Insgesamt haben bisher 866.706 Personen eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Am höchsten ist die Schutzrate im Burgenland mit 65,9 Prozent. In Niederösterreich haben 61,6 Prozent der Bevölkerung eine Grundimmunisierung, in der Steiermark 59,7 Prozent. Nach Wien (56,5), Kärnten (55,7), Tirol (55,7), Vorarlberg (55,4) und Salzburg (54,7) bildet Oberösterreich das Schlusslicht mit 54,1 Prozent.

Seit Pandemiebeginn hat es in Österreich bereits 5.292.125 bestätigte Fälle gegeben. Genesen sind seit Ausbruch der Epidemie 5.127.071 Personen. (APA)