12. Jän. 2022Covid-19 Update 12.01.2022

Kreuzimmunität mit „normalen“ Coronaviren schützt; Frühwarnsystem für Hochrisikovarianten entwickelt

+++ Covid-Prognose: Demnächst drohen bis zu 30.000 Neuinfektionen pro Tag – Kreuzimmunität mit "normalen" Coronaviren schützt – Omikron: Biontech und Pfizer produzieren angepassten Impfstoff – Biontech und InstaDeep haben Frühwarnsystem für Hochrisikovarianten entwickelt – Keine verfrühte Entwarnung für Intensivstationen – Jüngere fühlen sich in der Pandemie zu wenig angesprochen +++

Coronavirus Warnung
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Covid-Prognose: Demnächst drohen bis zu 30.000 Neuinfektionen pro Tag

Der bisherige Rekordwert von 17.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, der am Mittwoch, 12.1., in Österreich verzeichnet wurde, dürfte in den kommenden Tagen pulverisiert werden. Davon ist das Covid-Prognosekonsortium überzeugt. Die Experten gehen in ihrer aktuellen Einschätzung davon aus, dass demnächst bis zu 30.000 neue Fälle pro Tag erreicht werden könnten.

Wahrscheinlich werden spätestens zu Beginn der kommenden Wochen die täglichen Fallzahlen über der Grenze von 20.000 zu liegen kommen. Am 19. Jänner werden sie mit ziemlicher Sicherheit darüber liegen. Als Mittelwert werden vom Prognosekonsortium für kommenden Mittwoch 24.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden angenommen, als Obergrenze scheinen in der Prognose sogar 32.000 neue Fälle auf. Das würde beinahe einer Verdoppelung der Fallzahlen innerhalb einer Woche entsprechen. Mit seiner bisher letzten Berechnung hatte das Konsortium in der Vorwoche fast punktgenau das errechnete oberste Limit – eben die nunmehr erreichten 17.000 – getroffen. Österreichweit ist für 19. Jänner von einer Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 1.500 und 2.500 auszugehen, gegenwärtig hält man bei 835,8. Die Omikron-Variante, die in Wien bereits mehr als 95 Prozent der nachgewiesenen Corona-Fälle ausmacht, wird in ganz Österreich die Delta-Mutation des Coronavirus verdrängen bzw. ganz ablösen. Auch bezogen auf das ganze Land dominiert sie jetzt schon das Virusgeschehen. Neun von zehn Infektionen gehen auf die Kappe der hochinfektiösen Variante. Da Omikron bisher zu weniger Hospitalisierungen führt, "fallen die Prognosen des Spitalsbelags aufgrund der reduzierten Virulenz vergleichsweise niedriger aus, als dies bei vorangegangenen Wellen und vergleichbaren Fallzahlen der Fall war", hält das Prognosekonsortium fest. Zurückgeführt wird das von den Experten auf einen Rückgang der Virulenz der Omikron-Variante gegenüber der Delta-Variante um 80 Prozent sowie den Umstand, dass sich vor allem auch doppelt geimpfte sowie jüngere Personen infizieren.
Das bedeutet für die Spitäler, dass bis kommenden Mittwoch auf den Covid-Stationen zunächst mit keinem weiteren Anstieg zu rechnen ist. Das wird sich allerdings bis Ende des Monats ändern, falls die Experten des Prognosekonsortiums – einmal mehr – recht behalten. Demnach ist auf den Normalstationen am 19. Jänner von 650 bis zu 900 Patienten mit Covid-19 auszugehen, auf den Intensivstationen von 200 bis 250. Derzeit werden 242 Covid-Patienten intensivmedizinisch betreut und 667 auf Normalstationen.
Gegen Ende Jänner hin sollten die Spitalszahlen dann wieder in die Höhe gehen. Das Konsortium hat berechnet, dass in zwei Wochen wieder bis zu 330 schwere Covid-Fälle intensivmedizinischen Betreuungsbedarf haben könnten. Auf den Normalstationen ist ein Anstieg auf 830 Covid-Patienten so gut wie sicher, schlimmstenfalls könnten es auch 1.500 sein. (APA)

Kreuzimmunität mit "normalen" Coronaviren schützt

Immer wieder fällt auf, dass in von SARS-CoV-2 "heimgesuchten" Familien oder Partnerschaften manche Personen partout nicht krank werden. Britische Wissenschafter haben jetzt den Laborbeweis für die wahrscheinlichste Ursache gefunden: eine Kreuzimmunität der anhaltend "Pumperlgesunden" mit den Covid-19-Erregern durch eine zuvor durchgestandene Infektion mit "normalen" Coronaviren. Die Forschungsergebnisse könnten auch Auswirkungen für die künftige Impfstoffentwicklung haben.

Offenbar scheinen bei dieser Kreuzimmunität T-Zellen eine wichtige Rolle zu spielen, die sich als Reaktion auf eine Infektion mit humanen Corona-Erkältungsviren (huCoVs) gebildet haben. Seit langer Zeit kursieren in der Menschheit zumindest vier Coronavirus-Arten als Erreger saisonaler banaler Erkältungen.

Die Hypothese ist nicht neu. Allerdings fehlte es bisher an überzeugender Evidenz, die jetzt von Wissenschaftern um Rhia Kundu vom Imperial College London geliefert wurde, hieß es am Dienstag, 11.1., in der deutschen Pharmazeutischen Zeitung online. Die Forscher haben ihre Ergebnisse am Montag, 10.1., in "Nature Communications" (DOI: 10.1038/s41467-021-27674-x) veröffentlicht. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass kreuzreaktive Gedächtnis-T-Zellen Personen ohne vorherigen Kontakt mit SARS-CoV-d vor einer solchen Infektion schützen", schrieben die Experten in ihrer Zusammenfassung.

Die Wissenschafter hatten seit September 2020, als in England noch sehr wenig Menschen an Covid-19 erkrankt waren, 52 Personen untersucht, die nachweislich Kontakt zu SARS-CoV-2-infizierten Personen gehabt hatten, von denen sich aber nur die Hälfte nicht infiziert hatten. Das wurde per PCR-Test nachgewiesen.

Der nächste Schritt: In den Blutproben dieser Probanden charakterisierten die Forscher dann T-Zellen, deren Bildung durch einen früheren Kontakt mit einem harmlosen Corona-Erkältungsvirus angestoßen worden war. Sie überprüften, ob diese T-Zellen auch auf SARS-CoV-2 reagierten.

Bei Probanden, die sich nicht infiziert hatten, wurden jedenfalls kreuzreaktive T-Zellen aus überstandenen huCoV-Infektionen in deutlich höherer Konzentration festgestellt als bei den 26 Personen, die sich infiziert hatten. Der Clou: Diese T-Zellen reagierten spezifisch vor allem auf Proteine aus dem Inneren der SARS-CoV-2 bzw. banalen Coronaviren: auf das Protein, welches die Kapsel um die Erbsubstanz (Nukleokapsid-Protein) bildet, auf das Membran- bzw. Hülllenprotein und auf das ORF1-Eiweiß. Bezüglich der T-Zellspezifität gegen das Spike-Protein (S-Protein), das als Antigen für die meisten derzeit verwendeten Covid-19-Impfstoffe dient, unterschieden sich die Gruppen der Infizierten und der Nicht-Infizierten nicht.

Ajit Lalvani, der Seniorautor der Studie und Direktor der NIHR Respiratory Infections Health Protection Research Unit am Imperial College in London, wurde in einer Presseaussendung der Forschungseinrichtung so zitiert: "Unsere Sudie liefert den bisher deutlichsten Beweis dafür, dass T-Zellen, die durch Erkältungs-Coronaviren hervorgerufen werden, eine schützende Funktion gegen eine SARS-CoV-2-Infektion besitzen. Diese T-Zellen bieten Schutz, indem sie Proteine im Inneren des Virus angreifen und nicht das Spike-Protein auf der Virusoberfläche." Doch auch die T-Zell-Antwort sei nur ein Teil des immunologischen Schutzes. Deshalb müsse weiterhin die bisher verfügbare Impfung mit den drei Teilimpfungen bzw. Auffrischungsimpfungen propagiert werden, betonte der Experte.

Die wissenschaftliche Studie bereitet aber auch den Weg für die Entwicklung breiter wirkender SARS-CoV-2-Vakzine. Sie sollten nicht nur Antikörper und eine T-Zell-Antwort gegen das Spike-Protein auslösen, sondern auch zu einer Immunantwort mit Antikörpern und T-Zellen gegen die anderen SARS-CoV-2-Proteine führen.

Lalvani: "Das Spike-Protein steht unter starkem Selektionsdruck durch impfstoffinduzierte Antikörper, was die Entwicklung von Impfstoff-Fluchtmutanten vorantreibt. Im Gegensatz dazu mutieren die internen Proteine, gegen welche die von uns identifizierten schützenden T-Zellen gerichtet sind, viel weniger. Folglich sind sie zwischen den verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten, einschließlich Omikron, sehr konserviert. Neue Impfstoffe, die diese konservierten Proteine aus dem Inneren des Virus enthalten, würden daher eine breit angelegte schützende T-Zell-Antwort auslösen, die vor aktuellen und zukünftigen SARS-CoV-2-Varianten schützen sollte." (APA)

Omikron: Biontech und Pfizer produzieren angepassten Impfstoff

Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer haben mit der Produktion eines an die Omikron-Variante angepassten Corona-Impfstoffs für eine spätere kommerzielle Nutzung begonnen. Das teilte Biontech-Chef Ugur Sahin am Dienstag, 11.1., auf einer Gesundheitskonferenz der US-Bank J.P. Morgan mit. Ende Jänner werde eine klinische Studie zu dem Impfstoff beginnen.

"Wir gehen davon aus, dass wir bis März für eine Belieferung des Marktes bereit sind, wenn die behördlichen Genehmigungen vorliegen." Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat bisher noch nicht erklärt, ob sie einen an Omikron angepassten Impfstoff mit einer anderen Zusammensetzung als bei dem derzeit verwendeten Vakzin für notwendig hält.

Für das Jahr 2022 gehen Biontech und Pfizer von einer Produktionskapazität von bis zu vier Milliarden Impfstoff-Dosen weltweit aus. "Wir erwarten, dass auch im Jahr 2022 eine starke Nachfrage nach unserem Impfstoff besteht", sagte Sahin in seinem Online-Auftritt. (APA/dpa)

Biontech und InstaDeep haben Frühwarnsystem für Hochrisikovarianten entwickelt

Biontech hat mit der britischen Firma InstaDeep ein Frühwarnsystem zur Erkennung möglicher Hochrisikovarianten des Coronavirus entwickelt. Die neue Berechnungsmethode analysiere mithilfe künstlicher Intelligenz weltweit verfügbare Sequenzierungsdaten und könne mögliche Hochrisikovarianten innerhalb von weniger als einem Tag erkennen, teilte das Mainzer Biotechunternehmen am Dienstag, 11.1., mit.

Während des Versuchszeitraums habe das System mehr als 90 Prozent der von der Weltgesundheitsorganisation WHO identifizierten Virusvarianten im Schnitt zwei Monate im Voraus erkannt. Die hochansteckende Omikron-Variante sei von dem System am ersten Tag, an dem ihre Sequenz verfügbar wurde, als Hochrisikovariante eingestuft worden.

"Die frühzeitige Erkennung potenzieller Hochrisikovarianten könnte ein wirksames Instrument sein, um Forscher, Impfstoffentwickler, Gesundheitsbehörden und politische Entscheidungsträger zeitnah zu warnen und so mehr Zeit für die Einleitung entsprechender Maßnahmen gegen bedenkliche neue Virusvarianten zu haben", sagte Biontech-Chef Ugur Sahin. Mit InstaDeep, einem Spezialisten für Künstliche Intelligenz, war Biontech bereits Ende 2020 eine langfristige Partnerschaft eingegangen, die das Unternehmen bei der Entwicklung neuer Immuntherapien unterstützen soll. (APA/Reuters)

Keine verfrühte Entwarnung für Intensivstationen

Auch wenn sich die Lage auf den Intensivstationen stabilisiert, ist es laut der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) angesichts der neuen Omikron-Variante noch zu früh für eine Entwarnung. "Es gibt hier viele Unsicherheitsfaktoren, deshalb ist eine verfrühte Entwarnung sicherlich nicht angezeigt. So hat die WHO deutlich davor gewarnt, diese Variante als 'mild' zu verharmlosen", sagte ÖGARI-Präsident Walter Hasibeder.

Gegenwärtig ist die ÖGARI aber erleichtert darüber, dass sich aktuell die Zahl der intensivpflichtigen Patienten mit Covid-19-Erkrankung nach deutlichen Rückgängen stabilisiert. "Wir bewegen uns erstmals seit Oktober wieder, wenn auch mit regionalen Unterschieden, bei einem Anteil von zehn bis 15 Prozent von an Covid-19 Erkrankten in den Intensivstationen in Richtung Normalbetrieb", so Hasibeder. Diese Entlastung war demnach "wirklich dringend erforderlich angesichts der zahlreichen verschobenen Operationen und der bedenklichen Versorgungsengpässe bei Patientinnen und Patienten mit anderen kritischen Erkrankungen."

Die intensivmedizinischen Erfahrungen mit der Omikron-Variante seien in Österreich im Moment aber noch nicht ausreichend für repräsentative Berichte. Auch Prognosen seien derzeit außerordentlich schwierig, weil die Datenlage zu Omikron noch nicht sehr breit sei, gibt die ÖGARI zu bedenken. "Es gibt viele Hinweise, dass Omikron bei prozentuell weniger Infizierten als zuletzt etwa bei Delta schwere bis lebensbedrohliche Krankheitsverläufe verursacht. Allerdings ist zu bedenken, dass durch die sehr große erwartete Menge an Infektionen auch geringere Prozentsätze insgesamt zu belastend hohen Belagszahlen führen können", sagte der Präsident.

Weitere Risiko- und Unsicherheitsfaktoren seien potenzielle Ausfälle beim Gesundheitspersonal, nicht nur wegen Infektionen in der Belegschaft, sondern vor allem auch wegen Pflegefreistellungen zum Beispiel wegen Krankheitsfällen in der Familie. Dazu komme die problematische Tatsache, dass noch immer ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung gänzlich ungeimpft sei bzw. noch keine Booster-Impfung erhalten habe und dass es unter Omikron auch bei Genesenen häufig zu Reinfektionen komme. "Durchaus Sorge muss uns auch die Frage machen, welche Auswirkungen die weitere Omikron-Verbreitung auf Kleinstkinder hat, die bezüglich Atemwegsinfektionen sehr vulnerabel sind und rasch schwere Symptome entwickeln können", so Hasibeder. Zu all dem käme, dass die WHO weitere Varianten unter Beobachtung habe, deren Eigenschaften noch unklar sind. (APA)

Jüngere fühlen sich in der Pandemie zu wenig angesprochen

Jüngere Menschen fühlen sich von der Diskussion während der Corona-Pandemie wenig angesprochen. Sie erinnern sich kaum an irgendeine Art der Kommunikation über ihre Altersgruppe - und wenn, dann seien es kritische Medienberichte gewesen. Eine gemeinsame Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Università della Svizzera italiana (USI) zeigt, dass der Diskurs im ersten Jahr der Pandemie größtenteils an der jüngeren Bevölkerung vorbeiging.

"Wir sehen, dass sich Junge durchaus um die Gesundheit älterer Menschen kümmern", wird Suzanne Suggs von der USI zitiert. Statt sie zu beschuldigen, sollte die Kommunikation laut Suggs besser bestimmte Verhaltensweisen fördern. Dies gelinge insbesondere, wenn nachvollziehbar erklärt werde, warum welche Verhaltensweisen wichtig seien. Das Bedürfnis nach mehr Erklärungen ist offenbar groß. Viele Jüngere wünschten sich bei der Befragung eine bessere Begründung für die gesetzten Corona-Maßnahmen.

In einer nationalen Krise sei im Grunde jeder gefährdet und müsse entsprechend angesprochen werden, wird Julia Datva vom ZHAW-Departement Gesundheit zitiert. Für Behörden und Gesundheitsorganisationen sei es schwierig, den Zusammenhang zu betonen und gleichzeitig alle Zielgruppen anzusprechen, heißt es in der Mitteilung weiter.

Das Forschungsteam untersuchte für die Studie den öffentlichen Diskurs in Medien, Politik oder Gesundheitsorganisationen während der ersten Monate der Pandemie. Es führte zudem eine quantitative Umfrage sowie qualitative Interviews unter 15- bis 34-Jährigen in der deutschen und in der italienischen Schweiz durch. (APA/sda)