30. Aug. 2023Awareness-Monat Blutkrebs

Große Fortschritte bei CML und MPNs

Anlässlich des internationalen Awareness-Monats Blutkrebs im September diskutierten Expertinnen und Experten über die neuesten Therapiefortschritte im Feld der malignen hämatologischen Erkrankungen.

MedTriX/Unger

„Zu meiner Zeit, als ich noch Klinikerin war, war das multiple Myelom noch nicht heilbar. Heute hat die Erkrankung dank der Strategie ‚beste Therapie zuerst‘ viel von ihrem Schrecken verloren“, zeigt sich Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kornek, Ärztliche Direktorin des AKH Wien und Präsidentin des Vereins „Leben mit Krebs“ erfreut. Auch die Fortschritte bei chronischer myeloischer Leukämie (CML) und anderen myeloproliferativen Neoplasien (MPNs) hob sie in einem Pressegespräch anlässlich des Awareness-Monats Blutkrebs im September hervor.

Multiples Myelom (MM)

In den westlichen Industriestaaten ist das multiple Myelom (MM) die zweithäufigste Blutkrebs-Erkrankung, so Priv.-Doz. Dr. Niklas Zojer, Klinik Ottakring, Leitender Oberarzt der hämatologisch-onkologischen Ambulanz. Das Plasmozytom ist eine heterogene chronische Erkrankung unterschiedlicher Biologie. Ziel für alle Formen ist es, bereits mit der Erstlinientherapie ein möglichst komplettes und langanhaltendes rezidivfreies Intervall zu erreichen. MRD-Negativität korreliert mit einer längeren progressionsfreien (PFS) und Gesamtüberlebenszeit (OS) und wird daher zunehmend als Surrogatparameter für eine langanhaltende Rezidiv-Negativität angestrebt. Mit den neuen Therapiekombinationen liegt das durchschnittliche Überleben bei fast 10 Jahren.1

  • In der Erstlinie gilt die Triple-Therapie aus Proteasom-Inhibitor, IMID und Dexamethason als Standard. Bei Patientinnen und Patienten, die für die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation geeignet sind, bringt die Ergänzung eines anti-CD-38-Antikörpers im Rahmen einer Quadruplet-Therapie klare Vorteile hinsichtlich des PFS und OS bei ausgezeichneter Verträglichkeit. Bei nicht transplantgeeigneten Patientinnen und Patienten wird vielfach eine Triple-Therapie mit anti-CD38 Antikörper + IMID + Dexamethason eingesetzt.
  • Bei Rezidiv-Patientinnen und -Patienten stehen neben immunmodulierenden Substanzen und Proteasomeninhibitoren u.a. Antikörper gegen CD38 und SLAMF7 sowie andere innovative Therapieansätze zur Verfügung. Einen Meilenstein in der Behandlung der fortgeschrittenen Myelom-Erkrankung stellt die Immuntherapie in Form von bispezifischen Antikörpern und der CAR-T-Zelltherapie dar.

Eine Einschränkung hinsichtlich der CAR-T-Zelltherapie sei allerdings, dass die Produktion für die weltweite Versorgung nicht ausreichend, gibt Kornek zu bedenken. „Nun wurden in Europa zwei Länder ausgewählt, in denen die Therapie zuerst verfügbar sein wird – neben Deutschland wird das Österreich sein“, zeigt sie sich erfreut (s. Video).

Chronisch lymphatische Leukämie (CLL)

Auch die Therapiemöglichkeiten der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) haben sich deutlich verbessert. Eine Übersicht gab Priv.-Doz. Dr. Daniel Heintel, Klinik Ottakring, 1. Medizinische Abteilung, Zentrum für Onkologie und Hämatologie im Rahmen der Veranstaltung sowie in unserem Video.

Auch mit den neuen Therapien wird erst mit der Behandlung begonnen, wenn die Erkrankung aufgrund von Symptomen und anderen Faktoren therapiepflichtig wird.

  • Immunochemotherapie: Das FCR-Schema (Fludarabin + Cyclophosphamid + Rituximab) ist der Standard für körperlich fitte junge Patientinnen und Patienten mit guter Nierenfunktion und wenig Komorbidität. Mit dieser Therapie sind Langzeitdaten zufolge 80% der Behandelten mit mutiertem IGHV-Status und MRD-Negativität nach 16 Jahren immer noch in Remission.2,3
  • Zielgerichtete Therapien: Aufgrund überzeugender Studiendaten kommen zunehmend targeted therapies bereits als Erstlinientherapie zum Einsatz. Im Vordergrund stehen BTK (Bruton-Tyrosinkinase)-Inhibitoren wie Ibrutinib, Acalabrutinib, Zanubrutinib oder Pirtobrutinib und BCL2-Inhibitoren wie Venetoclax, aber auch der neuer CD20-Antikörper Obinutuzumab. Aktuelle Studien untersuchen, welche Erstlinientherapie für welche Patientinnen und Patienten am besten geeignet sind.
  • CAR-T-Zelltherapie: In Einzelfällen kann bei stark vorbehandelten und refraktären CLL-Patientinnen und -Patienten auch eine Therapie mit CAR-T-Zellen erwogen werden. Studien die rezent am ASCO 2023 präsentiert wurden, zeigten sehr gute Gesamtansprechraten bei stark vortherapierten Patientinnen und Patienten.4

Myeloproliferative Erkrankungen inklusive CML

Die chronische myeloische Leukämie (CML), für die 2001 der Erstgenerations-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Imatinib zugelassen wurde, führte bis zur Entdeckung der kausalen Ursache binnen 2–5 Jahren zum Tod. Aufgrund der enormen Fortschritte in der Therapie der CML liegt die Lebenserwartung der meisten Betroffenen mittlerweile bei jener der Normalbevölkerung, informierte Prim. Dr. Thamer Sliwa, Leiter der Abt. für Innere Medizin und Hämato-Onkologie im Krankenhaus Leoben.

Mittlerweile gibt es Zweit- und Drittgenerations-TKI. Weiters steht mit den STAMP (Specifically Targeting the ABL1 Myristoyl Pocket)-Hemmern eine neue Wirkstoffgruppe mit etwas anderem Wirkmechanismus zur Verfügung.

Patientinnen und Patienten, deren Erkrankung bei Diagnosestellung in einem fortgeschrittenen Stadium ist (<2% der Betroffenen), benötigen neben der TKI-Therapie eine allogene Stammzelltherapie (ASCT).

Für die weiteren myeloproliferativen Erkrankungen Polycythaemia vera (PV), die essenzielle Thrombozythämie (ET) sowie die primäre Myelofibrose (PMF) sind die wichtigsten Therapieziele die Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität sowie die Verhinderung der Progression in einer AML.

Quelle: Pressefrühstück „Informieren & Bewusstsein schaffen: Bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems“, Wien, 29.8.2023