22. Sep. 2023medonline Medizingeschichte #6

Joseph Lister – Die antiseptische Revolution

Joseph Lister wird 1827 als zweiter Sohn in die Quäker-Familie von Joseph Jackson Lister und Isabella Harris geboren.

Wikimedia Commons/Weltrundschau zu Reclams Universum 1902

Sein Vater ist im Hauptberuf Weinhändler, beschäftigt sich daneben aber eingehend mit Physik und Mikroskopie und wird für seine Entdeckungen auf diesen Gebieten in die Royal Society aufgenommen. In diesem Umfeld entwickelt Joseph schon früh ein Interesse an der Suche nach wissenschaftlicher Erkenntnis.

Joseph Listers frühe Jahre und akademische Laufbahn

Nach dem Studium der Medizin in London ist Lister an verschiedenen Kliniken tätig. Er wird zum Fellow am Royal College of Surgeons am University College Hospital London ernannt und wechselt dann nach Schottland, wo er zuerst am Edinburgh Royal Infirmary tätig ist, bevor er 1859 zum Professor für Chirurgie an der Universität von Glasgow und 1861 zum leitenden Chirurgen am Glasgow Royal Infirmary ernannt wird.

Die bahnbrechenden Arbeiten des französischen Chemikers Louis Pasteur über die Rolle von Mikroorganismen bei Infektionen stellen einen Wendepunkt in Listers Berufsleben dar. Er erkennt, dass unsichtbare Keime die Hauptursache für postoperative Infektionen sind und will Maßnahmen ergreifen, um diese Keime zu bekämpfen. In den folgenden Jahren führt Lister die Verwendung von Phenol, einer Substanz, mit der bis dahin übelriechende Abwasserkanäle gereinigt werden, zur systematischen Krankenhaushygiene ein.

Listers Antisepsis-Revolution: Ein Wendepunkt in der Chirurgie

Die Desinfektion von chirurgischen Instrumenten, Händen und der Operationsumgebung ist eine bahnbrechende Innovation und senkt postoperative Infektionsraten und die Patientenletalität rapide. Im August 1865 verwendet er erstmals einen in Phenol getränkten Verband zur Wundversorgung. Das ist die Geburtsstunde des antiseptischen Wundverbands.

In der angloamerikanischen medizinischen Gemeinschaft wird Listers Arbeit zu Beginn missverstanden. Die Kollegen sind skeptisch und wenden sich mehr gegen seine Keimtheorie denn gegen die Praxis der Verwendung von Phenol. Obwohl Lister generell introvertiert veranlagt ist, setzt er sein Prinzip der Antisepsis gegen alle diese zu Beginn bestehenden Widerstände durch. Als er 1867 eine Reihe seiner Fälle publiziert und seine Forschungsergebnisse vor der Royal Society präsentiert, führt das zu einer raschen Verbreitung seiner Methode in der medizinischen Gemeinschaft.

Der Einfluss von Joseph Listers Arbeit auf die moderne Medizin

Listers neue Hygienemethoden bewirken große Veränderungen. Von 1861 bis 1865 sterben noch zwischen 45 und 50 Prozent seiner Amputationsfälle an einer postoperativen Sepsis. Zwischen 1865 und 1869 sinkt die postoperative Patientenmortalität in seiner Krankenhausabteilung auf 15 Prozent. Letzten Endes führen Listers Lehren zu einem besseren Verständnis von Infektionen und ihrer Prävention. Sie legen den Grundstein für die Entwicklung von Impfstoffen und Antibiotika, die in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten eine entscheidende Rolle spielen.

Bis zu seinem Lebensende 1912 wird Joseph Lister für seine Leistungen noch vielfach ausgezeichnet. Der Nobelpreis wird ihm aber nicht zugesprochen. Angesichts der Tatsache, dass Lister seit 1871 mit Penicilliumpilzen experimentiert und diese 1884 erfolgreich bei einer Abszess-OP eingesetzt hatte, kann das als Ironie seiner persönlichen Geschichte gewertet werden.

Da er die Ergebnisse dieser Experimente nie publiziert hatte, gilt Alexander Fleming heute als der Entdecker des Penicillins und wurde dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.