23. Aug. 2024medonline Medizingeschichte #30

Elizabeth Blackwell – Die erste in den USA ausgebildete Ärztin

Elizabeth Blackwell wird am 3. Februar 1821 als drittes von insgesamt neun Kindern von Samuel und Hannah Blackwell in Bristol, England, geboren.

Profilportrait der Ärztin Elizabeth Blackwell.
Foto: Schlesinger Library/RIAS/Harvard University/No restrictions

Ihr Vater besitzt eine Zuckerraffinerie, ist Quäker und setzt sich für die Abschaffung der Sklaverei ein. Ihre Kinder erziehen die Blackwells liberal und reformorientiert. 1832 emigriert die Familie nach Amerika und lässt sich in Cincinnati, Ohio, nieder.

1838 stirbt der Vater überraschend und lässt seine Familie in finanziellen Schwierigkeiten zurück. Um über die Runden zu kommen, beginnen Elizabeth, ihre Mutter und ihre Schwester zu unterrichten und gründen schließlich eine kleine Schule. Die pädagogische Arbeit ist für Elizabeth eine Notwendigkeit, der sie mit wenig Leidenschaft nachgeht.

Die Berufung zur Ärztin

Ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben tritt ein, als eine Freundin unheilbar erkrankt und ihr zu verstehen gibt, dass ihr Leiden für sie erträglicher wäre, würde sie von einem weiblichen Arzt betreut werden. Als sie Elizabeth dann noch den Intellekt und den Mut attestiert, eine Ausbildung zur Medizinerin anzustreben, findet die junge Frau ihre Berufung.

Ohne finanzielle Mittel, praktische medizinische Vorbildung und Kenntnisse in Griechisch und Latein erfüllt sie aber die formalen Zulassungskriterien keiner der etablierten medizinischen Hochschulen. So unterrichtet sie weiter und arrangiert für sich, im Haushalt eines Mediziners zu leben, um von ihm unterrichtet zu werden, dessen medizinische Bibliothek nutzen zu können und sich die erforderlichen Sprachkenntnisse anzueignen.

Die größte ihr bevorstehende Hürde hat Elizabeth Blackwell aber noch zu nehmen – eine Ausbildungsstätte zu finden. Keine der etablierten Institutionen nimmt sie auf. Ärzte, die Elizabeth um Rat bittet – auch liberal gesinnte – versuchen sie von ihrem Plan abzubringen. Es gäbe keinen Präzedenzfall und es wäre der falsche Zeitpunkt. Nur als Mann verkleidet, geben ihr wenige eine Chance. Blackwell bewirbt sich bei einem Dutzend kleinerer, der in der Regel kurzlebigen Colleges, die im Amerika des 19. Jahrhunderts florieren.

Avantgarde per Unfall – Elizabeth Blackwell und das Geneva Medical College

Eines davon, das Geneva Medical College in Geneva, New York, nimmt sie auf – aufgrund eines Missverständnisses. Die Lehrer des Colleges möchten Elizabeths Bewerbung ablehnen, wollen aber das Bild vermeiden, eine grundsätzlich qualifizierte Frau abzuweisen. Also wälzen sie, von deren ablehnender Haltung überzeugt, die Entscheidung auf die Studentenschaft ab.

Die etwa 150 Studenten des Colleges halten die Anfrage aber für einen Scherz und glauben diesen zu erwidern, als sie einstimmig für Elizabeths Aufnahme abstimmen und dann sogar noch eine Deklaration in diesem Sinne aufsetzen. Blackwell ist damit die erste Frau, die an einer medizinischen Fakultät in den USA zugelassen wird und beginnt ihre Ausbildung im November 1847.

Zu Beginn sind ihre Lehrer und Kommilitonen ebenso wie die Bewohner von Geneva von ihrer Anwesenheit bestenfalls irritiert, stehen ihr viel öfter aber offen feindselig gegenüber. Mit ihrer Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit wie ihrer offensichtlichen Intelligenz und Taktgefühl gewinnt sie aber schließlich den Respekt und die Anerkennung all dieser Personengruppen. 1849 schließt Elizabeth Blackwell ihre Ausbildung als Klassenbeste ab.

Danach arbeitet sie zwei Jahre lang in Kliniken in Paris und London und studiert Geburtshilfe an der La Maternité, wo sie an eitriger Ophthalmie erkrankt und dadurch das Augenlicht auf einem Auge verliert. Sie kehrt nach Amerika zurück, eröffnet 1851 eine Arztpraxis in New York und 1853 eine Ambulanz. Mit ihrer Schwester Emily und mit Marie Zakrzewska gründet sie 1857 das New York Infirmary for Women and Children.

1859 ist sie die erste Frau, deren Name im medizinischen Register des British General Medical Council eingetragen wird.

Faksimile einer Zeitungsankündigung des Womens Medical College of the New York Infirmary for Women and Children.
Abbildung: Public Domain

Faksimile einer Zeitungsankündigung des Womens Medical College of the New York Infirmary for Women and Children.

In den 1860er und 1870er Jahren setzt sich Blackwell in Großbritannien für die Akzeptanz von Frauen in der Medizin ein. In Amerika erweitert sie ihre New Yorker Frauenklinik um eine medizinische Fakultät für Frauen, die im November 1868 eröffnet wird.

Rückkehr nach Großbritannien

1869 kehrt Elizabeth Blackwell nach Großbritannien zurück, wo sie weiterhin für Reformen im medizinischen Beruf kämpft. 1871 gründet sie die National Health Society, die das Ziel hat, die Menschen über die Vorteile von Hygiene und gesunder Lebensweise aufzuklären.

1870 eröffnet sie eine Privatpraxis in London und setzt sich gemeinsam mit anderen für die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium ein. Ein entsprechendes Gesetz wird 1876 verabschiedet. In der Zwischenzeit gründet sie mit den Ärztinnen Sophia Jex-Blake (siehe medonline Medizingeschichte #16: Sophia Jex-Blake und die Edinburgh Seven) und Elizabeth Garrett Anderson 1874 die London School of Medicine for Women, mit dem primären Ziel, Frauen auf die Lizenzierungsprüfung der Apothecaries Hall vorzubereiten. 1875 wird sie zur Professorin für Gynäkologie ernannt.

Blackwell schreibt und veröffentlicht viele Bücher und Broschüren über Gesundheit und Medizin und ist in den folgenden vierzig Jahren an einer Reihe von Reformbewegungen beteiligt, darunter moralische Reformen, sexuelle Reinheit, Hygiene, medizinische Ausbildung, Präventivmedizin, sanitäre Einrichtungen, Familienplanung, Frauenwahlrecht, die Abschaffung von Prostitution und Menschenhandel, Moral in der Regierung und die Liberalisierung viktorianischer Prüderie.

Faksimile einer 18c-Brifmarke des US Postal Service, die 1974 zu Ehren von Elizabeth Blackwell veröffentlicht wurde.
Abbildung: Smithsonian national Postage Museum/Public Domain

Faksimile einer 18c-Brifmarke des US Postal Service, die 1974 zu Ehren von Elizabeth Blackwell veröffentlicht wurde.

In den letzten zwei Jahrzehnten ihres Lebens praktiziert sie nicht mehr aktiv Medizin, bleibt aber eine unermüdliche Verfechterin ihrer emanzipatorischen Anliegen. Am 31. Mai 1910 stirbt Elizabeth Blackwell in Hastings. In England und Wales sind zu diesem Zeitpunkt mehr als 450 Ärztinnen registriert.