26. Juli 2024medonline Medizingeschichte #28

„Schlechte Luft“ – Der Kampf gegen Malaria

Etwa 200 Millionen Menschen erkranken Schätzungen zufolge weltweit jährlich an Malaria. Zu den 600.000, für die die Erkrankung tödlich verläuft, zählen 450.000 Kinder unter 5 Jahren.

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National Archives and Records Administration
Das Plakat-Sujet einer US-amerikanischen Awareness-Kampagne aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Etymologisch leitet sich Malaria vom italienischen mala aria (schlechte Luft) her. Zu den antiquierten Bezeichnungen der Erkrankung gehören Sumpffieber, (frz. paludisme), Wechsel-, Küsten- oder Tropenfieber.

Malaria im Laufe der Jahrhunderte

Man kann davon ausgehen, dass die Malaria die Menschheit schon seit Urzeiten begleitet. Erste Aufzeichnungen von Epidemien sind aus dem alten Ägypten bekannt. In rund 3.000 Jahre alten, indischen Schriften wird das Wechselfieber ebenfalls schon erwähnt. Die traditionelle chinesische Medizin nutzte schon vor 2.000 Jahren das Beifuß-Gewächs Quinghao als Gegenmittel. Im 20. Jahrhundert konnten Forscher aus dieser Pflanze tatsächlich den Wirkstoff Artemisinin isolieren.

In der Antike war die Malaria im gesamten Mittelmeerraum verbreitet. Hippokrates machte die Beobachtung, dass jene Menschen an dem Fieber erkrankten, welche Wasser aus Sumpfgebieten getrunken hatten. Gemäß der damals gültigen Humoralpathologie nahm er in der Folge an, dass der Genuss des abgestandenen Sumpfwassers die vier Körpersäfte ins Ungleichgewicht – einen Zustand der Dyskrasie – bringt, was als Ursache aller Erkrankungen verstanden wurde. Manche Forscher gehen davon aus, dass regelmäßige Malariaepidemien mit zum Untergang des Römischen Imperiumsbeigetragen haben.

Dem gegenwärtigen Stand der Forschung nach verbreitete sich die Malaria auf dem amerikanischen Kontinent erst ab dem 16. Jahrhundert, nachdem sie von Europäern im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels dort eingeschleppt worden war. Die Infektionskrankheit war damit auf allen Kontinenten der Erde, mit Ausnahme der Antarktis, angekommen. In Südamerika wurde aber dann ein Gegenmittel entdeckt, welches noch heute verwendet wird.

Chinin als Malaria-Heilmittel und die Geburt der pharmazeutischen Industrie in Deutschland

Arbeiter in Peru bekämpften das Fieber erfolgreich mit der Rinde eines Baumes aus der Familie der Rötegewächse. Jesuiten beobachteten deren Wirkung und brachten die Rinde in Pulverform nach Europa, wo sie unter anderem als Jesuitenpulver bekannt wurde. Der Baum wurde später als Chinarinde (Cinchonia) bekannt, der Wirkstoff als Chinin.

Weil sich Malaria in Europa weiträumig verbreitet hatte, war das Chinin eine höchst willkommene Entdeckung. Der Oppenheimer Apotheker Friedrich Koch experimentierte mit der Chinarinde und schaffte es 1823, reines Chinin daraus zu isolieren. Seine daraufhin errichtete Produktionsanlage gilt als die erste pharmazeutische Fabrik in Deutschland. Bis Klarheit bestand, wie sich die Malaria überträgt und was sie auslöst, sollte es aber noch beinahe 8 Jahrzehnte dauern.

Stechmücken und Parasiten – Der Kreislauf der Malaria

1880 untersuchte der französische Militärarzt Alphonse Laveran in Algerien das Blut von an Malaria verstorbenen Menschen und entdeckte einen bis dahin unbekannten Parasiten, der sich in den roten Blutkörperchen eingenistet hatte. Seine Theorie, dass es sich dabei um den Auslöser der Malaria handelt, wurde aber erst dann als bestätigt angesehen, als der Italiener Camillo Golgi die gesamte Entwicklung des Parasiten im Blut unter dem Mikroskop darstellen konnte.

In Afrika, Indien und China hatte sich schon zuvor die Ansicht etabliert, dass eine Verbindung zwischen Stechmücken und der Krankheit besteht. In Europa wurde dieser Verdacht erstmals 1895 vom britischen Tropenmediziner Patrick Mason formuliert. 1897 stellte der ebenfalls aus Großbritannien stammende Mediziner Ronald Ross in Indien fest, dass Malaria an Orten, an denen man die Stechmücken vernichtet hatte, verschwand. Nachdem er Stechmücken das Blut von Malariapatienten saugen ließ, diese sezierte und tatsächlich im Magen einer Anophelesmücken eine Form des Malaria-Parasiten Plasmodium fand, war der Kreislauf der Krankheit schließlich etabliert.

Therapie und Prävention – Medikamente und eine Impfung gegen Malaria

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die franko-algerischen Brüder Sargent unter der Supervision des Institut Pasteur algerische Kanarienvögel mit hitzeinaktivierten Sporozoiten, der infektiösen Form der Plasmodien, geimpft und konnten so eine Teilimmunität gegen Vogelmalaria (P. relictum) hervorrufen.

Auf dem Gebiet der Medikation war bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Chinin das einzige effektive Mittel am Repertoire der Industrienationen. Hergestellt wurde es nach wie vor nicht synthetisch, sondern aus der Rinde des Chinabaums, der im Wesentlichen in Niederländisch kontrollierten Plantagen auf Java wuchs. Als die Insel 1942 von japanischen Truppen besetzt worden war, verknappte sich Chinin weltweit.

"Six different stages in the life of a man infected with malaria. Malaria and quinine." Werbesujet für Chinin als Malariatherapie.
Wellcome Library, London

"Six different stages in the life of a man infected with malaria."
Werbesujet aus 1927 für Chinin als Malariatherapie.

Ein fatal gescheitertes Experiment – Chloroquin

Weil es die Malaria zu dieser Zeit noch immer auf 6 Kontinenten der Erde gab, war eine effektive Medikation zu finden, ein großes Thema. Deutsche Forscher hatten schon 1934 eine solche entdeckt, Chloroquin. Zunächst war das Mittel aber exklusiv für die Truppen der Deutschen Wehrmacht reserviert. Erst nach 1945 wurde es für alle Bevölkerungsgruppen und schließlich weltweit verfügbar gemacht.

Chloroquin war sowohl in der Vorbeugung als auch in der Therapie von Malaria effektiv anwendbar. Deshalb beschloss die WHO Mitte der 1950er-Jahre den überaus optimistischen Plan, Malaria weltweit auszurotten. Die übertragenden Mücken sollten mit einem Insektengift bekämpft werden, während großflächig Chloroquin an die betroffenen Bevölkerungen ausgegeben werden sollte. Weil viele für den Plan relevante Weltgegenden nur schwer erreichbar waren, kam man auf die letzten Endes fatale Idee, Speisesalz mit Chloroquin zu versetzen, um das Mittel großflächig zu verbreiten.

Weil die Dosierung des Medikaments mit dieser Methode weitestgehend dem Zufall geschuldet war, hatten zwar viele Menschen Chloroquin im Blut, allerdings in viel zu geringen Dosen, um die Parasiten abzutöten. Das führte in der Folge dazu, dass sich Resistenzen entwickelten und Chloroquin in vielen Malariagebieten ineffektiv wurde.

Die moderne Malaria-Impfstoffforschung

In den 1960er-Jahren erfolgte der Startschuss der modernen Forschung zur Entwicklung eines Malaria-Impfstoffes, als röntgenbestrahlte Sporozoiten zum Schutz vor Mäusemalaria erprobt wurden. In den 1970er-Jahren berichtete eine Publikation von einem Freiwilligen, der nach dem Stich röntgenbestrahlter Moskitos mit Sporozoiten von P. falciparum – dem Erreger der Malaria tropica – infiziert wurde und daraufhin gegen die Infektion mit unbestrahlten Sporozoiten geschützt war. In den 1980er-Jahren waren die Erwartungen so weit gestiegen, dass beteiligte Forscher ein Patent auf Sporozoitenantigene anmeldeten. Ein tatsächlich wirksamer Impfstoff konnte aber letztlich nicht hergestellt werden. Ein in den 1990er-Jahren von einem kolumbianischen Forscher entwickelter Impfstoff stellte sich ebenfalls als nicht wirksam heraus.

Aktuell plant die WHO bis 2030, möglichst effiziente Impfstoffe gegen P. falciparum und P. vivax zu entwickeln, die wenigstens zwei Jahre anhalten und dann höchstens einmal im Jahr eines Bossters bedürfen sollen. Die heute am weitesten entwickelten Impfstoffe sind RTS,S/AS01 (Mosquirix™), mit einer Wirksamkeit von ca. 56% laut der Zulassungsstudie, und R21/Matrix-M, der sich in der Phase-III-Studie befindet und einen Impfschutz von 68 bis 75 % bei 5 bis 36 Monate alten Kindern erzielt.

Ob mit diesen Erfolgen nun die letzte, oder aber erst eine der Ersten Runden im Rennen um die Entwicklung eines wirksamen Malaria-Impfstoffes eingeläutet wurde, lässt sich nach heutiger Sicht noch nicht sagen.