Eine Frau vieler Premieren – Dora Brücke-Teleky
Dora Teleky wird am 5. Juli 1879 im niederösterreichischen Hinterbrühl geboren. Ihr Vater Hermann und ihr älterer Bruder Ludwig haben sich der Medizin verschrieben – Ersterer ist ein angesehener Arzt in Wien, während Letzterer ein Spezialist für Arbeits- und Sozialmedizin ist.
Elsa Teleky, Doras ältere Schwester, ergreift den Beruf der Krankenpflegerin und vervollständigt damit das Set familiär-medizinischer Einflussfaktoren auf Doras spätere Berufswahl. In ihrem akademischen Werdegang muss Dora – wie viele Frauen jener Zeit, deren Ambitionen über die Rolle der Mutter und Hausfrau hinausgehen – immer wieder mit Widrigkeiten kämpfen und Umwege in Kauf nehmen. Nachdem sie zuerst ein privates Mädchengymnasium besucht hat, legt sie 1899 als externer Prüfling die Matura am Akademischen Gymnasium in Wien ab.
Studienjahre
Bevor Frauen in Wien zum Medizinstudium zugelassen sind, immatrikuliert sie an der Philosophischen Fakultät, an der Frauen das Studium seit 1897 erlaubt ist, belegt aber bereits Fächer wie Anatomische Demonstrationen allgemeiner Art, Allgemeine Chemie, Chemische Übungen für Anfänger, Reagentien oder Anatomie des Menschen und nimmt an Demonstrationsübungen im Seziersaal teil.
Im ersten Jahr des 20. Jahrhunderts gibt das medizinische und das politische Establishment der Donaumonarchie schließlich dem Druck und unermüdlichen Lobbyismus von Vorreiterinnen wie Gabriele Possanner von Ehrenthal (hier geht’s zur medonline-Medizingeschichte über Possanner von Ehrenthal) nach und ermöglicht Frauen im Wintersemester 1900/01 das Studium der Medizin.
Noch in diesem Semester wechselt Dora an die Medizinische Fakultät und gehört damit zu den ersten Medizinstudentinnen in Österreich-Ungarn. Weil sie sich als Frau und Jüdin im gesellschaftlichen Leben wie auch im Studium gleich doppelter Diskriminierung ausgesetzt sieht, versucht sie zu ändern, was sie ändern kann, und meldet, wie auch ihre Geschwister, ihren Austritt aus dem Judentum an.
Dora Teleky: Fachärztin und Funktionärin
Nach erfolgreichem Studium in Wien und Straßburg promoviert sie am 21. Dezember 1904 in Wien. Dora Teleky setzt ihre Ausbildung am Wiener Allgemeinen Krankenhaus fort, wo sie am Pathologisch-Anatomischen Institut unter Anton Weichselbaum als Aspirantin und Sekundärärztin tätig ist. Bis 1907 lernt sie als Operationszögling unter Anton von Eiselsberg an der I. Chirurgischen Universitätsklinik und anschließend von 1907 bis 1911 an der II. Frauenklinik unter Rudolf Chrobak, Alfons von Rosthorn und Ernst Wertheim. Nachdem es zu dieser Zeit noch keine Verordnung zur Facharztausbildung gibt, gilt Teleky damit als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Ihre urologische Ausbildung erhält sie von 1911 bis 1914 am Wiener Rothschild-Spital als Volontärin in der Chirurgisch-Urologischen Abteilung unter Otto Zuckerkandl.
Sie wird zum jeweils ersten weiblichen Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Urologie und der Gesellschaft der Ärzte in Wien. 1919 gründet Teleky selbst die Organisation der Ärztinnen Österreichs und steht dieser Vereinigung 10 Jahre lang vor. Im Internationalen Ärztinnenverband ist sie als korrespondierende Sekretärin aktiv. Neben einer regen medizinischen Publikationstätigkeit eröffnet sie 1920 ihre Ordination für Gynäkologie und Geburtshilfe in Wien und wird auch als erstes weibliches Mitglied in die Wiener Urologische Gesellschaft aufgenommen. 1930 heiratet sie den Arzt und Physiologen Ernst von Brücke.
Flucht und Exil
Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland werden Brücke-Teleky und ihr Mann wie viele andere Jüdinnen und Juden aus ihrer beruflichen Tätigkeit gedrängt. Als Ernst ein Lehrangebot von der Harvard Medical School erhält und annimmt, geht Dora mit ihm in die USA. Sie erwirbt eine Zulassung als Gynäkologin in Massachusetts und ist als Ärztin in Boston tätig. Ernst stirbt überraschend im Jahr 1941. Sie selbst ist noch bis 1950 als Ärztin tätig, bevor sie ihren Beruf aus Altersgründen aufgibt. Ihren Lebensabend verbringt sie am Zürichsee, wo sie sich in der Nähe ihrer Schwester niederlässt. Dora Brücke-Teleky stirbt am 19. April 1963 in Stäfa.
- Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Sonia Horn (Hrsg.): Töchter des Hippokrates: 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien 2000
- Julia Bellmann: Dora Teleky – Ein frühes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Urologie. In: Aktuelle Urologie 43, 1/2012, S. 31–33.
- Isidora Radak: Pionierinnen des akademischen Arztberufes in Wien in der Diplomarbeit zur Mag. phil., 2012.
- https://fraueninbewegung.onb.ac.at/node/2159