31. Mai 2024medonline Medizingeschichte #24

Florence Nightingale – Statistikerin, Datenvisualisiererin … und Krankenpflegerin

Florence Nightingale wird am 12. Mai 1820 als Tochter einer wohlhabenden britischen Familie in Italien geboren.

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Wellcome Collection/Wikimedia
Die junge Florence Nightingale von Charles Staal, als Radierung von G. H. Mote.

Ihren Vornamen verdankt sie ihrer Geburtsstadt Florenz. Von beiden Seiten ihrer Familie wird ihr ein liberal-humanitäres Weltbild vermittelt. Die fortschrittlichen Ansichten ihres Vaters in Bezug auf Frauenbildung machen es möglich, dass Florence und ihrer Schwester eine fundierte Ausbildung zuteilwird.

Auf dem Lehrplan stehen Geschichte, Mathematik, Italienisch, klassische Literatur und Philosophie. Florence lässt schon früh ein besonderes Interesse an der Sammlung und Analyse von Daten erkennen – eine Neigung, die sie in ihrem späteren Leben wirkungsvoll instrumentalisieren wird.

Jugendjahre und wegweisende Begegnungen von Florence Nightingale

Im Alter von 18 Jahren lernt sie in Paris die um 27 Jahre ältere Gesellschaftsdame Mary Clarke kennen, mit der sie in der Folge bis zum Tod der Älteren eng befreundet sein wird. Clarkes egalitärer Feminismus färbt auf die jüngere Frau ab und wird in der Zukunft entscheidende Konsequenzen haben.

Bereits 1837 hat Florence ein erstes von mehreren – von ihr als Ruf Gottes gedeuteten – spirituellen Erlebnissen, das in ihr die Gewissheit weckt, ihr Leben als Krankenschwester dem Dienst am Nächsten zu widmen. Ihre Eltern sind dagegen. Als Jugendliche respektiert Florence die ablehnende Haltung ihrer Eltern noch. Doch 1844 teilt sie ihnen ihren Entschluss mit, Krankenschwester zu werden, und arbeitet in der Folge hart daran, sich für diese Tätigkeit zu qualifizieren.

Eine letzte Zufallsbegegnung Nightingales mit weitreichenden Folgen ist jene mit dem Politiker Sidney Herbert. Ihn lernt sie 1847 in Rom kennen, wo der vormalige Secretary of War gerade seine Flitterwochen verbringt. Auch mit ihm schließt sie eine lebenslange Freundschaft.

Florence Nightingale und der Krimkrieg – Der Ruf der Geschichte

Ende 1852 wird Herbert erneut zum Secretary of War ernannt. Im Oktober 1853 beginnt der Krimkrieg zwischen dem zaristischen Russland und einer Koalition aus Frankreich, Großbritannien und dem Osmanischen Reich. 1854 setzt sich Nightingale bei ihrem Freund Herbert dafür ein, die Einführung weiblicher Krankenpfleger im Krimkrieg überwachen zu dürfen. In der Folge leitet sie eine Expedition von 38 Frauen, die in Scutari (dem heutigen Üsküdar) am asiatischen Ufer des Bosporus in einem britischen Feldhospital Verwundete betreuen.

Diese Verwendung wird zur Basis der Legende Florence Nightingales als Lady with the Lamp, der unermüdlichen Samariterin, die noch spätnachts mit einer Öllampe durch ihr Lazarett streift, um für die Verwundeten zu sorgen. Als solche wird sie wohl zur berühmtesten Britin der viktorianischen Ära, nach Queen Victoria selbst. Im Hospital findet Nightingale unerträgliche Verhältnisse vor. Die Verwundeten sind schlecht versorgt, Arzneimittel sind knapp, Hygiene wird vernachlässigt, Infektionen geraten außer Kontrolle und Ungeziefer ist allgegenwärtig.

V0006579 Florence Nightingale. Coloured lithograph.
Credit: Wellcome Library, London. Wellcome Images
images@wellcome.ac.uk
http://wellcomeimages.org
Florence Nightingale. Coloured lithograph.
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Copyrighted work available under Creative Commons Attribution only licence CC BY 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

The Lady with the Lamp. Eine kolorierte lithographische Reproduktion eines Gemäldes von Henrietta Rae von 1891, dass den populären Nightingale-Mythos aufgreift.

10-mal so viele Soldaten sterben an Krankheiten wie Typhus, Ruhr oder Cholera wie an ihren Kriegsverwundungen. Nightingale und eine aus London eingeschiffte Sanitärkommission führen in der Folge praktische Maßnahmen ein, welche die Mortalitätsrate signifikant reduzieren.

Florence Nightingale – Pionierin der Statistik und Datenvisualisierung

Es ist jedoch nicht ihre unermüdliche Arbeit im Lazarett, der sie ihre unbestrittene Bedeutung in der Geschichte des Sanitätswesens verdankt, auch wenn sie heute vorwiegend dafür bekannt ist. Vielmehr sind es ihre statistischen Auswertungen und ihre teils selbst entwickelten Methoden der Datenvisualisierung, mit denen sie nach dem Krieg einen 830 Seiten umfassenden Bericht verfasst und damit erfolgreich für eine radikale Revision des militärischen Sanitätswesens lobbyiert.

Nightingale gehört zu den ersten Anwenderinnen von Tortendiagrammen und Histogrammen. Sie entwickelt das Polardiagramm, um die Kernaussagen ihrer privat in Scutari und aus Regierungsberichten erhobenen Daten für politische Entscheidungsträger zu visualisieren. In Kombination mit einem bemerkenswerten Instinkt für politische Arbeit und einem scheinbar unerschöpflichen Energiereservoir gelingt es ihr so in den folgenden Jahren, eine Revolution in der Krankenversorgung des gesamten britischen Empire einzuleiten.

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Wellcome Collection/Wikimedia

Diagram of the causes of mortality in the army in the East von Florence Nightingale

1859 wird sie deshalb zum ersten weiblichen Mitglied der Royal Statistical Society gewählt. 1874 wird sie Ehrenmitglied der American Statistical Association. 1910 stirbt Florence Nightingale. Durch ihr praktisches Wirken, ihre betriebsorganisatorischen und analytischen Innovationen wie durch ihre rege Publikationstätigkeit (mehr als 200 Veröffentlichungen zu sozialen Themen und zur Krankenpflege) gilt sie bis heute als die erste Pflegewissenschaftlerin und als die herausragende Gestalt der modernen Krankenpflege.