Scharlatanerie und Betrug – Albert Abrams und die E.R.A.
Albert Abrams wird am 8. Dezember 1863 in eine wohlhabende Familie in San Francisco geboren. Im Oktober 1878 schreibt er sich am Medical College of the Pacific ein, ist während seiner Zeit dort als Assistent verschiedener Professoren tätig und macht im Oktober 1881 seinen Abschluss.
Seine nächste Station ist Heidelberg, wo er im November 1882 zum Doktor der Medizin promoviert. Nach weiteren Studien in London, Berlin, Wien und Paris kehrt Abrams in die USA zurück, wo er die nächsten 14 Jahre dem Lehrkörper des Cooper Medical College an der University of the Pacific angehört. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist er Präsident verschiedener kalifornischer Medical Societies und ein angesehener Experte auf dem Gebiet der Neurologie.
Albert Abrams Einstieg in die Quacksalberei
1910 publiziert Albert Abrams aber ein Buch namens Spondylotherapy. Die von chiropraktischen und osteopathischen Ideen inspirierte Technik beruht auf dem Prinzip, vom Rückenmark ausgehende Nerven zu stimulieren, um reflexhafte Reaktionen in Eingeweiden und inneren Organen zu provozieren. Durchgeführt wird diese Stimulation mit einer Plexor-Plessimeter-Kombination, mit sinusförmigem Wechselstrom oder durch die Anwendung von Eis.
Die übergeordnete Idee ist, dass Elektronen das grundlegende Element allen Lebens sind. Abrams vermarktet sie unter dem Namen E.R.A. – Electronic Reactions of Abrams und baut in der Folge eine Reihe von Maschinen, mit denen er diese Hirngespinste zu monetarisieren beginnt.
Den Beginn macht der Dynomizer. Ein einem Radio ähnelndes Diagnosegerät, von dem Abrams behauptet, damit jede bekannte Krankheit anhand eines Bluttropfens – mitunter getrocknet auf einem Blatt Papier mit der Post zugesandt – diagnostizieren zu können. Elizabeth Holmes und Theranos lassen grüßen.
Es folgen der Oscilloclast und der Radioclast, ausgeliefert komplett mit Frequenztabellen, um spezifische Krankheiten gezielt anzugreifen. Beides sind elektromagnetische Apparaturen, deren heilende Wirkung (vorgeblich) auf den Prinzipien basiert, entweder schlechte Elektrizität aus dem Körper heraus zu transferieren oder dem Körper „eine individuell angemessene Menge von gesunden, heilenden Schockwellen“ zuzuführen.
Monetarisierung – Abrams betrügerischer Weg zum Reichtum
E.R.A. ist ein gutes Geschäft. 1918 verrechnet Abrams für einen Kurs in Spondylotherapie 200 USD (4.100 USD in 2024) und bietet ein Leasing der notwendigen Ausrüstung für noch einmal 200 USD an. Dann fällt während der Nutzungsdauer noch eine Monatsgebühr von 5 USD (103 USD in 2024) an, um E.R.A. zu praktizieren. Leasingnehmer verpflichten sich vertraglich, die verschiedenen Apparaturen von Abrams niemals zu öffnen – um ihre sensible interne Kalibrierung nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Obwohl sich Abrams von Beginn an auch großer Skepsis und substanzieller Kritik aus Medizinerkreisen gegenübersieht, gibt es 1921 schon bis zu 3.500 Leasingnehmer, die E.R.A. praktizieren und Abrams zu einem reichen Mann machen. Skeptiker, die seine Maschinen untersuchen, finden in deren Innerem einfache Verkabelungen, ein paar Widerstände, kleine, Summgeräusche verursachende Motoren, türklingelähnliche Magnetfeldgeneratoren und schwach wirkende Radiofrequenzsender vor.
Rückzugsgefechte – Die Untersuchung des Scientific American
In einer lang andauernden Auseinandersetzung mit der American Medical Association und dem Scientific American-Magazinzählen die Schriftsteller Upton Sinclair und Arthur Conan Doyle zu seinen größten Unterstützern. Als der Scientific American eine unabhängige Untersuchung startet, behauptet Abrams, kooperieren zu wollen. Dann findet aber immer wieder Gründe, warum er nicht an Sitzungen teilnehmen kann, und bezeichnet sich in E.R.A.-Medien als Opfer einer Kampagne des medizinischen Establishments. Seine Apparaturen werden freilich samt und sonders als Scharlatanerie entlarvt.
Noch bevor Abrams in einem Betrugsprozess gegen einen E.R.A.-Praktiker als Zeuge auftreten muss, stirbt er im Jänner 1924 an einer Lungenentzündung. Seine E.R.A.-Scharlatanerie wird von Nachfolgern zur Lehre der Radionics weiterentwickelt, mit der Leichtgläubige bis in die Gegenwart um ihre Ersparnisse gebracht werden.