7. Dez. 2021Kein Kontakt mit Kinderspeichel!

Simple Präventionsmaßnahmen bannen Zytomegaliegefahr im Mutterleib

Erkrankt eine Schwangere an Zytomegalie, bleibt dies häufig unbemerkt. Die Folgen für den Fötus können allerdings gravierend sein und ihr wahres Ausmaß tritt oft erst in späteren Jahren zutage. Die Devise sollte daher lauten: Gefahr erkennen und bannen!

Fröhlicher Junge sabbert, während er auf die Flaschenspitze beißt, und löst „das Problem“ des Milchzahnwachstums in der Kinderkrankheit.
iStock/vpopovic

Kongenitale Infektionen mit dem Zytomegalievirus (cCMV) treten weltweit relativ häufig auf. Sie betreffen etwa eine von 100–200 Lebendgeburten. Ein Zehntel der Fälle zeigt bereits perinatal mehr oder weniger schwerwiegende Symptome und ist prädestiniert für eine Reihe von entwicklungsneurologischen Spätfolgen. Der überwiegende Teil der infizierten Neugeborenen erscheint zunächst unauffällig, 15% von ihnen entwickeln jedoch beispielsweise eine isolierte sensorineurale Hörminderung. Und neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Assoziation zwischen der Infektion und späteren autistischen Störungen besteht.

Das Virus persistiert und kann reaktiviert werden

Die Infektion mit dem Zytomegalievirus beim gesunden Erwachsenen verursacht meist nur unspezifische, selbstlimitierende Symptome wie Abgeschlagenheit oder Lymphknotenschwellungen und bleibt oft unentdeckt. Eine wichtige Rolle für die Prävention spielen Hausärzte, die ihre Patientinnen im gebärfähigen Alter über die potenzielle Gefahr aufklären sollten, so Dr. Megan Pesch vom Department of Pediatrics der University of Michigan und Kollegen. Dazu gehören insbesondere Verweise auf vorbeugende Maßnahmen (s. Kasten).

Das Zytomegalievirus wird durch Speichel, Urin und andere Körperflüssigkeiten übertragen – vor allem von kleinen Kindern. Einmal im Körper, persistiert es ein Leben lang und kann immer wieder reaktiviert werden. Hat eine Frau die Infektion bereits in früheren Jahren durchgemacht und erleidet dann in der Schwangerschaft einen Ausbruch, liegt die vertikale Transmissionsrate bei < 1 %. Kommt es allerdings in der Gravidität zu einer Erstinfektion, liegt das Übertragungsrisiko bei 30–35 %. Das Virus gelangt über die Plazenta ins ZNS des Fötus, wo es immensen Schaden anrichten kann. Vermutlich führt die Infektion aber auch häufig zu einer Fehlgeburt.

Zeigt eine Schwangere Symptome, kann ihr Serum auf Antikörper gegen das Zytomegalievirus getestet werden. Gibt es Vorbefunde, spricht eine maternale Serokonversion für eine kongenitale Erstinfektion. Routinemäßige CMV-Screenings im Rahmen der Schwangerenvorsorge werden derzeit noch kontrovers diskutiert. Auf eine kongenitale Infektion können auffällige Befunde in der Bildgebung beim Fötus hindeuten, beispielsweise Wachstumsverzögerungen oder intrakranielle Verkalkungen. Verdachtsfälle gehören in die Hand eines erfahrenen Pränatalmediziners, der über eine Amniozentese das Zytomegalievirus im Fruchtwasser nachweisen kann.

Tipps zur Prävention einer kongenitalen Zytomegalie

Schwangere sollten folgende Verhaltensregeln befolgen:

  • jeglichen Kontakt mit dem Speichel von Kindern vermeiden
  • Kinder nicht auf den Mund küssen, lieber Stirn oder Wange anbieten
  • Speisen, Besteck und Tassen nicht mit kleinen Kindern teilen
  • Hände nach Windelwechsel oder Putzen einer Kindernase gründlich waschen
  • eventuell Händedesinfektionsmittel benutzen
  • nverschmutzte Schnuller zum Reinigen nicht in den Mund nehmen

Symptome beim Baby von Gelbsucht bis Krampfanfälle

Derzeit sind keine zugelassenen Medikamente auf dem Markt, um eine Übertragung des Virus auf das Ungeborene und/oder den Ausbruch der Erkrankung beim Neugeborenen zu verhindern. In einem Punkt geben die Autoren allerdings Entwarnung: Mütter, die bereits ein Kind mit cCMV geboren haben, tragen bei erneuter Schwangerschaft kein erhöhtes Risiko.

Offensichtliche Symptome beim Baby reichen von zu niedrigem Gewicht über Mikrozephalie, Gelbsucht, Hepatosplenomegalie und Petechien bis hin zu schwachem Muskeltonus, Krampfanfällen und Fütterungsproblemen. Zunächst unbemerkt oder als Spätfolge einer kongenitalen CMV-Infektion, kann es zu Beeinträchtigungen von Gehör und Augenlicht sowie diversen Störungen von Kognition, Motorik und Verhalten kommen.

Die Diagnose der cCMV-Infektion gelingt in den ersten 21 Lebenstagen über Urin und Speichel. Danach bleibt nur der Virusnachweis im gelagerten Trockenblut aus dem Neugeborenen-Screening, falls vorhanden, um die kongenitale Ansteckung nachzuweisen und sie von einer postpartalen Infektion zu unterscheiden. Letztere hat die deutlich bessere Langzeitprognose.

Als medikamentöse Therapie empfiehlt die European Society For Paediatric Infectious Diseases für symptomatische Neugeborene und solche mit isoliertem sensorineuralen Hörverlust die antivirale Therapie mit Valganciclovir (off label). Diese sollte möglichst rasch (< 1 Monat) beginnen, über sechs Monate fortgeführt und streng kontrolliert werden. Das Management von cCMV-Kindern schließt bis zur Adoleszenz ein engmaschiges ophthalmologisches und audiologisches Monitoring sowie die Beurteilung des körperlichen und geistigen Entwicklungsstandes ein. Beides ist essenziell, um frühzeitig z.B. Hörgeräte, Gebärdensprache, Geh- oder Lernhilfen anbieten und dadurch Verzögerungen entgegenwirken zu können. Solange kausale Therapien rar und ein Vakzin noch nicht zugelassen ist, ist der Dreiklang aus Aufklärung, Prävention und frühzeitiger Diagnostik bei Verdachtsfällen State of the Art.

Pesch MH et al. BMJ 2021; 373: n1212; doi: 10.1136/bmj.n1212

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune