Spermidin gegen Altersdemenz?
Follow-up-Daten einer österreichischen Pilotstudie zu den positiven Wirkungen einer spermidinreichen Ernährung auf die geistige Fitness von Menschen in Altersheimen zeigen signifikante kognitive Leistungssteigerungen im Langzeitverlauf. Spermidin führte in der kleinen Studie zudem zu besseren Ergebnissen als die verfügbaren Medikamente.

Demenzerkrankungen zählen zu den größten medizinischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der immer älter werdenden Gesellschaft. Etwa ab dem 60. Lebensjahr steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an Altersdemenz bzw. Alzheimer zu erkranken. So wäre es von großem Interesse und Nutzen, diese bedrohliche Erkrankung hinauszuzögern oder gar zu verhindern.
„Der Spermidin-Spiegel im Blut korreliert mit der Gedächtnisleistung des Gehirns. Je mehr Spermidin im Blut vorhanden ist, desto besser ist die Gedächtnisleitung“, stellt Univ.-Prof. Dr. Reinhart Jarisch, FAZ Floridsdorfer Allergiezentrum, Wien, im Rahmen einer Veranstaltung der Gesellschaft der Ärzte in Wien, fest. „Junge Menschen haben hohe Spermidin-Spiegel im Blut, je älter man wird, desto niedriger werden die Spermidin-Spiegel. Männer schneiden hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten im Alter etwas besser ab als Frauen, aber nur marginal“, so Jarisch.
Spermidin besser als Medikamente?
In einem Forschungsprojekt der Fachhochschule Wiener Neustadt (Dr. Thomas Pekar) und FAZ – Floridsdorfer Allergiezentrum (Univ.-Prof. Dr. Reinhart Jarisch) wurden 90 Personen aus fünf steirischen Seniorenheimen in eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Pilotstudie (1) eingeschlossen.
Vor Beginn der Studie und nach drei Monaten wurden Memory-Tests (MMSE) bei den Probanden durchgeführt, sowie Bestimmungen des Spermidin-Spiegels im Blut.
Während der Studie haben die Teilnehmer täglich Brötchen entweder mit Weizenkeimen (Verum) oder Weizenkleie (Placebo) gegessen.
„Bereits nach einem Monat wurde beim Verum ein Plateauspiegel an Spermidin im Serum erreicht, während beim Placebo keine Änderung zu beobachten war“, informiert Jarisch. „Wurden die Gedächtnisleistungen und verbalen Leistungen der Teilnehmer nach drei Monaten verglichen, so zeigte sich beim Verum eine Zunahme. Beim Placebo zeigt sich dagegen eine Abnahme.“
Daraus schließt Jarisch, dass eine Unterdosierung von Spermidin nach drei Monaten sogar eine Verschlechterung der kognitiven Leistungen mit sich bringt. „In Apotheken werden Spermidin-Kapseln zu 2mg angeboten, die eigentlich eine Placebo-Dosis darstellen. Denn für eine adäquate Wirkung sind 4mg Spermidin erforderlich“, unterstreicht Jarisch.
Beim Memory-Test (Mini Mental Status, 0-30 Punkte, Anm.) zeigte sich eine Verbesserung um zwei Punkte. Jarisch gibt zu bedenken: „Die besten Medikamente, die derzeit zur Verfügung stehen, schaffen eine Verbesserung von 1,39 Punkten.“
Langzeit-Daten bestätigen Wirkung
Nach einem Jahr war eine Steigerung der Punktezahl im Memory-Test um 5 Punkte (von 15 auf 20 in einem Seniorenheim) bzw. um 3 Punkte (von 17 auf 20 in einem anderen Seniorenheim) feststellbar (2) – laut Jarisch deutlich über den Werten, die angebotene Medikamente erreichen können.
Eine weitere Evaluierung nach 2,5 Jahren zeigte, dass 70% der Teilnehmer sich weiter verbessert haben. Das, obwohl sie natürlich älter geworden sind (im Detail: 68% haben sich verbessert, 5% sind gleichgeblieben). „Sogar eine 93-jährige Dame konnte ihre MMSE-Punktezahl von 17 auf 24 steigern“, berichtet Jarisch. Er unterstreicht: „Spermidin hat ein breites Spektrum an positiven Wirkungen: nicht nur auf das Gehirn, sondern auch bezüglich Herz, Atherosklerose, Blutdruck etc.“ (5)
Demenz-Prävention: Melatonin versus Biologika
Viel Forschung wird bei Biologika betrieben, aber der Effekt ist gering. So kann laut einer rezenten Studie mit Biologika der Beginn von Alzheimer nur um wenige Monate verzögert werden. (3)
„ß-Amyloid wird häufig als ursächlich an der Entstehung von Demenz diskutiert. Bei der letzten Demencia World Conference (DWC 2024) in San Francisco wurden Daten präsentiert, die zeigen, dass ß-Amyloid nichts mit Alzheimer zu tun hat“, unterstreicht Jarisch. „Dies erklärt auch, warum Biologika, die gegen das ß-Amyloid gerichtet sind, letztendlich nicht wirken, weil es das falsche Ziel darstellt.“
Kaniklidis C et al. konnten zeigen, dass Melatonin bei Alzheimer signifikant besser wirkt als Biologika. Jarisch abschließend: „Um Alzheimer bzw. Altersdemenz zu verhindern, empfehle ich daher morgens einen Esslöffel Weizenkeime und abends eine Tablette Melatonin (2mg) einzunehmen. Etwas Wirksameres kann man im Augenblick nicht anbieten.“
Kost mit reichlich Spermidin
Eine langfristige Umstellung auf spermidinreiche Kost verbessert die Gedächtnisleitung demnach nachhaltig und gibt Hoffnung, dass der Verlauf von Demenzerkrankungen positiv beeinflusst werden kann.
In rund 10g Weizenkeimen, was einem gehäuften Esslöffel entspricht, sind 4,7mg Spermidin enthalten. So könne mit z.B. in Weizenkleie enthaltenem Spermidin – mit Milch oder Joghurt verrührt – täglich ein Beitrag gegen das Auftreten von Altersdemenz geleistet werden. Spermidin ist außerdem reichlich in Kürbiskernen, Soja, Pilzen und reifem Käse enthalten. (4)
- Peknar T, Jarisch R et al., Wien Klin Wochenschr 2020; 132:42-46
- Peknar T, Jarisch R et al., Wien Klin Wochenschr 2024; 136(1-2):64-66
- Terao I & Kodama W, J Alzheimer Dis 2024; 98(3):825-835
- FHWN-Studie: Spermidin wirkt besser gegen Demenz als Medikamente: https://presse.fhwn.ac.at/news-fhwn-studie-spermidin-wirkt-besser-gegen-demenz-als-medikamente?id=154551
- Jarisch R: Spermidin stark gegen Demenz. Das Anti-Aging-Wunder aus der Natur: geistig fit bis ins hohe Alter. Thieme 2022, ISBN 9783432114552.