9. März 2022Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich

FOPI im Interview: “Innovation ist unsere DNA”

Dr. Bernhard Ecker, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI), FOPI-Generalsekretärin Dr. Ines Vancata und die stellvertretende FOPI-Generalsekretärin Cornelia Moser erklären im Interview, warum neue Medikamente sich trotz hoher Entwicklungskosten – auch ökonomisch – auszahlen. Die Interessensvertretung der forschenden Pharmaindustrie spricht sich für eine Erleichterung des Zugangs zu innovativen Arzneimitteln aus.

Schließen Sie herauf Handwissenschaftler im blauen Handschuh unter Verwendung des Mikroskops im Labor.
iStock/toeytoey2530

Michael Krassnitzer: Was ist das FOPI und worin liegen seine Ziele?

Dr. Bernhard Ecker: Wir sind die Interessenvertretung von 24 Unternehmen in Österreich mit einer Wertschöpfung von rund 4,8 Milliarden Euro und zirka 10.000 Mitarbeitern. Indirekt schaffen diese Unternehmen 63.000 Arbeitsplätze. Wir stehen im Wesentlichen für drei Dinge: Innovation, zeitgerechter und fairer Zugang zu Innovation, gemeinsames Gestalten.

Dr. Ines Vancata: Uns geht es um die großen Themen und darum, gemeinsam mit den anderen Playern des Gesundheitssystems für die Patienten Lösungen zu schaffen – reine Forderungspapiere zu erstellen ist hier nicht der Weg, den wir einschlagen möchten. Das österreichische Gesundheitssystem ist sehr komplex, geprägt von Föderalismus und veralteten Strukturen. Wir wollen dazu beitragen, dieses System fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.

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Innovation ist die DNA unserer Firmen. Wir sind dazu da, neue Therapien zu entwickeln. Daher wünschen wir uns einen zeitgerechten und fairen Zugang zu diesen Innovationen.
Dr. Bernhard Ecker

Sie setzen sich für einen fairen Zugang zu Innovationen ein. Sind Sie der Ansicht, dass es dabei derzeit nicht fair zugeht?

Ecker: Innovation ist die DNA unserer Firmen. Wir sind dazu da, neue Therapien zu entwickeln. Daher wünschen wir uns einen zeitgerechten und fairen Zugang zu diesen Innovationen. In diesem Bereich gibt es einiges zu verbessern. Ob ein Medikament erhältlich ist, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Manche Produkte werden erst gar nicht zugänglich gemacht.

Cornelia Moser : Der oft nicht vorhandene Zugang zu den neu entwickelten Medikamenten ist nicht das einzige Problem. Es kommt auch darauf an, wie schnell ein Medikament verfügbar gemacht wird. Hier liegt Österreich lediglich im europäischen Mittelfeld.

Ecker: Und dann besteht auch noch ein Unterschied zwischen Verfügbarkeit und Erstattungsfähigkeit. Ein Medikament, das sich in der roten Box des Erstattungskodex‘ befindet, ist auch „verfügbar“ – aber nur sehr restriktiv.

Können Sie Beispiele für den eingeschränkten Zugang zu Innovation nennen?

Ecker: Es gibt Medikamente, die nicht leitliniengerecht angewandt werden können, weil sie nur 20 Prozent jener Patienten zur Verfügung gestellt werden, die diese Medikamente brauchen. Es gibt Indikationen, bei denen seit 14 Jahren kein neues Medikament in den Erstattungskodex aufgenommen wurde, etwa im Bereich der Depressionen. Die Sozialversicherung argumentiert mit den stark steigenden Medikamentenausgaben, denen sie Einhalt gebieten müsse.

Vancata: Es wird immer so dargestellt, als ob die Ausgaben für Arzneimittel explodieren. Aber das stimmt nicht. Medikamente sind kein Kostentreiber! Arzneimittel haben in den letzten Jahren konstant ungefähr 13 Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets ausgemacht.

Ecker: Im Bereich von Diabetes machen die Arzneimittel sechs Prozent der Gesamtkosten aus. Hier wird die Primärversorgung aufs Sträflichste vernachlässigt. Die Sozialversicherung spart zwar Geld, dafür entstehen später durch Herzinfarkte, Schlaganfälle und Niereninsuffizienz woanders viel höhere Folgekosten – aber eben nicht im Budget der Sozialversicherung.

Moser: Es ist wichtig, nicht nur auf die aktuellen Kosten zu schauen, sondern auf die Auswirkungen in der Zukunft. Ein neu entwickeltes Medikament, kann Kosten in fünf, zehn oder 20 Jahren sparen. Eine Ein-Jahres-Betrachtung kann solche Effekte nicht abbilden.

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Die duale Finanzierung und die damit verbundene Fragmentierung sind definitiv ein großes Thema. Auch der Föderalismus: Es kann nicht sein, dass Patienten von Bundesland zu Bundesland wandern müssen, um Therapien zu bekommen.
Dr. Ines Vancata

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden?

Ecker: Die vorhandenen Mittel müssen gerechter verteilt werden. Der Pharma Forecast Austria prognostiziert für 2022 bei den Beiträgen der pflichtversicherten Erwerbstätigen eine Steigerung von 5,7 Prozent, die Ausgaben für Heilmittel und Arzneien sollen demnach jedoch nur um 2,7 Prozent wachsen, was einer Diskrepanz von rund 100 Millionen Euro entspricht. Fair wäre, wenn sich das Plus bei den Einnahmen in einem entsprechenden Plus bei den Medikamentenausgaben niederschlägt.

Themenwechsel: Durch Engpässe bei der Arzneimittelversorgung ist in den letzten Jahren die Versorgungssicherheit ein Thema geworden. Wie steht es dabei in Bezug auf innovative Arzneimittel?

Moser: Der Großteil der innovativen Arzneimittel, die in Österreich am Markt sind, wird in der westlichen Welt erzeugt. 62,5 Prozent kommen aus den EU-Ländern, 13,5 Prozent aus der Schweiz, 3,9 Prozent aus Großbritannien. Aber Unabhängigkeit in der Produktion wird es nie geben; Produktion ist ein globales Thema. Pfizer zum Beispiel benötigt für seinen Covid-19-Impfstoff nach eigenen Angaben 280 Komponenten von 86 Zulieferern aus 19 Ländern.

Ecker: Die Lösung kann nur lauten: Jene Kooperationen, die notwendig sind, sicher und zuverlässig gestalten.

Wie steht es mit der klinischen Forschung in Österreich, die ja eng mit der Entwicklung innovativer Medikamente verbunden ist?

Vancata: Die Kosten der klinischen Forschung sind in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Die Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet bis zu zweieinhalb Milliarden Dollar. Das liegt vor allem an den stark gestiegenen Qualitätsanforderungen.

Ecker: Die österreichische Pharmaindustrie investiert enorm in die klinische Forschung. Insgesamt stecken unsere Mitgliedsunternehmen 300 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Bis zu 6.000 Patienten pro Jahr sind in klinische Studien eingeschlossen. Allerdings ist die Anzahl der Studien pro Jahr leicht rückläufig, weil die Durchführung klinischer Studien in Österreich wenig attraktiv ist. Das hat nichts mit der Qualität unserer Ärzte oder Kliniken zu tun, im Gegenteil bieten sie eine sehr hohe Qualität, sondern mit den Zugangshürden für die entwickelten Innovationen. Dass wir der Sozialversicherung durch unsere klinischen Prüfungen im Jahr zirka 100 Millionen Euro an Medikamentenkosten ersparen, interessiert diese leider nicht. Auch die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze, die klinische Forschung in Österreich bringt, findet wenig Anerkennung.

Moser: Das Investment in klinische Forschung nützt natürlich auch den Kliniken und den Ärzten. Dass Ärzte Erfahrungen mit innovativen Medikamenten bereits in der Studienphase machen, ist von essenzieller Bedeutung. Mit durchschnittlich 15 Prozent des Umsatzes hat die forschende Pharmaindustrie von allen Branchen den mit Abstand höchsten Anteil an Forschungs- und Entwicklungskosten in Prozent des Umsatzes.

Wie wichtig ist der Patentschutz für die forschende Pharmaindustrie?

Ecker: Patentschutz ist die Triebfeder von Innovationen. Wenn Fortschritt passieren soll, muss er der Gesellschaft auch etwas wert sein. Ein Impfstoff gegen die neue Omikron-Variante des Coronavirus kann von den Herstellern innerhalb von 100 Tagen zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube nicht, dass das irgendwelche anderen Unternehmen in dieser Geschwindigkeit und Qualität leisten könnten.

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Mit durchschnittlich 15 Prozent des Umsatzes hat die forschende Pharmaindustrie von allen Branchen den mit Abstand höchsten Anteil an Forschungs- und Entwicklungskosten in Prozent des Umsatzes.
Cornelia Moser

Zurück zu den von Ihnen eingangs angesprochenen „großen Themen“: Welche Strukturen sind es, die in Österreich den Zugang zu innovativen Arzneimitteln erschweren?

Moser: Patentschutz ist die Voraussetzung für Innovation in allen Bereichen. Die Innovationskraft eines Landes wird gerne mit der Anzahl seiner angemeldeten Patente definiert.

Vancata: Die duale Finanzierung und die damit verbundene Fragmentierung sind definitiv ein großes Thema. Auch der Föderalismus: Es kann nicht sein, dass Patienten von Bundesland zu Bundesland wandern müssen, um Therapien zu bekommen. Das System kann nicht mehr mit dem Tempo der Innovation und der medizinischen Forschung Schritt halten. Innovative Behandlungsmöglichkeiten wie Gentherapien, Therapien für seltene Erkrankungen oder Precision Medicine passen nicht in dieses System und können auch nicht passend gemacht werden.

Ecker:Das zersplitterte Finanzierungssystem macht ganzheitliches Denken bei Gesundheitskosten schwierig. Insbesondere bei chronischen Massenerkrankungen funktioniert das Zusammenspiel zwischen intramuralem und extramuralem Bereich nicht. Im extramuralen Bereich ist die Sozialversicherung sehr aufs Sparen bedacht und drückt die Medikamentenpreise, was dazu führt, dass Medikamente nur eingeschränkt zugänglich sind oder gar nicht auf den österreichischen Markt kommen. In den Krankenhäusern wird dann teure Reparaturmedizin betrieben.

Wir möchten aber nicht den Eindruck erwecken, dass im österreichischen Gesundheitssystem alles schlecht sei. Was die Akutversorgung betrifft, sind wir wahrscheinlich eines der besten Länder der Welt. Bei chronischen Massenerkrankungen würde ich mir allerdings Verbesserungen wünschen. Es ist notwendig, unser System auf die revolutionären Innovationen vorzubereiten, die vor der Tür stehen.

FOPI

Das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) ist die heimische Interessenvertretung von 24 internationalen Pharmaunternehmen mit Fokus auf Forschung und Entwicklung. Als Partner im Gesundheitswesen setzt sich das FOPI für den Zugang zu innovativen Arzneimitteln und damit für die bestmögliche medizinische Versorgung in Österreich ein.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune