25. März 2020Studien in Europa starten in Kürze

APN01 gegen Corona: Hoffen auf „Verteidiger und Torwart“

Peter Llewellyn-Davies
Apeiron

Viele sitzen schon auf Nadeln, ob die Idee des renommierten Genetikers Prof. Dr. Josef Penninger, mit löslichem ACE2 gegen das SARS-CoV-2 ins Feld zu ziehen, funktioniert. Nun wurde bekannt, dass das von ihm gegründete Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics AG mit Sitz in Wien demnächst auch in Europa Studien und individuelle Heilversuche mit dem Biopharmazeutikum namens „APN01“ vorbereitet. Medonline fragte bei Apeiron-CEO Peter Llewellyn-Davies nach, wie derzeit der Stand der Dinge ist.

APN01 ist ein von Apeiron infolge der SARS-Pandemie 2003 entwickeltes biotechnologisch hergestelltes rekombinantes Angiotensin Converting Enzyme 2 (rhACE2) mit einer dualen Wirkungsweise: Einerseits soll das intravenöse Biopharmazeutikum als „Verteidiger“ das Virus abwehren, andererseits als „Torwart“ die Lunge vor Entzündungsreaktionen schützen, veranschaulicht Vorstandsvorsitzender Peter Llewellyn-Davies. Neu ist: Klinische Zulassungsstudien sind wie berichtet nicht nur in China geplant, sondern nun auch in Europa, wie außerdem individuelle Heilversuche in Österreich – nicht zuletzt dank der Forschungsförderung der Bundesregierung. Läuft alles gut, könnte das Medikament auch hierzulande und in anderen europäischen Ländern hergestellt werden.

medonline: Alle Welt schaut auf die forschende Industrie in der Hoffnung, dass es bald ein Medikament gegen das SARS-CoV-2 gibt. Ihr Unternehmen Apeiron hat schon eine lange Vorlaufzeit, da Firmengründer Prof. Dr. Josef Penninger sehr viel über rhACE2 bzw. APN01, ein lösliches humanes ACE2, geforscht hat. Was sind denn die bisherigen Ergebnisse klinischer Studien der Phase I und II, was die Sicherheit und Verträglichkeit betrifft?

Llewellyn-Davies: Bisher sind einschließlich der Phase-II-Studien insgesamt fünf Studien gelaufen (die Lizenzrechte für APN01 waren von 2010 bis 2019 bei GSK, Anm. der Red.), mit insgesamt 89 Personen. Es waren im Wesentlichen Patienten mit der Lungenkrankheit ARDS, dem Acute Respiratory Distress Syndrome, bei der auch SARS und SARS-CoV-2 einen Anteil haben. Die Studien haben gezeigt, dass es keine „adverse events“, also keine schweren Nebenwirkungen gibt, weder in den gesunden Probanden noch bei den Patienten. Aus unserer Sicht bzw. aus Sicht der jeweiligen Prüfärzte ist der Medikamenten-Kandidat APN01 gut verträglich und sicher.

In letzter Zeit ist immer wieder diskutiert worden, ob ACE-Hemmer und ACE-2-modulierende Medikamente sich ungünstig auf Covid-19-Patienten auswirken, da diese ACE2 vermehren können und ACE2 ja als Türöffner für das SARS-CoV-2 fungiert. Was ist nun der Unterschied zwischen Ihrem Therapeutikum, also dem externen ACE2, und dem internen, körpereigenen ACE2?

Llewellyn-Davies: Ja, das interne ACE2 ist ein Rezeptor auf der Oberfläche der menschlichen Zellen und ist der Eintrittspunkt für das SARS-CoV-2. Das heißt, das ist tatsächlich der Rezeptor, der dieses Virus auffängt. APN01 ist ein extern zugeführtes rekombinantes ACE2 und hat eine duale Wirkungsweise: Erstens bindet sich das Virus an das lösliche ACE2 anstatt an das ACE2 an den Zellen. Das heißt, das Virus ist dann auf dem löslichen ACE2, dem APN01, und kann dadurch nicht die Zellen infizieren, sondern wird vom Immunsystem abgebaut. Das ist der erste Einsatz, quasi als Verteidiger, der die Lunge freihält. Dann haben wir den Einsatz als Torwart, die zweite Wirkungsweise: die Reduzierung der schädlichen Entzündungsreaktionen in der Lunge und der Schutz vor dem Lungenversagen durch ARDS. Das heißt, dass das bei den Patienten gestörte Gleichgewicht zwischen bestimmten Enzymen in der Lunge wieder hergestellt wird, und zwar das Gleichgewicht zwischen ACE und ACE2 bzw. präziser zwischen Angiotensin (Ang) 2 und Ang 1–7. Wir gehen also davon aus, dass sich unser Wirkstoff APN01 positiv auf Covid-19-Patienten auswirkt. Wenn wir unsere Phase-II-Studie bald beginnen können, ist APN unseres Wissens nach auch das einzige Medikament in der klinischen Entwicklung in Europa, dessen Wirkweise spezifisch gegen das SARS-CoV-2 gerichtet ist.

Zur Pathophysiologie bei Covid-19: Prof. Penninger hat in Vorträgen gesagt, dass das Virus auch andere Organe, die ACE2 exprimieren, wie Herz, Darm, Nieren etc., befallen kann und APN01 daher möglicherweise nicht nur vor Lungenversagen schützen könnte, sondern auch vor multiplem Organversagen?

Llewellyn-Davies: Dabei hat er aber auch auf die unbekannte Datenlage bei Covid-19 hingewiesen. Ich kann auch momentan nur über die Fakten reden, die jetzt vorliegen: Das SARS-CoV-2 befällt insbesondere die Lunge, wie wir bei durch Covid-19 ausgelösten Todesfällen sehen, das ist letztendlich auf akutes Lungenversagen zurückzuführen. Die Tatsache, dass vor allem ältere Menschen von Covid-19 betroffen sind und insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen, z.B. am Herzen, an Covid-19 sterben, könnte wirklich darauf hindeuten, dass das Virus auch andere Organe befällt. Aber dazu liegen uns wie gesagt noch keine gesicherten Erkenntnisse vor.

Wann, wo und wie wird APN01 nun getestet?

Llewellyn-Davies: APN01 wird intravenös verabreicht und konkret zur Behandlung von schweren Covid-19-Infektionen, das heißt stationär in den jeweiligen Kliniken getestet. Die Studien der Phase II sind in weit fortgeschrittener Vorbereitung. Wir gehen wirklich davon aus, dass wir in wenigen Wochen starten können, insbesondere in Europa. In China sind wir auch in fortgeschrittener Vorbereitung, aber das Neue ist, dass wir eben auch in Europa eine Studie beginnen wollen. Gleichzeitig haben wir auch individuelle Heilversuche in Österreich, das heißt, der Kontakt zu Kliniken läuft – aus Datenschutzregeln dürfen wir darüber nichts sagen. Aber das Gute ist: Das Material ist vor Ort und weiteres Material ist in Vorbereitung. Wir sind sieben Tage in der Woche mit diesem Projekt beschäftigt und arbeiten mit Vollgas an den Behandlungsmöglichkeiten. Also um die genannte Veranschaulichung zu verwenden: Unser Team sind die „Stürmer“.

Falls alles gut geht, wo könnte Apeiron das Medikament in großem Stil biotechnologisch herstellen lassen? Ist dies auch in Österreich und anderen europäischen Staaten möglich?

Llewellyn-Davies: Wir sind schon einen großen Schritt weiter und haben in Österreich schon einen Anbieter, der für uns Material in Kürze herstellen wird. Nach einer möglichen Zulassung ist aber eine Produktion in viel größerem Maße notwendig. Wir haben auch hierfür geeignete Anbieter in diversen Ländern angesprochen bzw. sind in Kontakt mit ihnen. Die Finanzierung ist für die erste Phase weitestgehend gesichert, da möchte ich großen Dank an die österreichische Bundesregierung äußern, weil sie uns in dieser schwierigen Situation als Biotech-Unternehmen großzügig unterstützt. Aber für die gesamte Studie sowie für die weiteren Schritte, wie die großtechnische Herstellung, ist die Finanzierung noch nicht durch.

Haben Sie da die von der Bundesregierung jüngst verkündete Forschungsförderung von 22 Millionen Euro angesprochen?

Llewellyn-Davies: Ganz genau. Aus diesem Etat heraus erhalten wir sicherlich Unterstützung für unsere Tätigkeiten. Dennoch suchen wir noch nach Investoren, um die Studie und die nächsten Entwicklungsschritte zu finanzieren.

Ist es richtig, dass es trotzdem noch Monate dauert, bis das Medikament bei einer möglichen Zulassung in großem Stil angewendet werden kann?

Llewellyn-Davies: Ja, bei den Vakzinen redet man sogar von 12 bis 18 Monaten und bei unserem Therapeutikum haben wir den Vorteil, dass wir schon die Phasen I und IIa hinter uns haben, sodass wir direkt in die Phase IIb gehen können. Das beschleunigt natürlich den Prozess. Wir haben auch engste Kontakte zu den regulatorischen Behörden in Österreich, aber auch in ganz Europa, sodass wir auf eine möglichst schnelle Zulassung hoffen, wenn alles gut läuft.

Das bedeutet aber auch, dass wir weiterhin alles daran setzen müssen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen bzw. zu verlangsamen?

Llewellyn-Davies: Ja. Genau das ist der einzige Weg im Augenblick. Wir kennen die auch in den sozialen Netzwerken verbreiteten Infektionskurven, wenn etwas unternommen wird und wenn nichts getan wird. Es ist ja so, dass die Experten sich einig sind, dass Hygiene, hohe Testraten und der soziale Abstand mit dem Motto „Bleiben Sie zuhause“ die besten und wirksamsten Maßnahmen in dieser Situation sind. Die Studie des Imperial College in London, wo die Gefahr des Dammbruchs des Gesundheitssystems vorliegt, zeigt, dass die „Social Isolation“ die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Infektion deutlich verlangsamen kann. Das medizinische Personal muss natürlich geschützt sein, weil die Gesundheitsversorgung jetzt das Wichtigste ist. Daher ist es jetzt richtig, diese Kurve flach zu halten.

Was können Covid-19-Patienten in Heimquarantäne tun, worauf sollen sie besonders achten, damit sie nicht in Gefahr laufen, z.B. bei zunächst milden Symptomen, aber dann zunehmender Atemnot zu spät hospitalisiert zu werden, wie es auch schon vorgekommen sein soll?

Llewellyn-Davies: Da muss man unterscheiden zwischen Social Distancing, Self Isolation und Quarantäne. Social Distancing reduziert wie besprochen die Ansteckungsgefahr und da wird im Wesentlichen nicht getestet. Self Isolation betrifft Menschen, die entweder in einer Risikogruppe sind oder einen Risikokontakt hatten, und die Quarantäne ist für positiv getestete Menschen ohne Symptome oder für Menschen, die aus Risikoländern einreisen. Die angesprochenen Fälle in Quarantäne kenne ich persönlich nicht und kann sie daher nicht kommentieren. Das oberste Ziel ist es, die weitere Ausbreitung zu verhindern. Aber: Bei Auftreten von Symptomen soll man die Hotline anrufen, in Österreich 1450, und bei Auftreten schwerwiegender Symptome wie Atemnot müssen die Patienten sofort stationär behandelt und engmaschig überwacht werden. Aus den Daten in China und Italien hat es sich gezeigt, dass die sehr schweren bis tödlichen Verläufe von Covid-19 meist bei älteren Patienten mit einer oder mehreren Vorerkrankungen auftreten.

Mittlerweile ist bekannt, dass die Viruslast zunächst im Rachenraum sehr hoch ist und es dort zu einer Vermehrung kommt, bevor das Virus tiefer in die Lunge geht. Kann man hier prophylaktisch etwas tun, um das zu verhindern?

Llewellyn-Davies: Das ist genau der Punkt: ACE2 ist sowohl im oberen als auch im unteren Bereich der Atemwege. Das heißt, dass wir mit unserem doppelten Ansatz von APN01 das Virus in den Atemwegen und dann auch noch vor der Lunge abfangen können, was eine wesentliche Bedeutung für die Behandlung und die Verhinderung des Lungenversagens hat.

Was liegt Ihnen abschließend zu dem Thema in dieser für alle herausfordernden Zeit ganz besonders am Herzen?

Llewellyn-Davies: Mir liegt besonders am Herzen, dass die Menschen auf sich achten und dass vielleicht jene Menschen, die – nicht so wie wir jetzt – etwas weniger Arbeit haben als vorher, diese Zeit auch nutzen, um grundsätzlich zu überdenken, wie sie leben, und einfach auch das Positive zu sehen. Vielleicht, dass das Leben ein bisschen ruhiger wird und dass auch eine grundsätzliche Änderung auf unsere Menschheit kommt – mit mehr Zeit für sich, für seine Familien und für die Menschen, die einem wichtig sind. Bleiben Sie gesund!

Sie auch! Besten Dank für das Gespräch und alles Gute!