19. Sep. 2014

20 Jahre Welt-Alzheimer-Tag

Am 21. September macht der von der Alzheimer’s Disease International und der WHO initiierte Welt-Alzheimer-Tag die Öffentlichkeit auf die Situation Alzheimer-Kranker Menschen und deren Angehörigen aufmerksam.

Anlässlich des Welt-Alzheimertages am 21. September wies Sozialminister Rudolf Hundstorfer auf die Herausforderung hin, der sich unsere Gesellschaft durch die steigende Anzahl demenzieller Erkrankungen stellen müsse. Das Regierungsprogramm sehe nich in der aktuellen Gesetzgebungsperiode die Erarbeitung einer Demenzstrategie für Österreich vor. Aktuell werde in enger Zusammenarbeit zwischen Sozialministerium und Gesundheitsministerium ein Demenzbericht erarbeitet, der eine wesentliche Grundlage für die daraus folgende Demenzstrategie darstellen werde. Für den Sozialminister liegte der Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung sowie im Auf- und Ausbau von Versorgungsstrukturen für Menschen mit Demenz. Über den Pflegefonds werde für diesen Ausbau Geld bereitgestellt.

Zur besseren Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Verpflichtungen von Angehörigen wurde neben der Förderung der 24 Stunden-Betreuung die Angebotspalette für betreuenden Angehörige um das Pflegekarenz(geld) und die Pflegeteilzeit erweitert.

Demenz in Entwicklungsländern

Von den weltweit rund 44 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen leben zwei Drittel in “Less Developed Countries” (LDC). Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Erkrankten auf voraussichtlich 135 Millionen ansteigen, für die bevölkerungsreichen Staaten China und Indien sowie die afrikanischen Länder südlich der Sahara dürften die Auswirkungen dramatisch werden. Im Vorjahr prognostizierte das von der Europäischen Kommission geförderte Alzheimer-Kooperationsprojekt Alcove eine Zunahme der Demenzerkrankungen in Europa von heute sechs auf zehn Millionen Erkrankte im Jahr 2040.

Lebensstil kann Ausbruch verzögern und Verlauf verlangsamen

Bei einem Medientermin der Alzheimer Gesellschaft und der Gesellschaft für Neurologie hieß es, dass derzeit keine signifikanten Durchbrüche in Richtung einer möglichen Heilung zu verzeichnen seien. Umso wichtiger seien Prävention, Früherkennung und Therapie. Man könne die Weichen frühzeitig eher in die positive oder negative Richtung stellen: Lebensstil-Strategien würden Ernährung, Freizeit- und Sportgewohnheiten, aber auch das soziale Umfeld und geistige Herausforderungen umfassen, welche eine eine signifikante Rolle spielten.

Der Neurologe Peter Dal-Bianco erklärte, dass zusätzliche Interventionen einen essenziellen Einfluss auf den Krankheitsverlauf bedeuten würden. Vor allem eine aktive Teilnahme am Leben spiele eine große Rolle. Georg Psota, Vizepräsident der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft, meinte, ein Jahr Verzögerung der Übersiedelung in ein Heim sei durchaus realistisch.

Einerseits gebe es unbeeinflussbare Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht oder genetische Veranlagung, andererseits könne durch Lebensstiländerungen – möglichst im frühen Lebensalter – wirksam gegengesteuert werden.

Volkshilfe und Alzheimer Austria schlagen Alarm

Im Zuge einer repräsentativen Umfrage hat der “Volkshilfe Sozialbarometer” die Einstellung der Österreicher zum Thema Demenz und Pflege erhoben. Anlässlich des Welt-Alzheimertags wurden am 15. September die teils erschreckenden Ergebnisse der gemeinsam mit SORA erstellten Umfrage präsentiert:

Bild: Pressegespräch mit Antonia Croy und Erich Fenninger
Sozialbarometer zeigt: Betreuungsangebote für Menschen
mit Demenz nicht ausreichend oder unbekannt.

Die Hälfte der Befragten denkt, dass Unterstützungsangebote für demenzerkrankte Menschen, wie beispielsweise Tageszentren, nicht ausreichend vorhanden und nicht leistbar sind. Unter den Menschen, die direkt mit Betroffenen zu tun haben, ist die Einschätzung mit 58 Prozent noch weiter verbreitet. Nur 15 Prozent der Interviewten glauben, dass in den österreichischen Betrieben genügend auf die Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen eingegangen werde. Die Mehrheit von 53 Prozent glaubt nicht, dass sich Österreichs Betriebe auf die Herausforderung, vor der pflegende Angehörige stehen, eingestellt haben. Eine deutliche Mehrheit der befragten Arbeitnehmer würde im Bedarfsfall die Pflegekarenz in Anspruch nehmen.

Durch die oft auftretenden Verhaltensauffälligkeiten der Erkrankten denken auch viele Angehörige, dass sie die Betreuung ihrer Angehörigen niemandem anderen zumuten können, was oft in sehr kurzer Zeit zu Depressionen und Burn out-Symptomen bei den betreuenden Menschen führe, erklärte der Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, Erich Fenninger. Auch die Präsidentin der Selbsthilfegruppe Alzheimer Austria, Antonia Croy, bestätigt diese Erfahrung: “Angehörige stehen immer mehr unter Druck. Insbesondere Frauen leiden unter der Doppelbelastung.”

Caritas erinnert Bundesregierung an versprochene Demenz-Strategie

Patientenanwalt Gerald Bachinger wies in einer Aussendung darauf hin, dass sich die Bundesregierung im Rahmen des Koalitionsabkommens darauf geeinigt habe, eine gemeinsame Demenzstrategie vorlegen zu wollen, von der bislang allerdings jede Spur fehle. Im Jänner 2011 habe das Europäische Parlament den Europäischen Rat aufgefordert, Demenz zu einer gesundheitspolitischen Priorität der EU zu erklären. Viele Länder besitzen laut Bachinger bereits eine nationale Strategie. Österreich benötige nun dringend einen nationalen Aktionsplan Demenz, dabei solle sich die Bundesregierung an der Schweiz orientieren, wo Bund und Kantone Handlungsfelder und Ziele festlegten, um die Lebensqualität der Betroffenen konkret zu verbessern, Belastungen zu verringern und die Qualität der Versorgung zu garantieren. Caritas-Präsident Michael Landau zufolge müsse es vor allem um eine Sensibilisierung, um Verbesserungen in den Bereichen Diagnostik, Finanzierung und um eine Optimierung der Datenlage gehen.

Landau und Bachinger fordern auch Investitionen in die Pflege- und Sozialbetreuungsberufe und deren Aufwertung. Nur so seien die aktuell beschlossene Primärversorgung und integrierte Versorgungsmodelle sinnvoll möglich. Selbstständig tätiges und gut ausgebildetes Gesundheitspersonal könne im Bereich der Pflege wichtige Aufgaben zur umfassenden Versorgung der Pflegebedürftigen und Entlastung der Angehörigen übernehmen. Ein Vorbild könnte das Berufsbild der advanced practice nurses in England sein, so Bachinger.

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Quelle: APA, Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Volkhilfe, Caritas