26. Juni 2018Transthyretin-Amyloidose

Innovative Medizin gegen hereditäre Amyloidose

Die Transthyretin-Amyloidose ist eine seltene Erbkrankheit, aber dennoch die häufigste Form der hereditären Amyloidosen. Die Erkrankung ist mit einer massiven Verschlechterung der Lebensqualität verbunden und verläuft tödlich. Wirksame Therapien stehen jedoch vor der Zulassung. 

Älterer über 80-jähriger Mann, der sich von einer Operation in einem Krankenhausbett erholt.
iStock/RAUL RODRIGUEZ

Bei der familiären, autosomal-dominant vererbten Erkrankung kommt es zu Ablagerungen von pathologisch verändertem Transthyretin im Gewebe. Typischerweise äußert sich die Transthyretin-Amyloidose in sensibler und autonomer Polyneuropathie und Kardiomyopathie. Die therapeutischen Optionen sind begrenzt. Eingesetzt werden der Transthyretin-Stabilisator Tafamidis sowie nicht steroidale Antirheumatika. Eine Lebertransplantation kann den Verlauf der Krankheit aufhalten. Allerdings sind experimentelle Therapien in Entwicklung. So zum Beispiel Patisiran, ein RNAi-Therapeutikum („small interfering RNA“), dessen Wirkung auf RNA-Interferenz (RNAi oder auch RNA-Silencing) beruht. Patisiran wird in der Phase-III-Studie APOLLO in der Behandlung der hereditären ATTR-Amyloidose (hATTR) untersucht. In APOLLO wurden mit Patisiran bei hATTR-Patienten mit Polyneuropathie im Vergleich zu Placebo signifikante Verbesserungen sowohl der Neuropathie als auch der Lebensqualität gezeigt. Die Verträglichkeit war gut. „Die Unterschiede zwischen dem Verum- und dem Placebo-Arm waren erheblich. Während sich die Patienten in der Placebo-Gruppe dem natürlichen Verlauf der Krankheit entsprechend verschlechterten, kam es unter Patisiran nicht nur zu einer Stabilisierung, sondern sogar zu einer Verbesserung. Diese Studie ist aus portugiesischer Sicht wichtig, da wir hier relativ viele betroffene Familien haben“, sagt Prof. Dr. Mamede Alves de Carvalho von der Universität Lissabon. Mehrere Analysen von APOLLO wurden im Rahmen des EAN 2018 präsentiert. Sie zeigen unter anderem, dass der Ernährungszustand der Patienten in der Patisiran-Gruppe über 18 Monate stabil blieb, während er sich unter Placebo verschlechterte.1

Alves de Carvalho unterstreicht, dass Patisiran nicht die einzige experimentelle Therapie der Transthyretin-Amyloidose ist, die gegenwärtig in fortgeschrittenen klinischen Studien untersucht wird. Inotersen ist ein zu dem für das Transthyretin kodierenden DNA-Abschnitt komplementäres Antisense-Oligonukleotid, das die Produktion des pathologischen Transthyretin-Proteins unterbindet.  Auch Inotersen zeigte im Hinblick auf Polyneuropathie und Lebensqualität einen erheblichen Effekt über 66 Wochen und dürfte in Europa kurz vor der Zulassung stehen. Im Rahmen des EAN 2018 vorgestellte Analysen der Phase-III-Studie NEURO-TTR zeigen unter anderem, dass sich 50,0% und 36,5% der mit Inotersen behandelten Patienten über 66 Wochen hinsichtlich ihrer Lebensqualität (Norfolk QOL-DN total score) und Polyneuropathie (mNIS+7) sogar verbesserten.2 Die Verträglichkeit war gut und 80% der Patienten schlossen die 15-monatige Studie ab. Von diesen Patienten konnten mehr als 95% in die offene Extension übernommen werden, deren Ein-Jahres-Daten im Rahmen des EAN 2018 vorgestellt wurden. Sie zeigen einen anhaltenden Benefit durch die Therapie mit Inotersen und keine neuen Sicherheitssignale. Die erreichte Stabilisierung konnte über ein weiteres Jahr weitgehend gehalten werden. Die auf Inotersen umgestellten Patienten der Placebo-Grupp erlebten ebenfalls eine Stabilisierung der Erkrankung – allerdings auf dem niedrigeren Niveau, das sie nach 66 Wochen unter Placebo erreicht hatten. Dies spreche, so die Autoren, für einen frühen Behandlungsbeginn mit Inotersen.3 Eine weitere Auswertung von NEURO-TTR zeigte, dass sich die Lebensqualität der Patienten unter Inotersen schnell, signifikant und anhaltend verbessert.4

Alves de Carvalho: „Wir werden also vermutlich in naher Zukunft mehrere Optionen zur Behandlung der Transthyretin-Amyloidose haben. Das ist ein enormer Durchbruch, da diese Erkrankung bis vor Kurzem als nicht behandelbar galt.“