Myo-Inositol – ein Alkohol mit wichtigen Botschaften
Myo-Inositol (Inositol, Myo-Inosit, Inosit, veraltet: „Muskelzucker“) wird fälschlicherweise oft als Zucker bezeichnet, ist der Definition nach jedoch ein Alkohol. Inositol existiert in 9 verschiedenen Stereoisomeren, von denen jedoch nur Myo-Inositol von biologischer Bedeutung ist.1,2 Früher wurde Myo-Inositol den B-Vitaminen zugerechnet und teils als „Vitamin B8“ bezeichnet.2 Myo-Inositol kann jedoch vom menschlichen Organismus selbst synthetisiert werden.1
Inositol ist der 6-wertige Alkohol des Cylcohexans.2 Cyclohexan stellt das Grundgerüst der Inositole dar. Cyclitole entstammen dem Kohlenhydratstoffwechsel und entstehen letztlich aus Glucose-6-phosphat. Myo-Inositol ist das am weitesten verbreitete Cyclitol und ist in Form von Phosphatidyl-Inositol ein wichtiger Baustein der Zellmembranen aller Organismen.
Im menschlichen Körper weisen Gehirn, Hoden, Nieren, Milz, Leber, Eierstöcke, Augenlinse und Herzmuskel besonders hohe Gehalte an Inositol auf.2 Myo-Inositol kommt im Körper am häufigsten phosphoryliert als Inositoltriphosphat (IP3) vor und spielt in menschlichen Zellen als „second messenger“ bei vielen Stoffwechselvorgängen eine zentrale Rolle. IP3 ermöglicht beispielsweise die zellulären Signalwege zahlreicher Hormone wie des Insulins oder des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH). Beschrieben werden positive Effekte hinsichtlich Insulinresistenz, Fett- und Glucosemetabolismus sowie eine Senkung der Androgenspiegel. In kleineren Studien konnten auch günstige Auswirkungen im Rahmen von In-vitro-Fertilisationszyklen auf Eizell- und Spermienqualität gezeigt werden.3
Health Claims4
Für Myo-Inositol wurde noch kein Health Claim definiert.
Steckbrief
Vorkommen
Reichhaltige Myo-Inositol-Quellen der menschlichen Ernährung sind Fleisch und tierische Innereien. Einen hohen Inositol-Gehalt weisen auch Vollkorn-Getreidesorten auf. Weizenvollkorn z.B. hat einen Inositolgehalt von ca. 170–250mg/100g und Leber von ca. 50mg/100g.5 In pflanzlichen Geweben kommt Myo-Inositol u.a. als Hexaphosphorsäureester in Form der Phytinsäure vor.1,2 Isoliert wird Inositol z.B. aus Maisquellwasser, das als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Maisstärke anfällt.5 Große Mengen an Inositol finden sich auch in lecithinhaltigen Lebensmitteln. Einigen Mikroorganismen dient Myo-Inositol als Wuchshormon.2
Mögliche Anwendungsgebiete
- Bei Frauen mit Fertilitätsstörungen wie dem Polyzystischen Ovar-Syndrom (PCOS) – diese zeigen einen Mangel an Myo-Inositol in der Follikelflüssigkeit.3
- Als Baustein der Phospholipide wird Myo-Inositol gelegentlich zur Leberschutztherapie oder zur Arterioskleroseprophylaxe eingesetzt. Die Wirksamkeit ist jedoch nicht ausreichend belegt.1
- Myo-Inositol kann das Auftreten eines Gestationsdiabetes günstig beeinflussen. Laut S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge wird in einer rezenten Cochrane-Analyse ein günstiger Effekt von Myo-Inositol bei Italienerinnen in der Frühschwangerschaft beschrieben.6
- Additive Behandlung bei IVF-Zyklen zur Verbesserung der Eizell- und Spermienqualität.3
Praxistipps
- Myo-Inositol als NEM bei Frauen mit PCOS und/oder Kinderwunsch:
- In wissenschaftlichen Studien konnte ein positiver Effekt mit einer Tagesdosis von 4g Myo-Inositol, entweder einmal täglich oder aufgeteilt auf 2 Dosen, erzielt werden. Kombiniert wird Myo-Inositol häufig mit Folsäure und Vitamin D.
- Die Einnahme kann zu jeder Tageszeit und unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen.
- Empfehlenswert ist eine regelmäßige Einnahme über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten.
- Myo-Inositol gilt als gut verträgliches und sicheres Nahrungsergänzungsmittel mit maximal leichten gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Blähungen oder Durchfall bei sehr hohen Dosierungen von bis zu 12g/Tag.
- Die vaginale Applikation von Myo-Inositol soll ein „spermienfreundliches“ Milieu erzeugen. Dies trägt dazu bei, die Spermienbeweglichkeit zu verbessern und den Zervixschleim zu verflüssigen. Die Wanderung der Spermien zur Eizelle wird dadurch erleichtert.
Im Wechselspiel
Es sind keine relevanten Interaktionen mit Arzneimitteln oder anderen Nährstoffen bekannt.
Referenzen
1 Sticher/Heilmann/Zündorf, Pharmakognosie Phytopharmazie, 10. Auflage 2015, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
2 Fuchs N., „Mit Nährstoffen heilen“ – Eine Einführung in die komplexe Orthomolekulare Nährstoff-Therapie, 3. Auflage 2007, Ralf Reglin Verlag Köln
3 Gynäkologische Endokrinologie 2019, https://doi.org/10.1007/s10304-018-0223-x
4 Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012
5 Teuscher, Lindequist, Melzig, Biogene Arzneimittel, 8. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
6 S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GSM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge, 2. Auflage, DDG, DGGG-AGG 2018