„Antrag auf Additivfach – wir werden nicht lockerlassen!“

Ab der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie Anfang Oktober ist Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schoppmann der neue ACO-ASSO-Präsident. Mit der krebs:hilfe! sprach er schon jetzt über seine Pläne für die zwei Jahre seiner Präsidentschaft. (krebs:hilfe! 8–9/19)

krebs:hilfe!: Sie sind bereits Generalsekretär und haben die ACO-ASSO die letzten Jahre mitbegleitet. Was ändert sich als Präsident für Sie?  

Schoppmann: Der Vorstand trifft in der ACO-ASSO gemeinsam die Entscheidungen. Daher habe ich die Entwicklung der Gesellschaft bereits in den letzten Jahren mitgetragen und mitgestaltet und werde das auch für die nächsten zwei Jahre weiter tun, was mir auch wichtig ist. Wir haben noch zwei weitere, junge Kollegen für den Vorstand nominiert, PD Dr. Charlotte Rabl, FACS, und Assoz.-Prof. PD Dr. Alexander Perathoner. Das ist für uns auch ein Zeichen, dass wir nicht stehen bleiben, sondern uns weiterentwickeln.

Was werden Ihre Schwerpunkte sein?  

Ein zentraler Schwerpunkt ist die Nachwuchsförderung und Jugendattraktivierung. Wir haben den Mangel an Jung-Chirurgen Gott sei Dank schon vor vielen Jahren erkannt und gegengesteuert mit einem Schwerpunkt im Bereich Aus- und Fortbildung und einer Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie. Das Ergebnis sehen wir heute schon. Auf unseren Veranstaltungen sieht man ganz viele Junge, weil wir ihnen auch etwas bieten. Diesen Weg möchten wir weitergehen und noch einen Schritt weiter in Richtung Internationalisierung. Wir werden in den nächsten Jahren aktiv versuchen, die ACO-ASSO in Europa, aber auch außerhalb, an bereits existierende, ähnliche Gesellschaften zu binden. Wir haben schon eine enge Bindung zur European Society of Surgery Oncology, ESSO. Da sind wir auch im Vorstand vertreten – ich arbeite beispielsweise in der Teilnehmer- Akquirierungsgruppierung mit. Seit ein paar Jahren können wir auch anbieten, dass unsere Mitglieder gleichzeitig ESSO-Mitglieder werden. Ich habe mir vorgenommen, die Anzahl der ACO-ASSO-Mitglieder, die auch gleichzeitig ESSO-Mitglieder sind, deutlich zu erhöhen.

Eine Kombi-Mitgliedschaft also?

Ja, exakt. Wir möchten die rein nationale Mitgliedschaft erweitern, den Jungen die Möglichkeit geben, sich international auszutauschen, international an der aktuellen Forschung dranzubleiben. Gerade in der chirurgischen Onkologie entwickeln sich die Themen so schnell, dass man nicht warten kann, bis das in einem Land aufgearbeitet wird.

Was sind derzeit die großen Forschungsfelder in der chirurgischen Onkologie?  

Die großen Themen der Onkologie, wie Biomarker oder personalisierte Medizin, sind auch in der chirurgischen Onkologie relevant. Ich glaube, dass immer stärker Biomarker darüber entscheiden werden, wie und was wir operieren. Zudem wird die Chirurgie immer minimalinvasiver werden. Der erste Zugang war über Laparo- und Thorakoskope, jetzt gibt es aber viel mehr robotergestützte chirurgische Möglichkeiten. Da ist es sehr wichtig, eine Balance zu finden zwischen Möglichkeiten und Vorteilen für den Patienten.

Und wie sieht diese Balance bei der robotergestützten Chirurgie aus?  

Roboterchirurgie muss den Anspruch haben, dass sie Vorteile bringt. Ursprünglich ist die Roboterchirurgie entwickelt worden, um Soldaten, die im Irak-Einsatz waren, von einem Krankenhaus am Heimatort aus operieren zu können. Der Grundgedanke ist also, dass der Roboter selbstständig operiert. Das funktioniert natürlich nicht bzw. nur in wenigen Bereichen. Aber roboterassistierte Chirurgie kommt zunehmend zum Einsatz. Ziel ist immer, die Operationen für den Chirurgen einfacher zu machen und für den Patienten schonender und sicherer. Das sind die Prämissen, die eingehalten werden müssen. Allerdings sind wir in der chirurgischen Onkologie noch recht weit hinten in der wissenschaftlichen Rechtfertigung. Es gibt wenige Studien, die beweisen, dass wir Menschen nicht besser operieren können als ein Roboter.

Wie sieht die Forschung aus im Bereich der ACO?  

Wir haben beispielsweise die Radiofrequenzablation (RFA)-Registerstudie, die derzeit läuft. Forschung gibt es, allerdings ist Forschung für uns als Fachgesellschaft auch immer eine Frage der Finanzierung. Das ist ein großes Thema. Als Gesellschaft muss man irgendwann Schwerpunkte setzen, wofür man steht.

Und wofür steht die ACO-ASSO?  

Ich glaube, dass wir versuchen, hier einen Mittelweg zu gehen – von allem etwas. Das ist ein Eiertanz. Die Finanzierung ist halt immer schwieriger. Auch der personelle Aufwand. Große Studien kann die ACO-ASSO nicht stemmen.

Aber die ACO-ASSO beteiligt sich aktiv an der Forschung?  

Die ACO-ASSO beteiligt sich an nationalen Studien. Und ganz wichtig – die ACO-ASSO fördert wissenschaftliche Leistungen und Projekte mit Forschungspreisen. Wir vergeben seit vielen Jahren zwei Preise, was sehr gut funktioniert. Einerseits unterstützen wir mit dem Georg-Stumpf-Stipendium Projekte, die in Vorbereitung sind. Andererseits belohnen wir mit dem ACO-ASSO-Preis bereits publizierte Wissenschaft.

Die ACO-ASSO wünscht sich seit vielen Jahren ein Additivfach für chirurgische Onkologie. Wie ist hier der aktuelle Stand? 

Das ist natürlich ein wunder Punkt. Wir haben schon vor vielen Jahren den Antrag auf ein Additivfach gestellt und betreiben dieses Projekt mit sehr viel Druck und Engagement. Bisher leider erfolglos. Aber wir werden uns neue Ansätze einfallen lassen und wir werden nicht lockerlassen, weil es  für unsere Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist.

Was aber bereits gelungen ist, ist die Verankerung der chirurgischen Onkologie in der Facharztausbildung. Was hat das verändert?  

Alle Studierenden, die die Facharztausbildung zum Chirurgen machen, können seit 2014 das Modul chirurgische Onkologie wählen. Und wir vergeben für diese Spezialausbildung das Ingrid-Shaker-Nessmann-Krebsstipendium. Solche Preise sind wichtig, weil sie den Jungforschern das Gefühl geben, dass ihr Engagement gesehen und gefördert wird.

Und gibt es jetzt mehr Anwärter auf chirurgische Onkologie?  

Das Problem ist, dass es kein Hakerl dafür gibt, dass ein Chirurg jetzt chirurgischer Onkologe ist. Derzeit ist es nur ein Teil der chirurgischen Ausbildung und nur ein Teil der Chirurgie. Diese fehlende Klassifizierung ist ein großes Problem.

Wie sieht es bei Ihnen aus?  

Mein Spezialgebiet sind Speiseröhre und Magen. Rund 70 Prozent meiner Tätigkeit ist chirurgisch-onkologisch. Aber ich beschäftige mich auch mit Vorstufen und Prävention und mit funktioneller Chirurgie.

2014 sollte das ACO-Manual der chirurgischen Krebstherapie auch in App-Form herauskommen. Ich habe jetzt nichts mehr dazu gefunden. Wie ist da der aktuelle Stand?  

Die App gibt es noch nicht. Aber die Multimedialisierung ist neben der Internationalisierung und der Nachwuchsförderung der dritte Punkt, den ich mir vorgenommen habe. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, um einerseits die Mitglieder zu halten und zu informieren und andererseits die junge Generation anzusprechen. Erste Erfahrungen mit einer App haben wir bereits gesammelt. Seit vier Jahren gibt es zu all unseren Veranstaltungen eine App, die sehr gut funktioniert. Da können sich die Teilnehmer anmelden und sich Vorträge, Poster und Side-Infos holen. Das machen mittlerweile viele Kongresse. Die Idee, einen unserer Ankerpunkte, das ACO-Manual, in einer mobilen Form zugänglich zu machen, geht noch einen Schritt weiter und ist deutlich komplexer. Wir wissen, ehrlich gesagt noch nicht, welche Form es haben wird. Ich habe mich dazu auch kürzlich mit unserer Muttergesellschaft, der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie, ausgetauscht. Diese entwickelt gerade ein Tool, das wir vielleicht übernehmen könnten.

Die Zukunft der Medizin ist weiblich, heißt es immer. Wie sieht die Situation in der chirurgischen Onkologie aus?  

Wir sehen das auch in der Chirurgie. In der Abteilung, an der ich arbeiten darf, halten sich Frauen und Männer die Waage. Und ein Großteil der Frauen, die hier die Facharztausbildung für Chirurgie machen, wird sich auch der chirurgischen Onkologie zuwenden. Das ist absolut förderungswürdig und muss auch noch weiter gefördert werden, bis es eine Selbstverständlichkeit wird. Das ist sicher noch ein Stück Arbeit, weil unser Bild nach außen immer noch stark männlich dominiert ist. Aber wir müssen uns von dem Bild befreien. Wir versuchen, das auch in der ACO-ASSO zu fördern, etwa indem wir in den neuen Vorstand auch verstärkt Frauen berufen.

Weil wir von Bildern sprechen – Chirurgen gelten als die Handwerker unter den Medizinern. Wie zeitgemäß ist dieses Bild noch?  

Das ist für mich ein ähnlich altes Bild wie der männliche Chirurg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Zukunft ein chirurgischer Onkologe existieren kann, der sich nicht mit Risiko-Profiling, mit Gen-und Tumoranalysen, geschweige denn mit seinen nachbarschaftlichen Fächern auseinandersetzt. Ein Chirurg, der einfach nur einen Tumor rausschneidet, ohne nach links und rechts zu schauen, das ist nicht die Zukunft.

Ein Paradebeispiel für Interdisziplinarität sind Tumorboards. Wo gibt es aus Sicht der ACO-ASSO Verbesserungspotenzial?  

Tumorboards sind Standard. Es gibt keine chirurgische Onkologie, ohne dass der Patient nicht vorher in einem Tumorboard besprochen wird. Aber auch da wird man die nächsten Schritte machen. Und ich denke, dass es auch Aufgabe einer Gesellschaft wie der ACO-ASSO ist, hier diese Schritte aufzuzeigen und Impulse zu geben, wo es hingehen kann. Stichwort Telemedizin oder personalisierte Medizin. Tumorboards und wie wir dort miteinander kommunizieren, sind immer ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung und muss sich dieser auch anpassen. Wir müssen am Patienten dranbleiben.

Wie nah ist denn ein Chirurg an seinen Patienten dran?  

Sehr nah. Wir chirurgischen Onkologen sind diejenigen, die den Patienten körperlich am nächsten sind, und wir sind auch für viele Neben- und Nachwirkungen nach den Operationen verantwortlich. Umso näher müssen wir am Patienten dran sein. Auch das ist ein veraltetes Bild, dass ein Chirurg an den OP-Tisch kommt, operiert und wieder weggeht. Die Patienten stellen zu Recht auch einen Anspruch an ihren Arzt.

Ein guter Chirurg muss auch ständig im Training sein, um gut zu sein.  

Das stimmt. Sehr viel Zeit in der Ausbildung geht in Richtung Artificial Training. Wir veranstalten etliche Operationskurse an Leichen, um die manuellen Fertigkeiten zu trainieren. Das ist definitiv auch ein Bereich, den die ACO-ASSO im chirurgisch-onkologischen Bereich unterstützt.

Hilft es, wenn Ärzte gut Computerspielen können?  

Das manuelle Training ist sicher gut und die Fingerfertigkeit, die man bei Spielkonsolen gewinnt, kann auch bei robotergestützter Chirurgie helfen. Das heißt aber jetzt nicht, dass ich meinen Kindern einen Freibrief fürs Computerspielen gebe. Ich bin da sehr streng.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über die ACO-ASSO  

Die ACO-ASSO entwickelte sich aus einer Teilorganisation der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie, der Arbeitsgemeinschaft für Chirurgische Onkologie (ACO). Mit der Gründung eines eigenen Vereins im September 2000 wurde die Spezialisierung der chirurgischen Onkologie betont. 2003 wurde die ACO reformiert und zur Austrian Society of Surgical Oncology (ACO-ASSO). Die ACO-ASSO besteht aus verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich jeweils mit einem wichtigen Tumor beschäftigen. Ziele der ACO-ASSO sind, die chirurgische Onkologie als Spezialgebiet des Faches Chirurgie zu fördern, Wissen zu fördern und zu vermitteln und den chirurgischen Onkologen eine Plattform und ein Sprachrohr zu geben.

Über Univ.-Prof. Dr. Sebastian F. Schoppmann
Sebastian Schoppmann (44) ist stv. Leiter der Abteilung für Allgemeinchirurgie sowie Leiter des Upper-GI-Service und Koordinator der Cancer Comprehensive Center GET-Unit an AKH/MedUni Wien. Seit 2010 ist er Vorstandsmitglied in der ACO-ASSO, seit 2014 Generalsekretär der Fachgesellschaft. 2018 wurde Schoppmann Mitglied in der Europäischen Onko-Chirurgen-Gesellschaft ESSO und engagiert sich seither auch für die Internationalisierung der chirurgischen Onkologie. Schoppmann ist Autor von zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, sein fachliches Spezialgebiet sind Tumore der Speiseröhre und des Magens.