24. Juni 2019

„Wenn schon Brustkrebs, dann in einem zertifizierten Zentrum“

Zehn Jahre nach Einführung von zertifizierten Brustgesundheitszentren (BGZ) werden über 80 Prozent der Patientinnen in solchen behandelt. Nun gilt es verbleibende Abteilungen zu zertifizieren und Patientinnen noch besser zu informieren.

Univ.-Prof. Dr. Hubert Hauser, Univ.-Prof. Dr. Felix Sedlmayer, Dr. Tanja Volm, Univ.-Doz. Dr. Walter Neunteufel, Univ.-Prof. Dr. Sigurd Lax und Mona Knotek-Roggenbauer, MSc, sprachen anlässlich des 10-Jahres-Jubiläums von Zertifizierungen für BGZs über aktuelle Daten und neue Ziele.

Österreich hat das EU-Ziel erreicht, flächendeckend zertifizierte BGZs aufzubauen. Seit 2009 wurden 30 BGZs bzw. affiliierte Partner zertifiziert. Das Hauptziel der Österreichischen Zertifizierungskommission (ÖZK, siehe Kasten) ist die Verbesserung des Überlebens sowie einheitlich hohe Qualitätsstandards zu etablieren.

„Von rund 5.400 Frauen, die jährlich an Brustkrebs erkranken, wurden 2017 etwa 4.500 in zertifizierten Brustzentren behandelt“, sagt Univ.-Doz. Dr. Walter Neunteufel, Sprecher der ÖZK. „Es gibt immer noch einzelne Abteilungen, die nicht zertifiziert sind.“ Ziel sei es, aus den 81 Prozent, die in Zentren behandelt werden, möglichst bald 100 Prozent zu machen.

Sogenannte affiliierte Partner gewährleisten eine wohnortnähere Versorgung, ohne die gesamte Infrastruktur eines BGZs aufweisen zu müssen. Affiliierte Partner haben z.B. keine Strahlentherapie vor Ort. Während ein BGZ über 100 Neuvorstellungen pro Jahr haben muss, liegt die Vorgabe in affiliierten Zentren bei 50. Jede Patientin wird mit dem zugehörigen BGZ im Tumorboard besprochen, sodass dieselbe Qualität garantiert wird.

„Das verpflichtende Tumorboard hat nicht nur geholfen, die Standards der verschiedenen Disziplinen auf dem tagesaktuellen Niveau zusammenzuführen, sondern ist auch eine gewaltige Lernplattform für die anderen Disziplinen“, sagt Univ.-Prof. Dr. Felix Sedlmayer, stv. Sprecher der ÖZK und Leiter der Universitätsklinik für Radiotherapie, Salzburg. „Assistenzärzte bekommen ein enorm verdichtetes Wissen vermittelt und es kommt der Ergebnisqualität zugute.“

Erfolg durch Ergebniskontrolle

Univ.-Prof. Dr. Hubert Hauser: „Die Behandlung von Brustkrebs in Österreich ist sehr gut. Wenn schon Brustkrebs, dann in Österreich in einem zertifizierten Zentrum.“

Die Ergebnisse werden jeweils im dritten Quartal für das Vorjahr unter folgendem Link veröffentlicht: www.doc-cert.com/123/brustgesundheitszentren/brustgesundheitszentren-jahresberichte. Dr. Tanja Volm, Direktorin der Zertifizierungsstelle Doc-Cert, AG: „Wir sehen an Zahlen aus Deutschland, dass es in puncto Überleben schlechter ist, in nicht-zertifizierten Häusern behandelt zu werden.“ Univ.-Prof. Dr. Hubert Hauser, Vorstand der Abteilung für Chirurgie, LKH Graz II, ergänzt: „Das Fünf-Jahres-Überleben bei Brustkrebs in Österreich liegt mittlerweile bei 88 Prozent über alle Stadien hinweg. Frühe Stadien können wir sogar heilen.“ Zur Verbesserung der Ergebnisse habe u.a. die Etablierung der BGZs geführt.

„Als ich begonnen habe, hat man vor der OP nicht gewusst, ob es Brustkrebs ist oder nicht. Es gab viel zu viele OPs. Heute ist die Zahl der falsch positiven OPs äußerst gering“, berichtet Hauser mit Verweis auf die Pathologie, die im BGZ Graz Süd-West durch Prim. Univ.-Prof. Dr. Sigurd Lax vertreten ist. „Prof. Lax liefert mir hervorragende Befunde und ist eine Kontroll-Instanz für mich“, so Hauser. Lax ergänzt: „Durch die histologischen Ergebnisse der Stanzbiopsie vor einer Therapie sind nicht nur das Risiko und prädiktive Faktoren definiert, sondern auch der Weg für die Therapie ist vorgezeichnet.“ Für jede Patientin werde ein maßgeschneidertes Konzept festgelegt, so Hauser. „Dadurch können wir bei über 80 Prozent eine brusterhaltende Operation durchführen.“

Lax: „Durch die Schnittrandbeurteilung während der OP, die im Schnellschnittverfahren erfolgt, kann der Patientin oft ein Zweiteingriff erspart werden.“ Insgesamt sei „eine Therapie ohne Pathologie“ nicht mehr denkbar.

Mehrwert über Medizin hinaus

„Ein wichtiges Ziel ist oft, Patientinnen sozial wieder zu integrieren“, sagt Hauser. „Zum Beispiel bekommt eine junge Alleinerzieherin Brustkrebs und wird daraufhin vom Arbeitgeber gekündigt. Das habe ich immer wieder erlebt. Dann ist die Behandlung in einem BGZ wegweisend. Psychologe und Sozialarbeiter sind vor Ort und können eingreifen.“

Ob Patientinnen den Wert der BGZs kennen? „Frauen bis zum 40., 50. Lebensjahr sind sehr aufgeklärt und wissen meist genau, wo sie hinwollen. Bei den älteren Patientinnen ist das eher nicht der Fall“, sagt Hauser. Das Gleiche gelte für Migrantinnen jeden Alters, die mangels Information zudem leider oft erst in fortgeschrittenen Stadien vorstellig würden.

 „10 Jahre Erfolgsmodell zertifiziertes Brustgesundheitszentrum – Aktueller Stand und Ziele in Österreich“ Pressegespräch, Wien, 14.6.19

Wer Brustzentren in Österreich zertifiziert

Die Österreichische Zertifizierungskommission (ÖZK) ist ein Zusammenschluss von ursprünglich sieben – und mittlerweile zehn – interdisziplinären Fachgesellschaften, die an Diagnose und Therapie von Brustkrebspatientinnen beteiligt sind. Die Zertifizierung erfolgt in Zusammenarbeit mit der unabhängigen Zertifizierungsgesellschaft Doc-Cert.

Dr. Tanja Volm, Direktorin der Zertifizierungsstelle Doc-Cert AG: „Für die Brust gibt es drei Zertifizierungen: das europäische Zertifikat der EUSOMA, das weniger nachgefragt wird, das der Deutschen Krebsgesellschaft und das der ÖZK. Die beiden Letztgenannten sind sehr konzentriert auf ihre Herkunftsländer. Keines ist schlechter oder besser, was die Angebote für Patientinnen angeht.“

Salzburg: Ein Brustzentrum ohne Zertifizierung

In Salzburg gab es bereits Zertifizierungen, die mittlerweile abgelaufen sind. Univ.-Prof. Dr. Felix Sedlmayer, stv. Sprecher der Österreichischen Zertifizierungskommission und Radiotherapie-Chef in Salzburg: „Einige Zeit gab es auch Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen Disziplinen. Das ist mittlerweile erledigt. Und wir haben nie aufgehört, die Tumorboards, die Interdisziplinarität und das Brustgesundheitszentrum zu leben.“ Nun gehe es darum, auch als Brustgesundheitszentrum nach der österreichischen Zertifizierungskommission abgebildet zu werden.

„Die Ergebnisqualität muss dokumentiert werden und der Prozess ist auf einem guten Weg. Aber die Zertifizierung macht Arbeit.“ Und sie verursacht Kosten, bspw. für eine Study Nurse, einen Psychologen bzw. entsprechendes IT- und administratives Personal. „Leider sind die Träger nicht zu hundert Prozent begeistert von einer Zertifizierung. Unsere Aufgabe ist es nun, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass nicht alles monetären Aspekten zu gehorchen hat, sondern die Ergebnisqualität an erster Stelle stehen soll.“