5. Mai 20147 Mio. Menschen leiden an einer systolischen Herzinsuffizienz

Puls runter bei jeder Art von Herzinsuffizienz!

Studiendaten zufolge leiden allein in Europa annähernd sieben Millionen Menschen an einer systolischen Herzinsuffizienz. Das Fünf-Jahres-Überleben hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, vermutlich weil die empfohlenen Medikamente häufiger verschrieben werden, erklärte Privatdozentin Dr. Birgit Assmus von der Universitätsklinik Frankfurt.

Jede Hospitalisierung verschlechtert die Prognose deutlich, sodass unter den evidenzbasierten Therapie-Zielen bei Herzinsuffizienz auch das Vermeiden von Klinikeinweisungen eine wichtige Rolle spielt.

Betablcoker neben braunes Fläschen
iStock/ogerashford

ACE-Hemmer und Betablocker sind prognoseverbessernd

Nach der aktuellen ESC1-Leitlinie ist der Behandlungsweg für Patienten mit symptomatischer systolischer Herzinsuffizienz NYHA II–IV klar strukturiert. Ganz oben stehen ACE-Hemmer und Betablocker – unter prognostischer Indikation – neben Diuretika zur symptomatischen Entstauungstherapie. Wenn trotz dieser Maßnahmen weiterhin Symptome bestehen – „und da reicht jetzt NYHA II“, so Dr. Aßmus –, sollte ein Mineralkortikoid-Rezeptorant­agonist (MRA) hinzugefügt werden.

Doch was nimmt man zuerst: ACE-Hemmer oder Betablocker? Alle placebokontrollierten ACE-Hemmerstudien fanden eine Mortalitätsreduktion um 23 %, und für Betablocker gilt eine ähnliche Größenordnung. Deshalb ist es letztlich eine klinische Entscheidung, welche Substanz man zuerst einsetzt, erklärte Dr. Aßmus.

Bei Tachykardie zuerst Betablocker

Wenn ein Patient eher tachykard ist, spricht das für den Betablocker, leidet er unter Diabetes, geben Sie bevorzugt den ACE-Hemmer. Die jeweils andere Substanz addieren Sie dazu, wenn die Ejektionsfraktion niedrig bleibt (≤ 40 %), um Hospitalisierungen und vorzeitigen Tod zu vermeiden.

Aldosteronantagonisten ergänzt man mittlerweile früh, nämlich wenn trotz der geschilderten Maßnahme immer noch eine klinische Herzinsuffizienz (NYHA ≥ II, EF ≤ 35 %) besteht. Diese IA-Empfehlung stützt sich auf Daten der EMPHASIS-HF-Studie2 (Hochrisikokollektiv, NYHA II, EF 30–35 %), in der die Mortalität durch Eplere­non von 25,9 % auf 18, 3 % gesenkt und die Hospitalisierungsrate ebenfalls reduziert wurde.

Auch das „Bändigen“ der Herzfrequenz spielt mittlerweile eine größere Rolle. Patienten mit EF ≤ 35 %, Frequenz ≥ 70/min und persistierenden Symptomen (NYHA II-IV) trotz Therapie mit Betablocker, ACE-Hemmer und MRA können Ivabradin erhalten. Diese Substanz erzielt laut Studien eine deutliche Senkung der Hospitalisierungsrate. Allerdings empfiehlt Dr. Aßmus, sich bei der Indikationsstellung an die EMA-Zulassung (ab Pulsfrequenz ≥ 75/min) zu halten. Zudem bietet Ivabradin eine Alternative bei Betablocker-Unverträglichkeit.

Kardioversion bei hämodynamischen Beschwerden

Nitrate und Digitalis kann man laut ESC-Leitlinie „erwägen“. Nach neuen Daten ist Digitalis aber „eher Feind als Freund“, so die Referentin. Die Post-hoc-Analyse der AFFIRM-Daten3 sprach für eine erhöhte Gesamtmortalität unter Digoxin. Eine Studie aus Kalifornien an knapp 3000 Patienten (2,5 Jahre nachbeobachtet) ergab eine um etwa 70 % erhöhte Mortalität. Bei tachykardem Vorhofflimmern besteht jedoch noch eine Indikation für Digitalis.

Bei Vorhofflimmern werden Rhythmus- und Frequenzkontrolle als gleichrangig eingestuft. Nur bei Patienten, die das Vorhofflimmern hämodynamisch nicht tolerieren, hat die Kardioversion Vorrang. Diese erfolgt elektrisch oder mit Amiodaron, ausdrücklich nicht empfohlen werden Dronedaron und Klasse-I-Antiarrhythmika. Was die Begleiterkrankungen angeht, gilt es, Glitazone und negativ inotrope Kalziumantagonisten (Diltiazem, Verapamil) sowie NSAR nach Möglichkeit zu vermeiden.

Aldosteronantagonist trotz nachlassender Niere

„Und wie sieht es aus mit Aldosteronantagonisten und Nierenfunktion?“, wollte ein Kollege aus dem Auditorium wissen. Bis zu Krea­tininwerten von 1,5 mg/dl hat die Frankfurter Kollegin keine Bedenken, „spätestens nach drei bis vier Tagen erfolgt aber eine Kontrolle von Nierenwerten und Kalium“, so die Antwort.

„Wenn das Kreatinin z.B. bei 1,8 mg/dl liegt, dosieren wir sehr vorsichtig und geben z.B. nur 25 mg Spironolacton jeden zweiten Tag.“ Dann sind dauerhaft engmaschige Kontrollen der Retentionsparameter und des Kaliums nötig. Auf keinen Fall solle man aber Patienten mit leichtgradig eingeschränkter Nierenfunktion MRA vorenthalten.

Unbefriedigend bleibt nach wie vor die Lage bei der diastolischen Herzschwäche, die mehr als 40 % aller Herzinsuffizienten betrifft. Keine Therapie ist in der Lage, bei diesem Patientenkollektiv Mortalität und Morbidität nachweislich zu senken. Wasserretention und Dyspnoe lassen sich durch Diuretika bessern. Darüber hinaus sollte man darauf achten, Begleiterkrankungen gut einzustellen und die Herzfrequenz zu kontrollieren, da mehr Luftnot bei hohen Frequenzen auftritt, so die Referentin.

Quelle:

  1. European Society of Cardiology
  2. Eplerenone in Mild Patients Hospitalization and Survival Study in Heart Failure
  3. Atrial Fibrillation Follow-Up Investigation of Rhythm Management