6. Nov. 2012Geschwollene Lymp

Dicker Lymphknoten: Wie viel Diagnostik?

Von den rund 600 Lymphknoten des Menschen finden sich allein im Halsbereich 300 und bei fast jedem lässt sich hier ein leicht vergrößerter Lymphknoten tasten. In den meisten Fällen ist der palpable Lymphknoten Ausdruck einer physiologischen Antwort auf einen Stimulus des Immunsystems.

Ärztin untersucht beim Kind die Lymphknoten
iStock/supersizer

Bei Kindern handelt es sich dabei überwiegend um eine Infektion, erklärte Privatdozent Dr. Alexander Claviez von der Klinik für allgemeine Pädiatrie des Universitätsklinikums Kiel auf der 61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Für „alterstypische“ beziehungsweise postinfektiöse Lymphknotenvergrößerungen sprechen bei Kleinkindern und im frühen Schulkindalter die folgenden Befunde:
• zervikale oder inguinale Lokalisation,
• Größe unter 1 cm (im Kieferwinkel unter 2 cm),
• weiche Konsistenz und Verschieblichkeit sowie
• meist fehlende Schmerzhaftigkeit und Entzündungsreaktion.
Allerdings ist die Unterscheidung zwischen „normal“ und „pathologisch“ im Einzelfall schwierig.

Supraklavikulär und axillär immer verdächtig

Schmerzhaft vergrößerte Lymphknoten und evtl. ein lokales Erythem deuten auf eine akute Infektion hin, wobei das Kind dann i.d.R. auch infekttypische Lokal- und Allgemeinsymptome zeigt. Okzipitale Lymphknotenschwellungen sind bei den jungen Patienten meist auf Kopfhautinfektionen oder Insektenstiche zurückzuführen – retroaurikuläre können ein Anzeichen für Röteln sein.

Mit Abstand am häufigsten findet man aber zervikal vergrößerte Lymphknoten – verursacht z.B. durch oropharyngeale Infektionen, Epstein-Barr-Virus-Infektion, Toxoplasmose oder Katzenkratzkrankheit.

Geschwollene Lymphknoten - steckt eine Sakoidose der Tuberkulose dahinter?

Finden sich vergrößerte Lymphknoten außerhalb des Hals- oder auch des Leistenbereiches sollten beim Arzt die Alarmglocken schrillen. Supraklavikuläre, mediastinale, axilläre oder retroperitoneale Lymphknotenvergrößerungen müssen immer den Verdacht auf Lymphome oder Metastasen wecken.

Bei axillären, mediastinalen oder retroperitonealen Lymphknoten kommt differenzialdiagnostisch eine Tuberkulose in Betracht, bei mediastinalen Lymphknoten auch eine Sarkoidose.

Kann die pathologische Lymphknotenvergrößerung nicht durch eine banale, meist virale Infektion oder eine für das Kindesalter typische Infektion erklärt werden, sind Laboruntersuchungen und Ultraschall einschließlich Dopplersonographie des Lymphknotens indiziert.

Als Labor-Basisdiagnostik forderte Dr. Claviez:
• Blutbild (manuelle Differenzierung, Retikulozyten)
• CRP, BSG
• LDH
• Harnsäure, Kreatinin
• Ferritin

Je nach Anamnese und Klinik können zudem gezielte Serologien (CMV, EBV, Hepatitis, HIV, Borrelien, Bartonellen) oder ein Tuberkulintest notwendig werden. Bei Verdacht auf eine bakterielle Genese ist ein Abstrich (Rachen, Hautläsion etc.) ratsam. Ggf. muss eine Blutkultur abgenommen werden. „Eine pragmatische probatorische Antibiotika-Therapie bei V.a. Lymphadenitis colli ist für maximal 14 Tage gerechtfertigt“, heißt es in der aktuellen Leitlinie „Lymphknotenvergrößerung“, an der Dr. Claviez maßgeblich beteiligt war.

Feinnadelpunktion misslingt oft bei Lymphknotenvergrößerung

Mittels Ultraschall, CT oder MRT lassen sich die Lymphknoten bildlich darstellen. Eine homogene Echotextur, scharfe Abgrenzbarkeit und ovale Form sprechen für eine reaktive Lymphknotenvergrößerung – unscharf begrenzte runde Lymphknoten mit hohem Vaskularisations-Score wecken den Verdacht auf Malignität. Die Bildgebung ersetzt aber niemals die histologische Untersuchung, betonte der Pädiater.

In folgenden Fällen sollten die Lymphknoten entfernt und histologisch aufbereitet werden:
• derbe, verbackene, nicht verschiebliche Knoten
• supraklavikuläre Lymphknoten
• B-Symptomatik (Fieber, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit)
• auffällige Sonographie-Kriterien
• Größenzunahme innerhalb von zwei Wochen
• keine Regression nach vier bis sechs Wochen
• keine Normalisierung nach acht bis zwölf Wochen

Von der Feinnadelpunktion als Alternative zur Lymphknotenentfernung riet Dr. Claviez eher ab. Zwar ist die Untersuchung rasch und in Lokalanästhesie durchführbar – in bis zu 30 % der Fälle sind die Proben aber nicht verwertbar. Außerdem fällt es bei der Feinnadelpunktion schwer, Lymphome sicher von follikulären Hyperplasien abzugrenzen, und das Material reicht für die evtl. notwendige Immunphänotypisierung, Zyto- und Molekulargenetik nicht aus.

Liegen zusätzlich zu den geschwollenen Lymphknoten Anämie, Thrombozytopenie und Allgemeinsymptome vor, sollte nach Ausschluss von Autoimmunerkrankungen und Immundefekten immer eine Knochenmarkpunktion vorgenommen werden, um eine akute Leukämie auszuschließen.

Quelle: 61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin