10. Aug. 2012Metastasierten malignen Melanom

Neue Immuntherapeutika gegen maligne Tumoren

Schon seit mehr als drei Jahrzehnten versuchen Tumorimmunologen, die Abwehrfähigkeiten des Immunsystems gegen maligne Tumoren zu nutzen. Bis vor kurzem fielen allerdings auch bei ausgesprochen immunogenen Malignomen wie dem Melanom oder dem Nierenzellkarzinom die Erfolge nur sehr mäßig aus.

Ein besseres Verständnis der Immunmechanismen scheint jedoch in jüngster Vergangenheit zum Durchbruch geführt zu haben. Seit einem knappen Jahr ist Ipilimumab in der EU zur Behandlung des metastasierten Melanoms zugelassen. Inzwischen sind erste klinische Resultate zu weiteren immuntherapeutischen Antikörpern publiziert und zum Teil zeitgleich bei der ASCO-Jahrestagung in Chicago vorgestellt worden.

T-Zellen bei der Abwehr von Krebs einbinden

Ähnlich wie Ipilimumab hemmt der neue Antikörper BMS936558 ein Oberflächenprotein auf aktivierten T-Lymphozyten. Dieses Eiweiß heißt  PD-1 (Programmed Death-1), es bremst die Angriffslust der T-Zellen, wenn es durch Bindung eines Liganden aktiviert wird. Ein solcher Ligand, PD-L1, wird ausgerechnet von Tumorzellen, unter anderem in Melanomen, exprimiert. Die Strategie der Immunologen, mit einem monoklonalen Antikörper PD-1 zu blockieren, scheint auch in diesem Fall aufzugehen.

In einer Phase-I-Studie1 wurde der Antikörper bei 296 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), kastrationsresistentem Prostatakarzinom, Nierenzell- und kolorektalem Karzinom getestet. Die Patienten  erhielten Dosen zwischen 0,1 und 10,0 mg/kg Körpergewicht alle zwei Wochen, ohne dass bisher eine maximale tolerierte Dosis erreicht wurde.

Vier Injektionen galten als ein Zyklus; danach erfolgte jeweils eine Kontrolle des Tumorwachstums, und es wurden, solange keine Progression oder eine komplette Remission erfolgte, bis zu zwölf dieser Zyklen gegeben.

Beeindruckende Ansprechraten mit Antikörper-Therapie

Von den 236 Patienten, deren Daten bezüglich des Ansprechens auswertbar waren, konnten objektive Remissionen bei solchen mit NSCLC, Melanomen und Nierentumoren beobachtet werden. Die kumulative Ansprechrate (über alle eingesetzten Dosierungen) betrug 18 % beim NSCLC, 28 % beim Melanom und 27 % beim Nierenzellkarzinom. Viele der Remissionen waren von Dauer: Von 31 Patienten, die mindestens ein Jahr nachbeobachtet wurden, sind 20 Patienten noch immer in Remission.

Um mehr Aufschluss über die Rolle von PD-L1 im Tumorgewebe zu erhalten, wurden bei 42 Patienten Tumorproben, die vor der Behandlung gewonnen worden waren, immunhistochemisch untersucht. Es sprachen ausschließlich Patienten mit Tumoren an, in denen PD-L1 exprimiert wurde, nämlich 9 von 25 (36 %), hingegen kein einziger von 17 Patienten mit PD-L1-negativen Malignomen.

Neuer Ansatz für eine personalisierte Therapie?

Die Toxizität scheint der Anwendung von BMS936558 nicht entgegenzustehen: Bei 14 % der Patienten traten behandlungsbezogene Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 auf. Drei Patienten verstarben aufgrund von Lungenkomplikationen. Für die weitere Entwicklung dieser Therapie wird man untersuchen müssen, ob die Bestimmung der PD-L1-Expression im Tumorgewebe als Entscheidungskriterium für einen personalisierten Einsatz der Therapie geeignet ist; Phase-II-Studien, in denen auch solche Fragen untersucht werden, laufen bereits, Phase-III-Studien zu NSCLC, Melanom und Nierenzellkarzinom werden geplant.

Zeitgleich mit diesen Ergebnissen wurden die einer weiteren Phase-I-Studie2 publiziert. In dieser erhielt  ein Kollektiv von 207 Patienten mit einem ähnlichen Spektrum von malignen Tumoren einen Antikörper gegen den PD-1-Liganden PD-L1 (BMS936559). Auch hier wurden (teilweise lange andauernde) Remissionen und Krankheitsstabilisierungen beobachtet bei vergleichbarer Toxizität wie beim PD-1-Antikörper.

1    Topalian SL et al., N Engl J Med 2012, June 2 [Epub ahead of print, DOI 10.1056/NEJMoa1200690]
2    Brahmer JR et al., N Engl J Med 2012, June 2 [Epub ahead of print,  DOI 10.1056/NEJMoa1200694]