2. Aug. 2012Wie Sie gut von böse unterscheiden können

Welche Bedeutung hat das Paraprotein?

Abnormale Malignen Zellen
iStock/toeytoey2530

Erhöhte Serumeiweiß- und Immunglobulinwerte sowie in der Folge das Paraprotein (21 g/l) wurden zufällig beim Routine-Check-up entdeckt. Und nun? Ein Paraprotein im Blut stellt keinen seltenen Befund dar, und meist ist es als monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) einzuordnen.

Bei MGUS reicht meist „Watchful Waiting“

Betroffen sind etwa 3 % der über 50-Jährigen, schreibt Dr. Jennifer M. Bird vom Zentrum für Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik Bristol im „British Medical Journal“. Definiert ist die MGUS als Vorhandensein eines monoklonalen Proteins in Serum oder Urin ohne irgendwelche Hinweise auf Myelom, Leichtketten-Amyloidose, Waldenström-Makroglobulinämie oder ähnliches.

Das Vorliegen folgender Myelom-Hinweise schließt eine MGUS ebenfalls aus:

  • erhöhte Serum-Kalziumspiegel
  • Niereninsuffizienz, die sich einem Myelom zuordnen lässt
  • Anämie
  • Osteolysen in der Bildgebung
  • Hyperviskosität, Amyloidose (symptomatisch)
  • rezidivierende Infekte (mehr als zwei in zwölf Monaten).

Die Frage, ob eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz, ein asymptomatisches oder ein manifestes Myelom vorliegt, stellt die Weichen für das weitere Vorgehen. Die MGUS rechtfertigt aufgrund der geringen Gefahr einer Progression zum Myelom (etwa 1 % pro Jahr) das „Watchful Waiting“.

Myelom: Keine sofortige Therapie notwendig?

Auch ein asymptomatisches Myelom fordert noch keine umgehende Therapie. Allerdings sollten betroffene Patienten wegen des erhöhten Progressionsrisikos zum Hämatologen überwiesen werden. Neben der klinischen Untersuchung des Patienten sind folgende Befunde wichtig:

  • Paraproteinquantifizierung (eine niedrige Konzentration macht die MGUS wahrscheinlicher),
  • Bestimmung der Immunglobulin-Klasse des Paraproteins (Myelom häufig mit IgG oder IgA assoziiert, Waldenström eher mit IgM),
  • weitere Labordiagnostik bei allen Patienten mit neu entdecktem Paraprotein: Serum-Immunglobulin-Spiegel, Blutbild/Differential-
blutbild, Kreatinin, Elektrolyte, Kalzium i.S. sowie Urin-Protein,
  • Röntgen in Regionen skelettaler Schmerzen.

Im beschriebenen Beispielfall wurde das Paraprotein als IgGκ identifiziert, bei normalen Serum-Immunglobulinspiegeln. Klinik, Röntgen (wegen der Rückenschmerzen) und Laborbefunde ergaben keinen Hinweis auf ein Myelom, im Urin fanden sich sehr niedrige Werte für Bence-Jones Protein.

Angst vor Myelom: Zur Beruhigung zum Onkologen

Kein Anlass für eine Überweisung zum Hämatologen also. Trotzdem blieb der 61-Jährige beunruhigt. Und nun? Wegen seines relativ hohen Paraproteinwertes (21 g/l), der chronischen Rückenschmerzen und seiner Besorgnis schickte man den 61-Jährigen schließlich doch zum Fachkollegen.

Auch dessen Diagnostik ergab jedoch keinen Anhalt für ein Myelom, sodass nun der Patient mit einem „Watchful Waiting“ gut leben konnte. Laut Empfehlung erfolgen zunächst alle drei Monate Kontrollen der wichtigen Parameter (Paraprotein, Differentialblutbild, Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte und korr. Serumkalzium). Bei stabilen Befunden lassen sich die Intervalle auf sechs und dann auf zwölf Monate strecken. Treten Symptome wie Fatigue, Infektanfälligkeit, Blutungen, Gewichtsverlust oder Knochenschmerz auf, verlangt dies natürlich sofort eine erneute Vorstellung beim Hämatologen.

Quelle: Jennifer M. Bird, BMJ 2012; 344: 51–54