31. Okt. 2017Der Stellenwert der Liquid Biopsy

Mit Liquid Biopsy die Therapie individualisieren

Um Tumoren molekular zu charakterisieren, wird seit Längerem der Stellenwert der Liquid Biopsy diskutiert. Derzeit erfolgt die molekulare Charakterisierung anhand einer Gewebeentnahme. Mittels Blutanalyse soll dies vereinfacht und beschleunigt werden. Experten gehen zudem davon aus, dass sich per Liquid Biopsy auch die molekulare und klonale Heterogenität des Tumors besser abbilden lässt. All dies könnte wichtige therapeutische Konsequenzen haben, hiess es am 19. World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC).

Bedeutung hat die Liquid Biopsy nicht nur beim Screening, sondern auch im weiteren Therapie- und Krankheitsverlauf, um beispielsweise ein Rezidiv frühzeitig zu erkennen und die Behandlung darauf abzustimmen, erläuterte Professor Dr. Scott Kopetz, MD Anderson Cancer Center in Houston.
So zeigen Studiendaten beim kolorektalen Karzinom (CRC), dass operierte Patienten, die postoperativ keine zirkulierende Tumorzell-DNA (ctDNA-negativ) aufweisen, eine signifikant bessere Prognose haben. Prof. Kopetz verwies auf Daten, wonach nach drei Jahren noch über 80 % der ctDNA-negativen Patienten rezidivfrei waren, aber kein einziger der ctDNA-positiven Patienten (p < 0,001).

Klonale Heterogenität besser und zeitnah erfassen

In der bereits metastasierten Krankheitssituation sieht Prof. Kopetz die Möglichkeit, mittels Liquid Biopsy nicht nur den Tumor molekular zu charakterisieren, sondern auch das Therapieansprechen, mögliche Resistenzentwicklungen sowie die Heterogenität des Tumors besser zu klassifizieren.
Ein wichtiger Punkt ist, dass nicht alle Tumoren gut zugänglich sind, um ausreichend Biopsiematerial zu erhalten. Blutanalysen sind dagegen immer möglich.

Zudem zeigen Untersuchungen, dass die Liquid Biopsy die molekulare und klonale Heterogenität des Tumors besser abbildet. Die Gewebeprobe umfasst dagegen immer nur ein bestimmtes Tumorareal, das nicht zwingenderweise ganz typisch für den Tumor sein muss.

Darüber hinaus lassen sich mittels Blutanalyse auch klonale Veränderungen im Therapieverlauf detektieren und therapeutisch nutzen. In vergleichenden Untersuchungen zeigt sich eine hohe Konkordanz der Ergebnisse, die mittels Liquid Biopsy bzw. Gewebeprobe gewonnen wurden, von über 90%, so Prof. Kopetz.

Schnell verfügbarer Surrogatmarker

Für den Einsatz der Liquid Biopsy spricht laut dem Experten auch, dass das Testergebnis schneller vorliegt. Bei vielen Patienten in der metastasierten Situation muss vor Therapiebeginn erst einmal eine Gewebeprobe angefordert oder genommen werden. Auch das weitere Prozedere ist bei der Gewebeprobe zeitlich aufwendiger als bei der Analyse einer Liquid Biopsy.

Einen wichtigen Vorteil der ­Liquid Biopsy sieht er auch darin, dass die ctDNA als schnell verfügbarer Surrogatmarker für ein Tumoransprechen genutzt werden kann. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit der ctDNA im Blut von nur wenigen Stunden kommt es bei Patienten, die auf eine Behandlung gut ansprechen, zu einem schnellen und deutlichen ct­DNA-Abfall im Blut.
Proteinmarker haben dagegen eine deutlich längere Halbwertszeit. Patienten mit einem schnellen ctDNA-Abfall haben laut Studiendaten eine deutlich günstigere Prognose, betonte er.

Ganz offensichtlich korreliert ein schneller ctDNA-Abfall mit einem Tumoransprechen (nach RECIST) und im weiteren Verlauf mit einer deutlich längeren progressionsfreien und Gesamtüberlebenszeit. Aktuelle Daten aus der PLACOL-Studie zeigen, dass der Grenzwert für einen prognostisch günstigen Verlauf bei einem ctDNA-Abfall ≥ 80 % liegt. Diese Patienten blieben median 8,5 Monate ohne Progression vs. 2,4 Monate bei einem ctDNA-Abfall unter 80 %, was sich in einem medianen Gesamtüberlebensvorteil von 27,1 Monaten vs. 11,2 Monate niederschlug.

Im klinischen Alltag lassen sich die ctDNA-Daten, die auf ein frühes Ansprechen hinweisen, dafür nutzen, die Therapiestrategie individuell zu gestalten.

Therapiereeresistenzen frühzeitig er kennen

Eine wichtige Rolle könnte die Liquid Biopsy auch bei der frühzeitigen Detektion von Therapieresistenzen spielen, so die Ansicht von Prof. Kopetz. Beispielsweise lassen sich mittels Blutanalyse pro Patient gleich mehrere Resistenzen detektieren. Ausserdem belegen Studiendaten, dass Resistenzen offensichtlich nicht zwingend zu einem bestimmten Zeitpunkt unweigerlich auftreten, sondern Ausdruck einer «Evolution» des Tumors sind, die sich möglicherweise beeinflussen lässt. So wurden bei Patienten mit kolorektalem Karzinom resistente Zellklone unter der Behandlung mit einer anti-EGFR-gerichteten Substanz detektiert, die sich aber sukzessive zurückbildeten, nachdem die anti-EGFR-gerichtete Therapie beendet war.

In klinischen Studien wird dieses Phänomen weiter untersucht. Möglicherweise, so der Referent, profitieren Patienten nach einer gewissen Zeit von der erneuten Behandlung, auf die sie zwischenzeitlich resistent waren. Anhand der ctDNA-Auswertung nach Progression lasse sich auch zeigen, dass die resistenten Klone alternative Signalwege aktivieren, was die Resistenzentwicklung erklärt.