30. Sept. 2016Chronischer myeloischer Leukämie

Positive Erfahrungen beim TKI-Absetzen

Frau mit Leukämie lehnt ihr Kopf am Fenster an
iStock/GizemBDR

Jeder zweite Patient mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) bleibt therapiefrei

In der European Stop Tyrosine Kinase Inhibitor (EURO-SKI)-Studie hatten zwölf Monate nach Absetzen des jeweiligen TKI (meist Imatinib) 56 % der Patienten noch kein Rezidiv erlitten, berichtete, Professor Dr. Johan Richter, Skåne University Hospital (Abstr. S145). Dabei waren diese Patienten deutlich weniger selektiert und das verlangte tiefe Ansprechen weniger strikt definiert worden als in anderen Studien. Die Patienten mit einer CML in der chronischen Phase und bestätigten BCR-ABL-Transkripten mussten mindestens drei Jahre eine TKI-Therapie erhalten haben. Für das Ansprechen wurde das Erreichen einer MR4 über mindestens ein Jahr mit dreimaligem PCR-Nachweis verlangt, dabei durften in dieser Zeit die BCR-ABL-Transkripte kein Mal auf 0,01 % oder mehr ansteigen. Patienten im Zustand nach Stammzelltransplantation oder nach vorangegangenem TKI-Versagen konnten nicht teilnehmen, wohl aber solche, die wegen Unverträglichkeit das TKI gewechselt hatten.

Absetzen sicher möglich

760 Patienten nahmen an der Absetzstudie teil. Im Median waren sie beim TKI-Absetzen 60 Jahre alt, hatten bereits 7,7 Jahre einen TKI erhalten (davon 710 Patienten Imatinib) und wiesen bereits über 4,7 Jahre eine MR4 auf. Das tiefe Ansprechen blieb bei 52 % der Patienten auch über zwei Jahre und bei 49 % der Patienten noch über drei Jahre erhalten.

Acht von zehn Patienten, die wegen eines Verlusts der MR4 die TKI-Therapie wieder begannen, erreichten erneut ein so tiefes Ansprechen. Eine Progression zu einer akzelerierten Phase oder Blastenkrise wurde bisher nicht beobachtet. Neun Patienten verstarben, aber keiner infolge der CML.
Die muskuloskeletalen Symptome beim TKI-Absetzen wurden bei einem knappen Drittel beobachtet. Meist waren diese Beschwerden mild bis moderat, aber bei 9 % erreichten sie auch einen Schwergrad 3 (1,2 %).

Andere Studien bestätigen Ergebnis

Auch in einer Kohorte aus Italien mit 208 Patienten, die im Median 75,2 Monate einen TKI (meist ebenfalls Imatinib) erhalten hatten, war nach median 23 Monaten einer kompletten molekularen Remission (CMR), definiert als nicht detektierbares Transkript oder Erreichen mindestens einer MR4, ein Absetzen sicher möglich (Abstr. P235 und Poster). Das tiefe Ansprechen blieb bei über 71 % der Patienten über median elf Monate erhalten. Bei Verlust der CMR erreichten alle Patienten nach erneuter TKI-Therapie wieder mindestens eine MR3 und es trat kein Progress auf.

Als prognostisch relevanter Faktor zeigte sich in der EURO-SKI-Studie v.a. die Therapiedauer: Eine Imatinib-Therapie über mindestens 5,8 Jahre vor dem Absetzen war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Rezidivfreiheit gegenüber einer kürzeren Therapie assoziiert. „Ein Jahr mehr Therapie bedeutet etwa 16 % mehr Patienten ohne Rezidiv“, so Prof. Richter. Geschlecht, Alter oder andere Parameter hatten keinen Einfluss auf den Erfolg.

Dabei setzt das Monitoring nach dem Absetzen einen langen Atem voraus: Nach der Imatinib Suspension And Validation (ISAV)-Studie traten zwar die meisten Rezidive in den ersten neun Monaten nach TKI-Absetzen auf, es wurde aber auch noch nach vier Jahren in Einzelfällen ein Verlust der tiefen molekularen Remission beobachtet (Abstr. P232). Auch hier blieben aber etwa die Hälfte der Patienten anhaltend rezidivfrei. Auch bei Rezidiv wurde dabei kein Progress beobachtet – alle Patienten sprachen auf eine erneute Imatinib-Therapie wieder an.

Regelmäßige Kontrolle gewährleisten

Entscheidend ist daher für das Absetzen eines TKI nach anhaltend tiefem Ansprechen laut Prof. Richter, das Transkript sicher zu identifizieren, die regelmäßige Kontrolle anhaltend zu gewährleisten und ein gutes Labor zu haben. „Vielleicht brauchen wir so etwas wie eine Lizenz zum Stoppen“, meinte er.