25. Juli 2012Risikobewertung

Wie sicher ist die Behandlung mit Somatropin?

Somatropin ist ein wachstumsförderndes Hormon, das rekombinant hergestellt und zur Behandlung von Kleinwuchs und Wachstumshormonmangel eingesetzt wird. In der EU steht es seit den 1980er Jahren zur Verfügung. Indikationen bei Kindern und Jugendlichen bestehen u.a. bei

  • Turnersyndrom
  • Prader-Willi-Syndrom
  • Wachstumsstörungen durch chronische Niereninsuffizienz
  • Kleinwuchs als Folge einer intrauterinen Wachstumsverzögerung

Da somatropinhaltige Arzneimittel wachstumsfördernd wirken, wurden wiederholt Bedenken geäußert, die Somatropintherapie könne die Entstehung von Neoplasien und die Progression von bösartigen Erkrankungen fördern, schreiben Dr. Valérie Strassmann und Kollegen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn.

Französische Daten der SAGhE-Studie sorgten für Unruhe

Die in acht EU-Ländern durchgeführte SAGhE*-Studie untersucht, wie sich eine Somatropinbehandlung im Kindesalter auf Gesundheit und Lebenssituation im späteren Erwachsenenalter auswirkt. Erste Ergebnisse des französischen Teils der Studie ließen zunächst Zweifel an der Sicherheit somatropinhaltiger Arzneimittel aufkommen.

Die Publikation stützte sich auf Daten von knapp 7000 Patienten, die zwischen 1985 und 1996 mit rekombinant hergestelltem Somatropin behandelt worden waren. Die Gesamtmortalität der Behandelten war im Vergleich zur französischen Normalbevölkerung erhöht. Das standardisierte Mortalitätsverhältnis betrug 1,33 (95 %-Konfidenzintervall: 1,08-1,64).

Die französischen Autoren berichteten über eine erhöhte Mortalität durch Knochentumoren und kardiovaskuläre sowie zerebrovaskuläre Erkrankungen, vor allem durch subarachnoidale und intrazerebrale Blutungen. Bei Tagesdosierungen über 50 µg/kg Körpergewicht fanden die Untersucher ein höheres Risiko.

Aktuelle Analyse von Zwischenergebnissender SAGhE-Studie beruhigt

Aufgrund der beunruhigenden Ergebnisse aus Frankreich beschlossen die Studienleiter aus Belgien, Niederlanden und Schweden, die ihnen vorliegenden Daten in einer Zwischenauswertung zu analysieren. Zur Verfügung standen Angaben von 2543 Patienten, die zwischen 1985 und 1997 mit rekombinantem Somatropin behandelt worden waren.

In diesem Teil der Studie stellte man 21 Todesfälle fest, die überwiegend auf Unfälle oder Suizide zurückzuführen waren – generell die häufigsten Todesursachen bei jüngeren Menschen. Diese Daten konnten das von den französischen Autoren berichtete Risiko nicht weiter erhärten, so die Experten vom BfArM.

Arzneimittelagentur bewertet Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv

Aufgrund der aus Frankreich gemeldeten Ergebnisse veranlasste der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ein Risikobewertungsverfahren für somatropinhaltige Präparate. Der CHMP bewertet das Nutzen-Risiko-Verhältnis somatropinhaltiger Präparate weiterhin als positiv.

Jedoch wird darauf hingewiesen, dass Somatropin nicht angewendet werden darf, wenn es Anzeichen auf eine Tumoraktivität gibt, außerdem sollten die empfohlenen Tageshöchstdosen nicht überschritten werden. Die vollständigen Ergebnisse der SAGhE-Studie werden in etwa zwei Jahren erwartet.

*Safety and Appropriateness of Growth hormone treatments in Europe Valérie Strassmann et al., Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2012; 1: 8-11