27. Juni 2019Kurztherapie zeigt nachhaltige Effekte bei Zwangsstörungen

Alles in Ordnung

Kurz und intensiv ist das neue Therapiekonzept, das Zwangspatienten langfristig von ihren Symptomen befreien soll. Mit durchschlagenden Erfolgen, wie sich jetzt zeigte.

Zwangsstörungen neigen in besonderem Masse zu chronischen Verläufen (> 50 %), erinnerte Professor Dr. Ulrich Voderholzer, Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee. Aus Scham verheimlichen viele Patienten die Erkrankung, die meist im jungen Erwachsenenalter beginnt und häufig mit Depressionen, Essstörungen oder Psychosen einhergeht. «Was nicht erfragt wird, wird auch nicht gesagt», betonte der Kollege. Deshalb empfiehlt es sich, bei jeder Anamnese mit fünf Fragen kurz abzuklopfen, ob ein Patient von Zwängen betroffen ist (s. Kasten).

Die Therapie der Zwangsstörungen – Exposition und Reaktionsmanagement – wird inzwischen von einigen Arbeitsgruppen neuartig gestaltet, führte Prof. Voderholzer aus.
Ein Team aus Norwegen hatte zuletzt die Langzeitdaten eines viertägigen, ambulanten Behandlungsprogramms veröffentlicht, an dem 77 Zwangs­patienten im mittleren Alter von 32 Jahren teilgenommen hatten.

Zwei von drei Betroffenen wurden geheilt

Hauptfokus des «sehr intensiven, innovativen Therapiekonzepts» liegt auf der «LEan into The anxiety» oder kurz LET genannten Technik, eine spezielle Form der Exposition. Dabei werden die Patienten von eigens dafür ausgebildeten Therapeuten darin bestärkt, sich bewusst auf die individuell angstauslösenden Situationen zu konzentrieren.

Das Behandlungsprogramm «Bergen» sieht wie folgt aus: In Gruppen von jeweils 3–4 Personen werden die Teilnehmer im Verhältnis 1:1 von Therapeuten betreut. Diese klären die Patienten am ersten Tag sorgfältig auf (Psychoedukation) und bereiten sie auf die LET-Expositionen vor. Am zweiten und dritten Tag folgen jeweils 8–10 Stunden Konfrontationstherapie mit unterschiedlichen Situationen. Im Verlauf des vierten Tages wird besprochen, was gelernt wurde und wie Betroffene ihre Erfahrungen in den Alltag übertragen können.

Dank dieser intensiven Therapie hatten die Patienten ihre Ängste und Zwänge auch noch nach mehreren Jahren unter Kontrolle. Unmittelbar nach Ende des viertägigen Programms hatten sich die mittleren Y-BOCS*-Werte der Teilnehmer von initial 25,9 Punkten auf 10,0 Punkte reduziert. Nach vier Jahren lagen die Werte im Mittel bei 9,9 Punkten und erwiesen sich als stabil. Nach Abschluss erreichten 73 % der Patienten eine Remission, in der Nachbeobachtung 69 %. Die Studienautoren kamen auf eine Heilungsquote von rund zwei Drittel. Solche Behandlungen mit sehr intensiven Expositionen sind offensichtlich sehr wirksam, kommentierte Prof. Voderholzer­. Dieser Versorgungsansatz solle weiter erprobt werden.

Positiv beantwortete Fragen  zwingen zum Handeln

  • Waschen und putzen Sie sehr viel?
  • Kontrollieren Sie viel?
  • Haben Sie beunruhigende oder quälende Gedanken, die Sie nicht loswerden können?
  • Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange?
  • Beschäftigen Sie sich viel mit Ordnung und Symmetrie?

Jeweils als zusätzliche Frage: Führt dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Alltag?

Wird eine Frage positiv beantwortet, empfiehlt Prof. Voderholzer eine weitere gezielte Diagnostik.

*Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale

  1. Psychiatrie-Update-Seminar