Die Technik und die Apothekerin

Ich besitze einen VW-Käfer vom gleichen Jahrgang wie ich. Er ist ein Erbstück meines Großonkels, bis auf Anfangsreparaturen hatte ich niemals Probleme mit ihm. Das Schöne ist, dass das System sehr einfach und überschaubar funktioniert und dass alle Ersatzteile noch immer erhältlich sind. Na gut, er ist kein Bolide, mit dem man über die Autobahn jagt, und seine Klimaanlage besteht aus zwei geöffneten Elefantenohren – oft angenehmer als diverse Gebläse heute. Aber er hat mir über meine Singlezeit gute Dienste geleistet und ist immer noch fahrbereit. Digital gesteuerte Elektronikdinge sind nämlich nicht immer ein Fortschritt.

Das musste ich kürzlich feststellen, als ich meinen letzten Nachtdienst antrat und merkte, dass unsere neue elektronische Klingel nicht funktionierte. Wie macht man aber einen Nachtdienst ohne Glocke? Schon überlegte ich zuzusperren. Zum Glück war anfangs noch unsere Putzfrau da, die mir schnell neue Batterien besorgte, denn ich dachte, es läge daran. Wir haben zwei Klingeln, weil unser Nachtdienstzimmer im Container im Obergeschoß liegt. Wenn die Menschen unten ihr Anläuten selbst nicht hören, läuten sie Sturm. Es klingelt mit dem schönen Ton des Big Ben in London, gleichzeitig leuchtet die untere Klingel blau und die obere gelb, eine nette Spielerei.

Die Batterie war es jedoch nicht. Wenig später kam die Chefin vorbei, drückte ein bisserl herum, und das Ding funktionierte – eine Weile. Beruhigt ging ich gegen acht Uhr Abend endlich nach oben, um kurz mein Abendbrot zu verzehren. Es dauerte sicher nicht länger als zehn Minuten, als ich plötzlich wütendes Gehämmer im Untergeschoß vernahm. Ich lief die Treppe hinunter und erblickte zwei aufgebrachte Männer, die wild mit den Armen fuchtelten. Als ich das Guckerl öffnete, schrie mich der eine an, was ich mir erlaube. Ich beteuerte, dass ich keine Klingel gehört hätte und somit nicht hören konnte, dass er geläutet hätte. „Das ist kein Grund, nicht zu kommen“, brüllte er völlig unsinnig, „mein Baby hat Fieber!“ Der andere versuchte ihn zu beschwichtigen, erzählte mir aber gleichzeitig, dass schon drei Kunden davongegangen waren. Ich war verzweifelt und musste mir dringend etwas einfallen lassen. Nachdem ich den Mann beruhigen und bedienen konnte, rief ich nochmals meine Chefin an.

Diese, auch schon leicht verärgert, erreichte den Techniker, der mich wenig später in der Apotheke anrief. „Warum habe ich eigentlich keine Bedienungsanleitung für das Ding?“, fauchte ich den armen IT-Menschen unwillig an. Er antwortete mir, dass es sowas heutzutage gar nicht mehr gäbe, es stünde eh alles im Internet, man müsse sich nur den Link ansehen. „Dazu habe ich im Dienst sicher keine Zeit“, sagte ich, „und außerdem hab ich niemals einen Link für das Ding bekommen.“ Ich besprach also die Problematik mit ihm, lief mehrmals aus der Apotheke heraus und wieder hinein mit dem Telefon in der Hand – sehr angenehm um 21 Uhr mitten in der Dunkelheit! Schließlich gab er sich geschlagen und bot mir an zu recherchieren. Nach 15 Minuten rief er wieder an und gab mir die Anweisung, auf den oberen Knopf zu drücken, um alle Stummschaltungen auszulöschen. „Welche Stummschaltung?“, fragte ich entgeistert. Es stellte sich heraus, dass das Ding per Fernsteuerung für mehrere Stunden stummgeschaltet gewesen war, um Klingelterror zu vermeiden … ich will meine alte Klingel zurück!!!