2. Mai 2018ÖGIT 2018

Enzephalitiden durch heimische Bornaviren

Erkrankungen in Endemiegebieten lassen aufhorchen: Wie gefährlich sind die bisher als tierpathogen bekannten Viren für Menschen? (Medical Tribune 18/18)

Erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden Bornaviren, als in den Jahren 2011–2013 in Sachsen-Anhalt drei Züchter von Bunthörnchen (südamerikanischen Verwandten des Eichhörnchens) an einer Enzephalitis verstarben. Als Erreger wurden damals Bornaviren des Stamms VSBV-1 identifiziert, die auch in den Bunthörnchen nachgewiesen werden könnten. Für Veterinärmediziner sind Bornaviren allerdings nichts Neues: Die klassische Bornasche Krankheit, benannt nach einer sächsischen Kleinstadt, in der es Ende des 19. Jahrhunderts zu einer kleinen Epidemie kam, befällt vor allem Pferde und Schafe.

Die Klinik der Tiere beginnt mit Appetitlosigkeit, Verhaltensänderungen und Bewegungsproblemen, gefolgt von Ataxie und Paralyse. 90 Prozent der infizierten Pferde sterben. „Es handelt sich aber um eine Einzeltiererkrankung, die nicht von Pferd zu Pferd oder von Schaf zu Schaf übertragen wird“, betont Univ.-Prof. Dr. Norbert Nowotny, Institut für Virologie, Veterinärmedizinische Universität Wien. Reservoirtiere der heimischen Bornaviren des Stamms BoDV-1 sind Feldspitzmäuse, die die Krankheitserreger über Sekrete und Exkrete an die Umwelt abgeben. Pferde und Schafe infizieren sich wahrscheinlich über Gras und Heu.

Endemiegebiete

Interessant ist, dass Bornaviren nur in bestimmten Gebieten vorkommen. Bekannte Endemiegebiete sind eine Region nordwestlich der Stadt Borna, große Teile Bayerns und die Ostschweiz. Das Ostschweizer Endemiegebiet umfasst auch Liechtenstein, Vorarlberg und wahrscheinlich Tirol. „Vor zwei Jahren haben wir auch im nördlichen Oberösterreich ein Endemiegebiet entdeckt“ berichtet Nowotny. „Bisher haben wir dort vier Erkrankungsfälle bei Pferden und sieben positive Spitzmäuse gefunden.“

Erste humane BoDV-1-Fälle

Die Kenntnis der Endemiegebiete ist nicht nur aus veterinärmedizinischer Sicht wichtig: Anfang dieses Jahres wurden erstmals BoDV-1-Infektionen bei Menschen zweifelsfrei nachgewiesen. Die ersten Fälle waren drei Empfänger von Spenderorganen, die nach der Transplantation an einer schweren Enzephalitis erkrankten. Die beiden Patienten, die eine Niere erhalten hatten, verstarben an der Infektion. Der Empfänger der Leber erkrankte zwar ebenfalls schwer, überlebte aber. Der Spender selbst, der an einer anderen Erkrankung verstorben war, hatte keinerlei Symptome einer Bornavirus-Infektion gehabt. „Zu denken gibt, dass wir mittlerweile auch zwei von der Organtransplantation unabhängige Fälle von humanen Borna-Enzephalitiden gefunden haben“, berichtet der Virologe.

Wie sich diese beiden Patienten infiziert haben, ist unklar. Bisher weiß man nur, dass alle Infizierten aus Borna-Endemiegebieten stammten. Die Viren der Patienten waren überdies genetisch ident mit den Stämmen, die in den betroffenen Gebieten in Pferden und Spitzmäusen gefunden wurden. In den fünf bislang bekannten Fällen konnten hohe Konzentrationen Bornavirus-spezifischer Antikörper im Blut der Patienten nachgewiesen werden. Bei den Verstorbenen wurden zudem im ZNS große Mengen Bornavirus- RNA gefunden. Die BoDV-1-Infektion konnte auch durch den direkten immunhistochemischen Nachweis von Bornavirus-Antigen im Gehirn bestätigt werden. Die Untersuchung des Liquors war leider nicht aussagekräftig.

Als eine der ersten Maßnahmen sollen Organspender in Zukunft auch auf Bornavirus-Infektionen getestet werden. Um zu klären, wie hoch die mögliche Dunkelziffer von Bornavirus-Enzephalitiden ist, empfiehlt die Gesellschaft für Virologie (GfV) unter anderem systematische retrospektive Untersuchungen von ungeklärten Enzephalitisfällen. Für Nowotny ist das ein wichtiger Ansatzpunkt: „Wir wollen gemeinsam mit dem Zentrum für Virologie der MedUni Wien bei schweren Enzephalitiden der letzten drei Jahre aus den Endemiegebieten Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich schauen, ob wir in diesen Fällen nachträglich noch Bornaviren finden.“

12. Österreichischer Infektionskongress; Saalfelden, April 2018

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune